Krieg in der spanischen Volkspartei
Machtkampf in der PP: Die konservative CDU-Schwesterpartei hat ihre Maskenaffäre. Die Madrider Regionalpräsidentin Ayuso sieht darin eine Verschwörung gegen sie
Seit den vorgezogenen Regionalwahlen in der spanischen Hauptstadtregion Madrid im vergangenen Mai schwelte der Führungsstreit in der rechten Volkspartei (PP). Der ist nun nach den Regionalwahlen in Kastilien-León, bei der die ultrarechte Vox-Partei stark zugelegt hat, zum offenen Krieg eskaliert.
Einige Tausend Anhänger der CDU-Schwesterpartei haben am Sonntag vor dem PP-Sitz in Madrid den Rücktritt von Parteichef Pablo Casado gefordert. Dazu rufen auch ultrarechte Medien auf. Die Zeitung ABC nimmt die Vorgänge im Editorial schon vorweg: "Casado ein erzwungener Rücktritt."
Vielen in der Partei und in der "medialen Rechten", wie man Zeitungen wie ABC, El Mundo oder La Razón nennt, ist Casado nicht rechts genug. Dabei ist die PP mit seiner Krönung noch weiter nach rechts gerückt. Dabei wurde sie ohnehin von Franco-Ministern gegründet und hat sich nie von Putsch und Jahrzehnten der Diktatur distanziert.
All diesen Ultrakonservativen am rechten Rand steht die populäre Regionalregierungschefin Madrids Isabel Díaz Ayuso näher. "Casado du Verräter, Ayuso ist die Beste", skandierten ihre Anhänger.
Angeschuldigt wird Ayuso auch von ihrer Parteispitze und von Casado in einer Maskenaffäre, die Casado eigentlich untersuchen wollte. Angesichts des Ayuso-Gegenangriffs brach er das Vorhaben aber sofort wieder ab.
Aufträge ohne Ausschreibung vergeben
Offenkundig ist, dass Ayuso ohne Ausschreibung der Firma eines Freundes der Familie in der ersten Corona-Welle einen Auftrag zum Kauf von Schutzmasken im Umfang von 1,5 Millionen Euro zugeschustert hat. Ihr Bruder Tomás soll als Vermittler 283.000 Euro kassiert haben, hatte PP-Chef Casado behauptet und wollte intern ermitteln.
Am Freitag brach Ayuso ihr Schweigen und räumte eine Kommission an ihren Bruder ein. Der soll nach ihren Angaben aber nur 55.850 (plus Mehrwertsteuer) Euro erhalten haben. Alles sei legal gewesen, da im Pandemie-Alarmzustand Ausnahmen möglich waren. Eigentlich dürfen öffentliche Aufträge nur bis zu 15.000 Euro ohne Ausschreibung vergeben werden, doch in der Pandemie wurden die Verfahren gelockert, womit sie noch anfälliger für Korruption und Vetternwirtschaft wurden.
Aufgedeckt hat die dubiosen Vorgänge schon im vergangenen Jahr die linke Online-Zeitung eldiario.es. Die hatte auch aufgezeigt, dass Ayuso versucht hatte, den Vertrag zu der Firma im "Transparenzportal" zu verstecken. Sie hat nun nachgelegt und mit Dokumenten belegt, dass nicht, wie bestellt, 250.000 "FPP2-" und "FPP3-Masken" geliefert wurden, sondern nur Masken nach der chinesischen Norm "KN95", die bestenfalls an die europäische FPP2-Norm heranreichen. FPP3-Masken mit deutlich höherer Filterkapazität seien überhaupt nicht geliefert worden.
Neu sind Anschuldigungen gegen Ayuso wegen möglicher Korruption und Vetternwirtschaft nicht. Nach Angaben von Infolibre habe Ayuso allein im Zeitraum von Januar 2020 bis Oktober 2021 "per Fingerzeig" ohne Ausschreibungen 5.210 Verträge ohne Ausschreibung im Umfang von 1,1 Milliarden Euro vergeben, bei denen einige an Vertraute oder Freunde gegangen seien.
Der Zweikampf
Zum Krieg zwischen Ayuso und Casado kam es aber nicht wegen Korruption oder Vetternwirtschaft. Das schwelende Feuer brach in der vergangenen Woche nach den vorgezogenen Regionalwahlen in Kastilien-León aus.
Dabei verpasste der Casado-Kandidat alle seine Ziele. Er wurde geschwächt, womit auch der Stuhl des PP-Parteichefs noch stärker zu wackeln begann. Öffentlich wurde auch, dass die PP eine Detektivfirma beauftragt haben soll, die Ayusos Bruder auszuspionieren und belastendes Material gegen die 43jährige Regionalpräsidentin sammeln sollte. Das wurde von der Detektei auch bestätigt.
Man wolle sie "zerstören", erklärte Ayuso und warf Casado vor, dass er Korruptionsvorwürfe gegen sie "fabrizieren" wolle. "Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Führung meiner Partei so grausam und unfair gegen mich vorgehen würde", sagte Ayuso.
Das kann ihr kein Mensch abnehmen. Gerade die PP in Madrid hat immer wieder Detektive gegen Parteimitglieder eingesetzt. Die als "Korruptionspartei" rechtskräftig verurteilte PP schreckte in ihren Korruptionsaffären sogar vor Mafia-Methoden wie Raub und Entführung nicht zurück, um an belastende Unterlagen über Schmiergelder ihres ehemaligen Schatzmeisters zu kommen. Dafür muss sich der ehemalige Innenminister gerade vor Gericht verantworten.
Es liegt nahe, dass der angeschlagene Casado die Affäre nun für sich zu nutzen versuchte, um eine starke Konkurrentin auszuschalten. Seit Monaten verschleppt er einen Parteikongress in Madrid, in dem sich Ayuso zur PP-Präsidentin der wichtigsten Hauptstadtregion küren lassen will. Das wäre das Sprungbrett zum Angriff auf Casado und die PP-Führung, die sie anstrebt und ihr seit ihrem klaren Sieg in Madrid zugetraut wird.
Mit fast 45 Prozent verdrängte Ayuso, die keine Probleme hat, als "Faschistin" bezeichnet zu werden, die Sozialdemokraten klar auf den zweiten Rang. Sie konnte auch den Aufstieg der ultrarechten Vox begrenzen, mit deren Hilfe sie regiert. Statt neun Prozent wie in Madrid kamen die Ultras in der Nachbarregion auf über 17 Prozent.
Die PP, die eine absolute Mehrheit angestrebt hatte, konnte ihren Stimmanteil mit gut 31 Prozent nur mit leichten Verlusten verteidigen. Eine weitere Regierung mit Vox-Unterstützung wie schon in Murcia und Andalusien will Casado in Kastilien-León vermeiden, auch dabei widerspricht ihm Ayuso. Man darf davon ausgehen, dass Casado noch Rückzugskämpfe führen wird, aber da sich wichtige Lokalfürsten wie der Galicier Alberto Núñez Feijóo schon mit ihr verbünden, ist die Zeit von Casado vorbei.