Kriminalität und Waffen beherrschen die Schlagzeilen Griechenlands zum Jahresausklang
Nach dem Beschuss der deutschen Botschaft werden weitere Anschläge befürchtet. Die griechische Justiz scheint nun härter gegen Korruption vorzugehen
Das größte internationale Aufsehen erregte der Anschlag auf das Domizil des deutschen Botschafters in Griechenland, Wolfgang Dold. Gegen halb vier in der Nacht zum Montag hatten vier maskierte Täter vor dem Anwesen des Diplomaten im Athener Vorort Chalandri gestoppt und das Wohngebäude unter Dauerfeuer genommen.
Deutsche Botschafter leben teilweise gefährlich Die rasch reagierenden Ermittlungsbehörden identifizierten als Tatwaffe Sturmgewehr(e) vom Typ AK 4. Noch ist unklar, ob zwei Waffen eingesetzt oder zwei Magazine komplett leer geschossen wurden. Polizeikreise reden von zwei Waffen, der einzige Augenzeuge der Tat, ein Passant, will nur eine Waffe gesehen haben. Der Wachtposten der Botschaft hatte sich beim Angriff in seinem schusssicheren Kabuff auf den Boden geworfen und kann daher keine weitere Aussage machen. Die Attentäter sahen, wie der Augenzeuge bestätigt, davon ab, den Wachtposten unter Feuer zu nehmen. Sie konzentrierten sich allein auf das Botschaftergebäude.
Obwohl fünf Geschosse in das Schlafzimmer der Tochter des Botschafters eingedrungen waren, gab es keine Verletzte zu beklagen. Die Waffen wurden als "sauber" eingestuft, was bedeutet, dass sie den ersten ballistischen Untersuchungen gemäß bislang noch nicht in Erscheinung getreten waren.
Es ist nicht das erste Mal, dass auf das Gebäude ein Anschlag verübt wurde. Zuletzt hatte es 1999 die damals noch aktive Terrororganisation 17. November mit einer Panzerfaust versucht. Aus diesem Grund vermuten die Ermittlungsbehörden diesmal erneut linke Terroristen als Täter. Beim Anschlag 1999 wurde den Ermittlungsbehörden gemäß der Topterrorist Savvas Xiros verletzt. Jener Xiros, dessen missglücktes Bombenattentat 2002 zur Festnahme der gesamten Führungsspitze des 17. Novembers geführt hatte. Xiros war seinerzeit mit schweren Augen- und Kopfverletzungen, multiplen weiteren Frakturen sowie inneren Blutungen noch vor einer Operation stundenlang verhört worden.
Die Praxis der Polizeibehörden, dem schwer Verletzten erst nach der gewünschten Aussage medizinische Hilfe zukommen zu lassen, gilt vor allem in linken Kreisen des Landes als Folter. Xiros musste für jede Behandlung einer Verletzung erst einmal Namen seiner Mitstreiter liefern. Zudem versuchte er, seine Lebensgefährtin aus der gesamten Terrorgeschichte heraus zu halten.
Konservative Griechen sowie die zu jener Zeit regierende PASOK sehen in dem Vorgehen das einzige Mittel, welches die Terrororganisation letztendlich zerschlagen hat. Aktuell bemühen sich Menschenrechtsorganisation, linke Parteien und Gruppen sowie Sympathisanten um eine vorzeitige Freilassung des immer noch einsitzenden Terroristen. Aus Ärztekreisen wurde gegenüber Telepolis bestätigt, dass der Terrorist fast blind und nahezu vollkommen taub ist. Zudem belasten ihn ein durch die Explosion verursachtes Lungenleiden sowie angeblich auch multiple Sklerose. Seinen gelernten Beruf, Ikonenmaler, wird er nie wieder ausüben können. Xiros werden in der Haft zahlreiche Gesundheitsbehandlungen verwehrt oder extrem eingeschränkt.
Unter diesem Blickwinkel, der dem aktuellen Ermittlungsstand entspricht, ist der Anschlag auf den Deutschen Botschafter nicht hauptsächlich gegen Deutschland als dem vorgeblichen Hauptverantwortlichen der Schuldenmisere gerichtet. Vielmehr fürchten die Terrorfahnder ebenso wie zu Zeiten des 17. Novembers weitere Anschläge auf Botschaften und multinationale Konzerne.
Verständlich, dass Premierminister Antonis Samaras auch angesichts der nahenden EU-Präsidentschaft Griechenlands (Die billigste EU-Ratspräsidentschaft) etwas aufgeregt wirkt. Er widmete einen großen Teil seiner Neujahrsansprache der Kommentierung und Verurteilung des Attentats. Der greise Manolis Glezos vom SYRIZA besuchte noch am Nachmittag den deutschen Botschafter. Glezos ist einer der schärften Verfechter für die Rückzahlung eines seitens der deutschen Besatzer im zweiten Weltkrieg erhobenen Zwangskredits sowie der immer noch ausstehenden Reparationszahlungen. Der ehemalige Widerstandkämpfer wollte mit dieser Geste eine Demonstration gegen nationale Hassgefühle liefern. Berichten zufolge wurde die von Botschafter Dold entsprechend gewürdigt.
Waffenkauf gibt es nur gegen Schmiergeld
Kalaschnikows und weiteres Kriegsgerät gibt es in der Balkanregion massenweise. Die Terroristen bedienen sich aus dem Nachlass der ehemaligen jugoslawischen Armee und aus Ware, die über Albanien ins Land gelangt. Schätzungsweise kursieren 600.000 Exemplare des durchschlagkräftigen Sturmgewehrs in griechischen Haushalten. Bereits bei kriminellen Handlungen benutzte Waffen sind im Sonderangebot für 200 Euro zu haben. Saubere Waffen werden ab 1000 Euro feil geboten.
Für ein Vielfaches dieser Preise hatte sich der Staat Griechenland sein Waffenarsenal eingekauft. 2002 wurden Milliardensummen für den Einkauf gebrauchter Leopard-2-Panzer in Rechnung gestellt. In den Achtzigern hatte der damalige Premier Andreas Papandreou, mit dem "Einkauf des Jahrhunderts", einen neuen Slogan geschaffen. Mit einem Schlag wurde 1985 die gesamte Luftflotte der Griechen erneuert. Unter Premierminister Costas Simitis kaufte Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos zur Zeit der Euroeinführung russische und deutsche Waffenfirmen leer. Schließlich kopierte er das Rezept Papandreous und initiierte noch im 20. Jahrhundert einen neuen "Einkauf des Jahrhunderts". Immer lagen die Kaufpreise um ein Vielfaches höher als die bekannten Listenpreise. Mit Verweisen auf die etwas geänderte Ausstattung des Kriegsgeräts erklärten die jeweiligen Minister ihrem Abgeordneten die Abweichung. Klaglos und durch Parteidisziplin gebunden nahmen diese das hin und stimmten zu.
Es war jahrzehntelang in Griechenland ein offenes Geheimnis, dass bei jedem staatlichen Einkauf irgendwo Schmiergeld floss. Das Problem war, dass es fast nie konkret bewiesen werden konnte. Simitis wehrte sich gegen Korruptionsvorwürfe im Parlament immer gern mit dem Hinweis, "wenn Sie Beweise haben, dann gehen Sie doch zum Staatsanwalt". Der Premier verschwieg dabei, dass das Parlament selbst für die Minister die Rolle der Staatsanwaltschaft übernommen hat.
Ein vom aktuellen PASOK-Chef initiiertes und in der Verfassung verankertes Gesetz sieht vor, dass Minister vor einer staatsanwaltschaftlichen Untersuchung und somit vor einem Gerichtsverfahren erst einmal durch einen der Strafverfolgung dienenden Untersuchungsausschuss überführt und danach vom Plenum an die Gerichtsbehörden verwiesen werden müssen. Vorher ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss fällig, der erst einmal feststellen muss, dass eine Straftat vorliegt. Das alles muss innerhalb von zwei Sitzungsperioden des Parlaments über die Bühne gehen. Denn ansonsten gilt die Tat für den Minister als "gegenstandslos".
Von dieser teuflischen, formal der Strafverfolgung, faktisch jedoch der Amnestie dienenden Konstruktion profitierte nicht zuletzt der verurteilte Akis Tsochatzopoulos. Trotz überführter Korruption und Schädigung der öffentlichen Kasse wurde der "schöne Akis" nicht wegen seiner ursprünglichen Verbrechen, sondern schlicht aufgrund von Geldwäsche verurteilt. Tsochatzopoulos hatte seinen Reichtum nämlich überaus offen gezeigt und damit angegeben. Er fühlte sich sicher, zumal Venizelos selbst bei einem Untersuchungsausschuss Anfang des Jahrtausends die Verteidigung übernahm. Der gewichtige Venizelos stritt seinerzeit ab, dass die bei Tsochatzopoulos gefundenen Nummernlisten schweizerische Konten samt Codes waren. "Das sind Telefonnummern, die habe ich selbst angerufen und mit den Leuten an der anderen Leitung gesprochen", erklärte er im Mai 2005 im Parlament. Noch im April 2012 warf ihm der damalige Sprecher der Nea Dimokratia, Giannis Michelakis dies vor. Der gleiche Michelakis hatte dies offenbar vergessen, als er am 18.12.2013 gegen die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu Venizelos U-Boot-Geschäften stimmte. Klar, denn nun ist Venizelos Regierungspartner des einstigen Erzfeinds.
Ein Bruch der Omerta?
Dieses Spiel hätte endlos weitergehen können, wenn ein ebenfalls intensiv geschmierter mittlerer Ministerialbeamter nicht so knauserig gewesen wäre. Anders als der protzige Tsochatzopoulos hatte Antonis Kantas seine Gelder auf Auslandskonten gebunkert und kaum angerührt. Die gut versteckten Konten fielen erst durch die scharfe Steuerfahndung auf. Auf einem seiner entdeckten Sparbücher hatte Kantas knapp 15 Millionen Euro, die sich mit seinem mickrigen Gehalt unmöglich erklären ließen. Ohne den Schutz einer Amnestie würde eine solche Millionensumme, wenn sie als Unterschlagung zu Lasten der öffentlichen Hand gewertet wird, zu einer lebenslangen Haftstrafe führen.
Aus bislang nicht bekannten Gründen wollte der Pensionär Kantas dies verhindern und wählte den einzigen Ausweg. Kantas überwies seine versteckten Gelder an den Staat und legt seit den Weihnachtstagen ein offenbar lückenloses Geständnis ab.
Kaum überrascht erfahren die Griechen, dass es für die Zustimmung zum Leopard-2-Deal allein für Kantas 250.000 Euro gab. Die Gelder wurden ihm bar ins von Wachposten und Gepäckscannern geschützte Verteidigungsministerium gebracht. Was, fragt sich der viel zitierte Mann auf der Straße, haben Kantas Chefs kassiert, wenn es für einen einfachen Abteilungsleiter Millionensummen gibt?
Auch hier hat Kantas Erklärungen parat. Er berichtet von parteiübergreifenden Koalitionen beim Rüstungskauf. Offenbar waren an jedem Kauf sowohl die jeweilige Regierungspartei als auch die Opposition beteiligt. Bekanntlich herrschten seit 1974 bis zum Ausbruch der Krise in Griechenland die Nea Dimokratia und die PASOK im Wechsel. Seit November 2011 sind die in der Wählergunst stark abgesunkenen Parteien Koalitionspartner.
Übernimmt die Justiz endlich ihre Rolle als Staatsgewalt?
Kantas Aussagen führten bereits zur Aufnahme von Strafverfahren und zu einer Festnahme. Seit Montag sitzt der Vertreter von Krauss Maffei Wegmann, Dimitris Papachristos, in Untersuchungshaft. Er wurde öffentlichkeitswirksam auf offener Straße beim Verlassen seiner Wohnung festgenommen. Inwieweit sich die Strafverfolger auch an hohe Politiker wagen, muss sich in der näheren Zukunft zeigen. Ab Donnerstag gibt es weitere Vorladungen von Beschuldigten.
Offenbar wird nicht mehr alles unter den Tisch gekehrt. Zumindest gab es für einen Spross der Politerclans heute eine heftige Ohrfeige. Zusätzlich zu saftigen Geldstrafen erhielt der Lieblingsneffe des Nea Dimokratia Gründers Konstantinos Karamanlis, Michalis Liapis, vier Jahre Haft. Liapis darf seine Haftzeit für fünfzig Euro pro Tag frei kaufen.
Der ehemalige Verkehrsminister war kurz vor Weihnachten mit gefälschten Nummernschildern durch den Athener Vorort Rafina geflitzt. Sein dicker Jeep war offiziell abgemeldet. Liapis begründete dies mit Geldnot. Er habe die Kraftfahrzeugsteuern, die Versicherung und die mit dem Fahrzeugbesitz verbundenen Einkommenssteuern sparen wollen, sagte er und verschwand für einige Tage auf Luxusurlaub in Richtung Südostasien. Zurück in Athen blaffte er die wartenden Journalisten an, dass diese ihm mit Fragen den dringend benötigten Erholungsurlaub vermiest hätte. Vor Gericht erschien er nicht. Vielmehr ließ sich der nach eigenen Angaben gestresste und verarmte Rentner von seinen Anwälten vertreten. Der Staatsanwalt konnte diesen Attitüden keinerlei Sympathie entgegen bringen. Er forderte die von Liapis als Verkehrsminister selbst bestimmte Höchststrafe.
Der Minister selbst kann den finanziellen Verlust sicher verschmerzen. Ziemlich schmerzhaft wird es für die Nea Dimokratia jedoch mit einem weiteren weihnachtlichen Skandal. Der von der Partei eingesetzte Verwaltungschef und lebenslange Aufsichtsratchef des Kinderkrankenhauses Aglaia Kyriakou, Charis Tompouloglou, hatte sich mit Schmiergeld erwischen lassen. Tompouloglou war in Athen eine Art Faktotum für die Partei. In der Vergangenheit sammelte er Wahlkampfgelder für Michalis Liapis, mit dem amtierenden Gesundheitsminister Adonis Georgiadis ging er Essen.
Irgendwie wollte er ebenfalls wie die großen Politiker an Geld kommen. Dafür ersann er einen Trick. Um eine Zulieferfirma des Krankenhauses nicht als "unseriös" zu erklären, musste Geld fließen. Mit 25.000 Euro sollte ihm eine Werbefirma dies bezahlen. Die Werber informierten die Polizei und Tompouloglou flog auf. Eine negative Seriositätseinstufung schließt eine Firma für mehrere Jahre von öffentlichen Ausschreibungen aus. Nun sind sämtliche von Tompouloglou unterschriebenen Verträge unter Generalverdacht. Tompouloglou und Liapis sind per Eilbeschluss nicht mehr Mitglieder der Regierungspartei.
Plötzlich werden immer mehr Ungereimtheiten bekannt. Sollte sich dieser Trend im neuen Jahr fortsetzen, dann könnte es mit Griechenland wirklich einmal etwas aufwärts gehen.