Krim: Reisen ins Non-Grata-Land

Seite 3: Interview mit Viktor Agejew, Oberbürgermeister der Stadt Simferopol (Hauptstadt der Krim)

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Vor fünf Jahren wurde die Krim infolge der Wiedervereinigung wieder russisch. Was hat sich in dieser Zeit in der Stadt verändert?

Viktor Agejew: Das Wichtigste ist natürlich, dass heute auf der Krim Frieden herrscht, und alle Krimbewohner in Ruhe Pläne für die Zukunft machen können.

In den letzten fünf Jahren hat sich die Stadt grundlegend verändert: Probleme der Energieversorgung wurden gelöst, Schulen und Kindergärten, Krankenhäuser, Parks, Grünanlagen und Straßen werden gebaut. Natürlich erhalten wir dabei eine große Unterstützung von den republikanischen und föderalen Behörden, wir spüren auch die beispiellose Unterstützung von den Regionen Russlands, deren brüderliche Schulter.

Ich glaube, dass einer der wichtigen Indikatoren für positive Veränderungen für die Stadt die von Jahr zu Jahr wachsende Einwohnerzahl ist. Simferopol ist ja nicht nur ein administratives, sondern auch ein kulturelles, finanzielles, industrielles und Bildungszentrum der Halbinsel, so dass Menschen aus anderen Regionen zu uns kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, zu bauen, Wirtschaft und Infrastruktur zu entwickeln.

Die gesamte Republik und ihre Hauptstadt entwickeln sich rasant. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass sowohl die Krim als auch ganz Russland stolz auf die Krimbrücke, die Tauris-Autobahn und das neue Terminal vom Flughafen Simferopol sind.

Wie wirkt sich der Boykott der EU gegenüber der Krim praktisch und konkret auf das Leben in Ihrer Stadt und der Menschen aus? Bemerken Sie etwas davon?

Viktor Agejew: Die ausländischen Sanktionen gegen Russland und gezielten Beschränkungen gegen die Krim haben das Programm der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer Region und der Stadt geringfügig beeinflusst, aber, was das Wichtigste ist, sie haben die guten Beziehungen zwischen den Bewohnern unserer Städte - Simferopol und Heidelberg - nicht beeinträchtigt, die durch fast 30 Jahre Freundschaft verbunden sind. Es ist wichtig, dass wir unsere Kommunikation über den Rahmen des offiziellen Kooperationsabkommens hinaus längst auf die Ebene der "Volksdiplomatie" bringen konnten.

Ihre Städtepartnerschaft mit Heidelberg in Deutschland kann wegen des Boykotts ja auch nur sehr reduziert, wenn überhaupt, stattfinden. Haben Sie persönlichen oder schriftlichen Kontakt zum Oberbürgermeister oder zu sonstigen Personen der Verwaltung dort?

Viktor Agejew: Wenn immer möglich, zum Beispiel bei der Annahme oder Übermittlung von Glückwünschen zum Jahrestag der Unterzeichnung des Kooperationsabkommens zwischen Simferopol und Heidelberg, übermittle ich, im Namen aller Simferopol-Bewohner, den Bewohnern von Heidelberg und persönlich dem Heidelberger Bürgermeister Dr. Eckart Würzner meine aufrichtigen Wohlstands- und Glückwünsche.

Darüber hinaus freuen wir uns, Gäste aus unserer Partnerstadt jederzeit begrüßen zu können. So besuchten im vergangenen Sommer das Ehepaar aus Heidelberg Ulrich Poblotzki und Yvonne Bauer-Poblotzki sowie der Geschichtslehrer, Journalist und Mitglied des "Freundeskreises Heidelberg-Simferopol" Detlef Zeiler die Krim mit einer Touristen- und Forschungsreise. Sie kamen gerne nach Simferopol, um uns zu treffen, und nahmen dann an Veranstaltungen anlässlich des Stadtfestes teil.

Trotz der Sanktionen funktionieren die Kooperationsprogramme mit Heidelberg weiter. Im Rahmen der Unterstützung des akademischen Nachwuchses und des internationalen Austausches findet in Heidelberg jährlich die Internationale Wissenschafliche Sommerschule - eines der wichtigsten Projekte im Rahmen der Zusammenarbeit Heidelbergs mit seinen Partnerstädten - statt. Die Oberschüler von Simferopol haben seit 1995 und bis heute die Möglichkeit, ihre Kenntnisse in Naturwissenschaften und Fremdsprachen in diesem Ferienlager zu vertiefen und Freunde aus verschiedenen Ländern zu finden. Leider ist seit 2014 der Austausch von Schülern sowie die Teilnahme unserer Schüler an internationalen Projekten schwieriger geworden. Aber auch trotz der entstandenen komplizierten Situation versucht die Stadtverwaltung, gemeinsam mit Eltern von Schülern, die sich besonders im Lernen bewährt haben, einen Ausweg zu finden und findet diesen. So besuchten beispielsweise 2017 und 2018 zwei Schülerinnen des Simferopoler Gymnasiums Nr. 9 die Heidelberger Sommerschule.

Wann hatten Sie den letzten "offiziellen" Besuch aus Heidelberg?

Viktor Agejew: Das letzte Mal besuchte eine offizielle Delegation aus Heidelberg die Krimer Hauptstadt im Jahre 2012 anlässlich der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum der Aufnahme von Partnerschaftsbeziehungen zwischen unseren Städten.

Haben Sie Kontakt zu den jeweiligen dortigen Partnerschaftsvereinen, z. B. dem Heidelberg- Haus? Wie ist Ihre Erfahrung mit dem gegenwärtigen Stand der Beziehungen zu diesen Vereinen und wie beurteilen Sie diese Zusammenarbeit?

Viktor Agejew: Auf dem Territorium von Simferopol führt eine aktive Tätigkeit unsere lokale öffentliche Organisation "Haus der Freundschaft der Partnerstädte "Simferopol-Heidelberg" (das Heidelberg-Zentrum), die seit vielen Jahren von der ständigen Vorsitzenden der Gesellschaft "Freundeskreis: Simferopol-Heidelberg", unserer Freundin und Gleichgesinnten aus der Partnerstadt, Magdalena Melter, unterstützt wird.

Ich möchte erwähnen, dass das Heidelberg-Zentrum im Laufe der Jahre der Freundschaft nicht nur zu einem Zentrum der deutschen Sprache und Kultur in der Hauptstadt der Krim wurde, sondern auch zu einem Ort großer sozialer Arbeit mit Behinderten, ehemaligen Opfern des Nationalsozialismus, Diabetikern und einsamen älteren Menschen. Im Zentrum wird rechtliche und medizinische Hilfe geleistet. Auch die jüngere Generation wird im "Haus der Freundschaft" nicht vergessen: Kinder lernen Deutsch und junge Menschen werden in die Aktivitäten des Zentrums einbezogen. Simferopol seinerseits begrüßt alle Initiativen, die sowohl von Magdalena Melter als auch von der Vorsitzenden des Hauses der Freundschaft der Partnerstädte, Violetta Tischina, ausgehen.

Wie sollte sich die Partnerschaft in der Zukunft wieder entwickeln?

Viktor Agejew: Die Simferopoler schätzen die kontinuierlichen Kontakte mit Heidelberg über den "Freundeskreis" unserer Städte und das "Haus der Freundschaft der Partnerstädte Simferopol-Heidelberg" sehr. Ich bin sicher, dass die entstandenen Beschränkungen kein Hindernis für eine enge Zusammenarbeit zwischen unseren Städten sondern im Gegenteil ein Anreiz sein werden, langfristige Freundschaft und gegenseitigen Respekt zu stärken.

Alle Interviews wurden schriftlich geführt. Die Antworten auf jeweils identische Fragen wurden von meinem sehr zuverlässigen Dolmetscher vor Ort gegen Honorar ins Deutsche übersetzt. Da mehrere Befragte Hinweise auf "illegale Aktivitäten" bezüglich des Reiseverkehrs enthielten, habe ich mich auf zwei davon konzentriert.

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