Krieg in Gaza und Israel: Sachliche Aussagen oder klare Ansagen?
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Mediensplitter (47) zur aktuellen Kriegsberichterstattung: Was erklärt wird und wie mit Beweisen der unterschiedlichen Seiten umgegangen wird.
Die verschiedenen Ausgaben der Tagesschau in den entsprechenden Medienformen von TV bis TikTok bleiben die Nachrichtenquelle in Deutschland, der am meisten vertraut wird und die auch insgesamt über alle Medienformen hinweg eine sehr große Reichweite hat.
Allein im Fernsehen waren dies im Jahr 2022 durchschnittlich pro Tag mehr als zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Das bedeutet den bundesweiten Spitzenplatz auch in diesem Bereich.
Nicht zuletzt daher verdienen die Angebote der Tagesschau Aufmerksamkeit, zumal medienkritische.
Dazu drei Beobachtungen innerhalb eines Tages in der aktuellen Kriegsberichterstattung, die auf Fragwürdiges deuten.
In die Köpfe hineinsehen? "Terror"
1.) In der App- und Onlineausgabe der Tagesschau hieß es am 17.10. unter der Überschrift Die Hälfte der Gaza-Bevölkerung ist auf der Flucht:
Nach den brutalen Angriffen der Terrormiliz Hamas bombardiert Israel seit Tagen den Norden des Gazastreifens - mit dem Ziel, Hamas-Stellungen zu zerstören.
Tagesschau
Hier soll es nicht um die Ambivalenzen der Verwendung des Terminus "Terror" im Journalismus gehen – dazu siehe jüngst diesen Beitrag auf Telepolis: "Verbrechen der Hamas in Israel: Cool bleiben, ohne kalt zu sein". Sondern um die Formulierung "mit dem Ziel, Hamas-Stellungen zu zerstören".
Das ist eine relativ starke Tatsachenbehauptung, die nähere Betrachtung verdient: Wer kann denn als Journalistin oder Journalist, hier bei der Tagesschau, bitteschön tatsächlich wissen, was genau "das Ziel" der israelischen Staats- und Militärführung ist?
Journalistinnen und Journalisten können und sollen für ihre Nachrichten weder in die Köpfe der Verantwortlichen hineinsehen, noch sind sie normalerweise bei deren internen Gesprächen dabei.
Daher sollte es journalistisch vor allem in den informationsbetonten Bereichen, insbesondere in den Nachrichten also, darum gehen, was beobachtbar ist, darum, was explizit gesagt oder sonst nachvollziehbar ausgedrückt, gezeigt oder demonstriert wurde.
Journalistisch ist zu melden und zu berichten, was (mehr oder weniger, aber in der Regel doch öffentlich) erklärte Ziele sind.
Im zitierten Beispiel muss es deswegen journalistisch professionell heißen: "mit dem erklärten Ziel, Hamas-Stellungen zu zerstören". Was darüber hinausgeht, ist dann je nach Lesart Kommentar oder Spekulation oder Glaubensfrage.
Was ist "klar"?
2.) Im gleichen Medium, App- und Onlineausgabe der Tagesschau, war am 18.10. unter der Überschrift "Gegenseitige Schuldzuweisungen nach Raketeneinschlag in Gaza zu lesen":
Die von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde machte die israelische Armee dafür verantwortlich. Israels Militär wies die Verantwortung dafür allerdings klar zurück.
Was hat das Adverb "klar" hier zu bedeuten? Die eine Konfliktpartei, hier die palästinensische Seite, "machte die israelische Armee dafür verantwortlich", und zwar in der Version von Tagesschau einfach so, nämlich ohne das - klar positiv wertende - Wort "klar". Die andere Konfliktpartei, an der Stelle die israelische, weist das nicht nur einfach so zurück, sondern eben "klar".
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Fragwürdig ist: Warum wird diese mehr als deutliche Klarstellung bei der einen Seite verwendet (also bei der israelischen), und warum bei der anderen gerade nicht? Warum dieser sogar schon ziemlich explizite (und nicht nur unterschwellige) Kommentar in einer Meldung?
Nun mag eingewendet werden, dieser fragwürdige Doppel-Standard (im Sinne von "zweierlei Maß") könnte durchaus zufällig sein. Auch hier soll nicht behauptet werden, dass so etwas bewusst oder gar im Auftrag geschehe.
Sondern eher dafür argumentiert werden, dass sich diese Art von vermutlich strukturell bedingter, oft unterschwelliger Ungleichbehandlung verschiedener Parteien im Journalismus gerade in Kriegszeiten offenbar "von selbst" reproduziert und den jeweiligen Diskurs beherrscht, entsprechend den sonstigen gesellschaftlich herrschenden Machtverhältnissen.
3.) Dafür ein weiteres Beispiel, drittens und damit letztens: Unter der Überschrift "Israel sieht sich mit Luftaufnahmen entlastet" hieß es am 18.10. wiederum bei Tagesschau:
Nach der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza hat Israels Armee Luftaufnahmen vorgelegt, die beweisen sollen, dass militante Palästinenser Schuld haben. Diese wiesen die Darstellung zurück. Die Explosion in einem Krankenhaus im Gazastreifen mit vielen Toten geht nach israelischen Darstellung klar auf das Konto militanter Palästinenser.
Same procedure, lässt sich festhalten: Die israelische Darstellung wird - und zwar gerade nicht als Zitat, sondern als Tagesschau-Tatsache – als "klar" qualifiziert, also wiederum deutlich und positiv bewertet und in den Rang eines Faktes erhoben.
Die Version der palästinensischen Seite hingegen wird erneut ohne solches Adverb (Wie wird etwas getan?) wiedergegeben: "Diese wiesen die Darstellung zurück." Auch hier hätte man schreiben können, dass die Darstellung "klar" oder "entschieden" oder "mit Nachdruck" zurückgewiesen worden sei. Allein – die Verhältnisse sind offenbar nicht so.