Kritiker des Marxismus erklären diesen für unwissenschaftlich

Fussnoten

1

"Dass aber ein solches Festhalten an einer mit meiner konkreten Wirklichkeit unvereinbaren besonderen Vorstellung in mir entstehen kann, davon liegt der Grund darin, dass ich zunächst ganz abstraktes, vollkommen unbestimmtes, daher allem beliebigen Inhalte offenstehendes Ich bin. Insofern ich dies bin, kann ich mir die leersten Vorstellungen machen, mich z.B. für einen Hund halten (dass Menschen in Hunde verwandelt worden sind, kommt ja in Märchen vor) oder mir einbilden, dass ich zu fliegen vermöge, weil Platz genug dazu vorhanden ist und weil andere lebende Wesen zu fliegen imstande sind. […] Nur der Mensch gelangt dazu, sich in jener vollkommenen Abstraktion des Ich zu erfassen. Dadurch hat er sozusagen das Vorrecht der Narrheit und des Wahnsinns." (Hegel)

2

"Es ist in der Wissenschaft - gewisse Bereiche der theoretischen Physik oder der Theologie [!!! Auch der höheren Mathematik, nämlich überall dort, wo sie bewusst willkürlich Axiome "setzt", um ihr Wirkungsspektrum zu analysieren. AdA] vielleicht einmal ausgenommen - üblich, dass sie von gewissen Erscheinungen ausgeht, die sich in der Wirklichkeit beobachten lassen und sich dann die Frage stellt: Wie sind die Bestimmungen der Sache? Was sind notwendige, was sind zufällige Bestimmungen an ihr? Welche Konsequenzen ergeben sich aus ihren Bestimmungen? Marx spart sich den Beweis, dass es im Kapitalismus Waren gibt, weil das eben niemand bestreiten würde. Er schaut in die Schaufenster und auf die Märkte und sieht lauter Gegenstände oder Dienstleistungen, die ein Preisschild haben, also offenkundig zum Zwecke des Tausches - gegen andere Ware oder Geld - angeboten werden. Er sieht auch, dass die Warenproduktion kein vereinzeltes Phänomen im Kapitalismus ist, sondern sich die Reproduktion der Gesellschaft maßgeblich auf diese Weise vollzieht. Test: Einfach mal alle Waren wegdenken und nur die Produkte von Hausarbeit und Hobby stehen lassen, da wäre die Gesellschaft nicht mehr gut überlebensfähig. Also hat er den Gegenstand der Untersuchung, die Ware, vor sich. Soweit gehst du doch hoffentlich noch mit." (Forist "BriefeanKugelmann")

3

"Der bis zur Vorrede, die ihn abweist, gelangte Leser hat das Buch für bares Geld gekauft und fragt, was ihn schadlos hält? - Meine letzte Zuflucht ist jetzt, ihn zu erinnern, dass er ein Buch, auch ohne es gerade zu lesen, doch auf mancherlei Art zu benutzen weiß. Es kann, so gut wie viele andere, eine Lücke seiner Bibliothek ausfüllen, wo es sich, sauber gebunden, gewiss gut ausnehmen wird. Oder auch er kann es seiner gelehrten Freundin auf die Toilette, oder den Teetisch legen. Oder endlich er kann ja, was gewiss das Beste von Allem ist und ich besonders rate, es rezensieren." (Arthur Schopenhauer)

4

"Das Benennen von Fehlern ist gut und wichtig, nur wenn ich keine Alternative habe, dann bringt das nichts. Dass die [Newtonsche] Gravitationstheorie nicht richtig sein kann, wusste man schon lange vor Einstein. Nur diese Theorie aufgeben und zu dem zurückkehren was noch falscher ist, ist keine Alternative." (Forist "oxybenzol")

Dann ist Marx sogar in einer günstigeren Position als Newton. Er befindet sich immer noch in dem Status, dass man die Fehlerhaftigkeit seiner Theorie erst noch nachweisen muss. Die bisher prominent bekannt gewordenen Einwände geben dies jedenfalls nicht her, sondern wurden vielfach als unzulänglich zurückgewiesen.

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"It is wrong always, everywhere, and for anyone, to believe anything upon insufficient evidence." (William Kingdon Clifford, 1845-1879, Mathematiker und Philosoph)

6

"Die Möglichkeit quantitativer Inkongruenz [= Nichtübereinstimmung. AdA] zwischen Preis und Wertgröße, oder der Abweichung des Preises von der Wertgröße, liegt also in der Preisform selbst. Es ist dies kein Mangel dieser Form, sondern macht sie umgekehrt zur adäquaten [= angemessenen. AdA] Form einer Produktionsweise [ … nämlich der kapitalistischen. AdA], worin sich die Regel nur als blind wirkendes Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann." (Marx, Das Kapital, Band 1, Kapitel 3)

7

"Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können, ist nie die Wirklichkeit an sich, sondern […] eine von uns gestaltete Wirklichkeit." (Werner Heisenberg)

Das stimmt schon, aber die Konstruktion ist kein Selbstzweck, sondern es geht schon auch noch darum, die bestmögliche Konstruktion zu besorgen. Eine gedankliche Konstruktion als Modell der Wirklichkeit bloß damit zu kritisieren, dass sie eine ist, soweit würde auch Heisenberg vermutlich nicht gehen. Es stünde jedenfalls im eklatanten Widerspruch zu seiner Tätigkeit als Forscher. Die besteht ja gerade darin, immer bessere Konstruktionen zu finden.

8

An dieser Stelle möchte ich drauf hinweisen, dass es an einer Stelle wohl zu ein paar Missverständnissen zwischen den Foristen "jsjs" und "Rimaan" gekommen ist. Beide reden zwischendurch von mathematischen "Mengen", meinen damit sehr verschiedene Dinge. "jsjs" hat wohl eher die alltagssprachliche Bedeutung im Sinn und so etwas wie "Anzahl", denn im Kontext der mathematischen Charakterisierung natürlicher Zahlen - ja so weit hat sich die Debatte zwischendurch vom Ausgangspunkt entfernt - schreibt er folgendes:

"Oder anders gesagt, die Menge besteht aus einer Anzahl Einsen. Die 1 ist das Element, die Zahl 1 ist ihr Ausdruck und steht für das einzelne Element. Man kann eine Menge vergrößern oder verkleinern, indem man ihr inkrementell Elemente hinzufügt/wegnimmt. Der Nachfolger ist die um ein Element vergrößerte Menge. Das sind keine Axiome." (Forist "jsjs")

"Mengen" sind für ihn wohl so etwas wie Strichlisten aus lauter Einsen: "1111111" bedeutet dann z.B. die Zahl 7. Den "Nachfolger" von 7, die 8, bekommt man durch Hinzufügung einer weiteren Zahl zur Strichliste. "Rimaan" hingegen hat den fachsprachlichen Begriff im Sinn, wenn er von "Mengen" spricht. Ich will gar nicht drauf eingehen, was das ist, jedenfalls ist es etwas völlig anderes und bildet die Grundlage der sogenannten "Mengentheorie", die ihrerseits als die Fundierungstheorie der gesamten Mathematik betrachtet wird. Will sagen: Egal, mit welchem noch so verschiedenen Zweig der Mathematik man es zu tun hat - Geometrie, Zahlentheorie, Graphentheorie, Stochastik, Topologie, Algebra, Analysis, mathematische Logik, theoretisches Origami, usw. -, letztlich lassen sie sich alle trotz ihrer inhaltlichen Fremdheit in der Sprache der Mengentheorie ausdrücken und somit auf ein gemeinsames Fundament stellen. Und weil das so ist, kommt es halt sehr drauf auf, dass die Mengentheorie ihrerseits konsistent ist und nicht lauter Paradoxa ausspuckt. Es kommt auf eine technisch sehr präzise Definition der "Menge" an. Das wollte ich nur anmerken, damit man sich nicht aus falschen Gründen in die Wolle kriegt. Mehr soll dazu meinerseits nicht gesagt werden.

9

Ein Beispiel aus der Oberstufenmathematik, wer sich noch an seine Schulzeit erinnert: Um die Tangente an einen Graphen in einem vorgegebenen Punkt des Graphen rechnerisch zu konstruieren, muss man als Hilfstechnik "ableiten", also aus der Funktion f(x) die Funktion f‘(x) bilden. Solche Tangenten sind nützlich, weil sie z.B. Änderungsraten von Größen beschreiben, aber auch für andere Zwecke. Um dies zu tun, gibt es sogenannte "Ableitungsregeln" (Potenzregel, Produktregel, usw.). Aber woher kommen diese Regeln? Dazu bildet man einen Quotienten aus den Differenzen f(x)-f(z) [im Nenner] und x-z [im Zähler], setzt die jeweiligen Funktionen in den Term ein, formt um und kürzt, wo es passt, und lässt am Ende die Stelle z gegen die Stelle x wandern (schreib: z→x). Bereits dieser unscheinbare Näherungsprozess beinhaltet den Begriff der Unendlichkeit. Denn wie nähert sich ein mathematischer Punkt an einen anderen? Z.B. indem die Distanz zwischen z und x immer weiter halbiert wird. Nach endlich vielen Halbierungen der Distanz bleibt immer eine Lücke, die wieder halbiert werden kann und bloß zu einer neuen, eben halb so großen Lücke, führt, die aber jedenfalls nie verschwindet. Der erwünschte Grenzfall, in welchem z=x wird, d.h. keine Lücke zwischen x und z mehr existiert, ist nur dadurch zu erreichen, dass man diese Prozedur tatsächlich unendlich oft wiederholt. Will sagen: Um etwas Endliches zu bekommen, nämlich die Tangente, deren Lage durch endliche Zahlenwerte beschrieben werden kann (z.B. durch die Angabe der Koordinaten zweier Punkte, durch welche diese spezielle Gerade verläuft), muss man versteckte unendliche Prozeduren vor-, bzw. deren grundsätzliche Ausführbarkeit annehmen. Gedanklich geht das. Es gibt eine Minderheit an Mathematikern, denen dies aufstößt, die sogenannten: Konstruktivisten (nicht mit den philosophischen Konstruktivisten zu verwechseln). Die unterscheiden sich wiederum nach ihrer Strenge: Intuitionisten, Finitisten, Ultra-Finitisten, und vielleicht noch andere. Das sind Denkschulen nicht im Sinne eines Pluralismus wie man ihn aus den Geisteswissenschaften kennt, denn es ist unsinnig zu sagen: Aber die Unendlichkeit gibt es nicht! Einfach aus Gusto und Interesse einen anderen Standpunkt einnehmen. Im Grunde gibt es nämlich überhaupt kein mathematisches Objekt, warum also ausgerechnet an dieser Stelle Einwände erheben? Es geht eher darum, die verschiedenen Systeme auszuloten und gegeneinander abzuwägen. Neue Ansätze führen so zu neuen Einsichten, oder auch nicht.

10

"There is a mistake into which several have fallen, and have deceived others, and perhaps themselves, by clothing some false reasoning in what they called a mathematical dress, imagining that by the application of mathematical symbols to their subject, they secured mathematical argument." (Augustus de Morgan, 1806-1871, Mathematiker und Logiker, Miterfinder der symbolischen Logik, z.B. Formalisierung der schon vorher bekannten De-Morgan-Regeln)

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Ein einfaches Beispiel für Mathematik als Täuschungsmittel in der medialen Verdolmetschung der Resultate von Klassenkämpfen:

"Wenn ein Mann erst 2 Schilling Wochenlohn erhält und sein Lohn dann auf 4 Schilling steigt, so ist die Lohnrate um 100% gestiegen. Als Steigerung der Lohnrate ausgedrückt scheint dies eine großartige Sache, obgleich der faktische Lohnbetrag, 4 Schilling die Woche, noch immer ein miserabel niedriger, ein Hungerlohn wäre. Ihr müsst euch daher von den groß klingenden Prozentzahlen der Rate des Arbeitslohns nicht beirren lassen. Ihr müsst immer fragen: Was war der ursprüngliche Betrag? Ferner werdet ihr verstehen, dass, wenn 10 Mann je 2 Schilling die Woche, 5 Mann je 5 Schilling und 5 Mann je 11 Schilling wöchentlich erhielten, die 20 Mann zusammen 100 Schilling [!!! Denn: 10x2+5x5+5x11=100. AdA] oder 5 Pfund Sterling [!!! Denn: 20 Schilling = 1 Pfund Sterling. AdA] wöchentlich erhalten würden. Wenn nun eine sage zwanzigprozentige Steigerung der Gesamtsumme ihres Wochenlohns stattfände, so gäbe das eine Zunahme von 5 auf 6 Pfund Sterling [= 120 Schilling. AdA]. Zögen wir den Durchschnitt, so könnten wir sagen, dass die allgemeine Lohnrate um 20% gestiegen wäre, obgleich in Wirklichkeit der Arbeitslohn der 10 Mann unverändert geblieben, der der einen Gruppe von 5 Mann nur von 5 auf 6 Schilling per Mann und der der anderen von 5 Mann von insgesamt 55 auf 70 Schilling [!!! D.h. 14 Schilling pro Person. AdA] gestiegen wäre [!!! Probe: 10x2+5x6+5x14=120 AdA]. Eine Hälfte der Leute hätte ihre Lage überhaupt nicht verbessert, 1/4 [= 5 Personen. AdA] in kaum merklichem Grade [!!! Nur um 1 Schilling. AdA], und nur 1/4 hätte sie wirklich verbessert. Indes, im Durchschnitt gerechnet, hätte der Gesamtlohnbetrag jener 20 Mann um 20% zugenommen, und soweit das Gesamtkapital in Betracht kommt, das sie beschäftigt, und die Preise der Waren, die sie produzieren, würde es genau dasselbe sein, als hätten sie alle gleichmäßig an der durchschnittlichen Lohnsteigerung teilgenommen." (Karl Marx)

"Zahlen sind unbezahlbar: wenn korrekt, dann helfen sie beim eigenen Verständnis, und sie sind noch wichtiger um den Verstand anderer zu täuschen. Zahlen sind die Beherrscher der Schwachen und die Sklaven der Starken." (Charles Babbage, 1791-1871, Mathematiker, Ökonom, Philosoph und Erfinder)

12

"Every man who has accepted the statement from somebody else, without himself testing and verifying it, is out of court; his word is worth nothing at all." (William Kingdon Clifford, 1845-1879, Mathematiker und Philosoph)

Beispiele, wo wir uns auf das bloße Ehrenwort von anderen verlassen müssen, finden sich in den Medien täglich. Jeder Propagandakrieg zwischen Nationen lebt von dieser Unsicherheit.

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"In my opinion, it helps enormously to know why something is true, rather than being told it is true, for why should you believe me? Never believe anything on the authority of a single person but seek confirmation - and reason is the best confirmation." (Dennis Victor Lindley, 1923-2013, Statistiker und Entscheidungstheoretiker)

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"Every man is fully satisfied that there is such a thing as truth, or he would not ask any question." (Charles Sanders Peirce, 1839-1914, Mathematiker, Logiker und Philosoph)

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"Ich empfehle die Lektüre von "Das Geld" (erschienen im März 2020) von Eske Bockelmann. Er entwickelt eine völlig neue Theorie indem er, indem er aufbauend auf seiner Grundlagenforschung (Im Takt des Geldes - zur Genese modernen Denkens) eine neue Perspektive in der ökonomischen Debatte einnimmt. Wenn man das Buch unvoreingenommen liest, ist es ein Genuss, wie stringent Eske Bockelmann seine Theorie entwickelt, die der Überprüfung durch die Realität standzuhalten scheint. Im Gegensatz zu allen anderen ökonomischen Schulen [!!! Gewagte These. AdA]." (Forist "Geldfrei")

"Ich schließe mich deiner Eingangsbemerkung an und verbinde damit auch eine Leseempfehlung: "Das Geld" von Emile Zola. Liest sich streckenweise wie ein Krimi, macht deutlich, dass Zola Marx (direkt oder indirekt) gelesen hat -allerdings nicht ganz verstanden-, zeigt, dass sich seit der Zeit vor 130-150 Jahren (Buch spielt in den 1860er, die real zugrundeliegenden Ereignisse aber 20 Jahre später) am Wesen der Sache nicht viel geändert hat. Hier ist also nicht das Neue sensationell, sondern die Tatsache, dass es das Alte immer noch gibt." (Forist "schlamuntzelnase")

Na gut, dann empfehle ich eben "Das Geld" von Wolfgang Möhl und Theo Wentzke. In welche Richtung die Schrift geht, kann man sich angesichts meiner Artikelserie wohl leicht denken.

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