Kriegsgegner auf CAPPS-Überwachungsliste
Schon die Vorstufe des geplanten Flugpassagier-Überwachungssystems CAPPS II lässt erahnen, dass es bei Terrorismusverdächtigen nicht bleiben wird - schon gar nicht bei Ausländern
Auf massive Kritik hin hatte die Transportation Security Administration (TSA) erst vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass das Computer Assisted Passenger Prescreening System (CAPPS II), das geplante Überwachungsprogramm für Flugpassagiere, zwar zumindest für US-Bürger in eingeschränktem Ausmaß eingerichtet wird, dafür aber nicht mehr nur auf verdächtige Terroristen oder ihre Helfer ausgelegt ist. Allerdings hat die TSA ihre Liste zur genaueren Überprüfung von Flugpassagieren zumindest auch auf politische Aktivisten befinden.
Die vor kurzem bekannt gegebenen Einschränkungen bei der Datenerhebung für CAPPS II, das jetzt in die Testphase geht und noch dieses Jahr realisiert werden soll, betreffen freilich nur die US-Bürger (Zumindest im Internet soll die Freiheit grenzenlos sein. Bei diesen werden Daten angeblich nur noch wenige Tage nach Abschluss der Reise gespeichert, zuvor waren 50 Jahre vorgesehen. Dafür wird die anvisierte Personengruppe allerdings von Menschen, die verdächtigt werden, mit dem internationalen Terrorismus in Verbindung zu stehen, auf Individuen mit Verbindungen zum heimischen Terrorismus erweitert. Terrorismus bleibt dabei eine Leerformel, in die sich viel hineinpacken lässt. Dazu kommen noch gesuchte Gewaltverbrecher und möglicherweise Menschen, die Visa- oder Einwanderungsgesetze verletzt haben.
Ausländer weitgehend vogelfrei
Von ausländischen Flugreisenden ist in der veränderten Fassung nicht die Rede. Bekanntlich verlangen die USA zur ausschließlichen "Verhinderung und Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Verbrechen" Zugriff auf die Flugpassagierdaten, die sogenannten "Passenger Name Records" (PNR), die in den Computern der ausländischen Fluglinien gespeichert sind.
Bislang wird der freie, den europäischen Datenschutz eigentlich verletzenden Zugriff auf 40 Datensätze verlangt, neben Namen, Geburtsdatum, Anschrift und Telefonnummer des Reisenden auch die Namen seiner Mitreisenden, die Rechnungsanschrift und Email-Adresse. Die Daten sollen mindestens sieben Jahre gespeichert werden. Dabei bleibt es den US-Behörden überlassen, "auf eigene Initiative" sensible Daten wie Rassenzugehörigkeit oder Hinweise auf politische bzw. religiöse Überzeugungen zu entfernen. Angeblich soll der direkte Zugriff nur auf Passagiere erfolgen, die in und durch die USA oder aus der USA heraus fliegen. Vorgesehen ist zwar auch, dass irgendwann die Daten den US-Behörden geliefert werden (push), vorerst aber holen sie diese selbst (pull).
Schon vor CAPPS II wurde die Beobachtungsliste ausgebaut
Vermutlich dürfte es sich bei CAPPS II um die Grundlage eines umfassenden Überwachungssystems handeln, wie dies im Pentagon im Rahmen des Terrorist Information Awareness Programms geplant war. Auch wenn möglicherweise keine Gelder mehr direkt in dieses Darpa-Projekt fließen dürfen und dessen politisch ungeschickter Direktor, der an vorderster Front in den Iran-Contra-Skandal beteiligten Ex-Admiral, und Bush-Günstling Michael Poindexter, gehen muss, sind damit die Überwachungsgelüste der Bush-Regierung noch keineswegs gestorben.
Dass die Terroristenjagd, wie eigentlich fast nicht anders bei der Hysterie nach dem 11.9. zu erwarten, auch auf andere Personengruppen erweitert meist aus arabischen Ländern deutlich, die nur die allgemeinen Rastersuche-Kriterien erfüllten. Offenbar hatte man nach dem 11.9. nicht nur das bereits existierende CAPPS kräftig in Form von zwei Listen ausgebaut: eine No fly-Liste für Terrorismusverdächtige, auf der sich mittlerweile an die 1.000 Verdächtige befinden sollen, sowie eine "selectee"-Liste für Menschen, die bei der Abfertigung genauer untersucht und befragt werden sollen. Und hier werden nicht nur manche versehentlich Genannte aufgeführt, sondern offenbar auch Menschen, die man anderweitig für verdächtig hält.
Das zumindest ergibt sich auch den Berichten von Rebecca Gordon und Jan Adams, die wiederholt genauen Überprüfungen an Flughäfen unterzogen worden sind. Die beiden sind noch niemals festgenommen worden oder haben Vorstrafen, aber sie arbeiten für das pazifistische Magazin War Times, das Anfang des letzten Jahrs u.a. mit Unterstützung von Noam Chomsky gegründet wurde, um eine Gegenöffentlichkeit zum Kriegskurs der Regierung zu schaffen (War Times sorgt für Gegenöffentlichkeit im Krieg gegen den Terror). Auch andere haben Beschwerde eingelegt wie die grüne Politikerin Nancy Oden oder eine 74-jährige Nonne aus Milwaukee, die daran gehindert wurde, nach Washington zu fliegen, um an einer Demonstration gegen die Regierung teilzunehmen.
Insgesamt scheint alles ein wenig chaotisch zuzugehen. Noch nämlich gibt es kein zentralisiertes Computersystem, weswegen auch keine Daten darüber vorliegen, wie viele Menschen aufgrund falscher Einträge in die Liste als verdächtig ausgewiesen und entsprechend behandelt wurden. Nach den weitgehend geschwärzten Dokumenten, die die ACLU aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes von der TSA erhalten hat, geht auch nicht hervor, wer auf den Listen steht, aufgrund welcher Merkmale Personen als verdächtig gekennzeichnet werden und wie man erreichen kann, wieder aus ihnen gestrichen zu werden. Warum Rebecca Gordon und Jan Adams offensichtlich auf die Liste gerieten oder immer noch auf ihr sind, geht aus den "schwarzen" Dokumenten nicht hervor, die im übrigen kein gutes Beispiel für Informationsfreiheit darstellen.
Immerhin geht hervor, dass die Listen täglich länger geworden sind, weil Geheimdienste, das Heimatschutzministerium und andere Behörden fleißig neue Verdächtige eingetragen haben. Täglich aber würden auch, wie ein Memo vom Dezember letzten Jahres sagt, an die 30 Anrufe von Fluglinien hereinkommen, die falschen Alarm melden. Man würde aber nicht die Möglichkeit haben, so ein weiteres Dokument, diese Informationen (über falsche Verdächtigungen) aufzunehmen, zudem gäbe es auch keinen Druck, dies zu machen. In einem Dokument gibt man zu erkennen, dass man nicht weiß, wie irgendwelche Namen überhaupt auf die Listen geraten sind. Offenbar herrscht hier große Willkür. Nach Informationen der ACLU ist beispielsweise die Liste, die das Sicherheitspersonal am Oakland Airport hat, 88 Seiten dick. Da die Listen, die oft nur Namen enthalten, was bei arabischen mit unterschiedlichen möglichen Schreibweisen Probleme bereitet, nur erweitert, aber nicht korrigiert zu werden scheinen, fragt ACLU-Anwältin attorney Jayashri Srikantiah: "Wie soll TSA wissen, ob die no-fly-Liste die Sicherheit verstärkt, wenn sie die Treffer der Liste nicht verfolgt?"
Das würde mit CAPPS II natürlich anders werden, das eine zentralisierte landesweite Datenbank mit erheblich mehr Daten vorsieht. Diese Datenbank mit der Liste verdächtiger Personen soll dann vermutlich nicht auf Flugreisende beschränkt bleiben. Und ob dann auch verdächtige politische Aktivisten aller Provenienz - und dann vermutlich nicht nur US-Bürger - verstärkter Überwachung ausgesetzt sind, ist aufgrund der jetzt schon sehr gedehnten Anwendung von CAPPS anzunehmen Nach der ACLU gibt es bei der TSA offenbar keine Bestimmung, dass "von der Verfassung garantierte politische Betätigung" alleine kein Grund sein darf, auf die Liste zu gelangen.