Kubas Kampf gegen die Dunkelheit: Stromnetz erneut kollabiert

Eine dunkle Straße, die von einigen Fahrzeugen beleuchtet wird

Stromausfall im kubanischen Trinidad im Januar dieses Jahres

(Bild: Rosen Ivanov Iliev/Shutterstock.com )

Kubas Energienetz am Sonntag erneut kollabiert, während Hurrikan Oscar naht. Regierung macht US-Sanktionen für Krise verantwortlich. Wann gehen die Lichter wieder an?

Nach einem landesweiten Zusammenbruch des Stromnetzes am vergangenen Freitag, dauern die Arbeiten zur Wiederherstellung der Stromversorgung in Kuba weiter an. Nachdem es bis Sonntag gelungen war, Teile des Netzes wieder zu verbinden, folgte am gestrigen Nachmittag die nächste Hiobsbotschaft: Das Netz kollabierte erneut.

Es war bereits der vierte Zusammenbruch seit Freitag. Jetzt droht mit Hurrikan Oscar neue Gefahr inmitten des andauernden Blackouts.

Kuba im Ausnahmezustand

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel wandte sich am Sonntag gegen 21 Uhr an seine Landsleute: "Das Land befindet sich in einer Ausnahmesituation", sagte er. Diese werde von zwei komplexen Ereignissen geprägt: dem andauernden Energienotstand und der Ankunft von Hurrican Oscar, der wenige Stunden zuvor in der Nähe der ostkubanischen Stadt Baracoa an Land gegangen ist und jetzt weiter in Richtung Guantánamo zieht.

Im Osten der Insel werden heute Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern und heftige Niederschlage erwartet, während die Insel weiterhin fast vollständig ohne Strom ist.

Das öffentliche Leben kam in Folge des Stromausfall zum Stillstand. Lediglich Krankenhäuser, Flughäfen, Hotels und kritische Infrastruktur wie Mobilfunkmasten können über lokale Dieselgeneratoren weiter betrieben werden. Auch einige private Bars und Restaurants verfügen über Generatoren. In Havanna wurden durch spontane Initiativen an mehreren Orten Handyladestationen für Anwohner eingerichtet.

Nach mehr als 60 Stunden ohne Strom ist die Stimmung allerdings zum Zerreißen gespannt. Auftauende Kühlschränke lassen die mühsam zusammengekauften Lebensmittel bei den tropischen Temperaturen in kurzer Zeit schlecht werden, die Wasser- und Kochgasversorgung ist unterbrochen und auch das Mobilfunknetz funktioniert längst nicht überall.

Viele Kubaner entzündeten in den vergangenen Nächten Feuer vor ihren Häusern, um verderbliche Nahrungsmittel vor dem Verfall zu retten.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von mehreren kleinen Protesten in Form von Topfschlagen (einer häufigen Protestform in Lateinamerika), die sich in den vergangenen Tagen und Nächten in Havanna ereignet haben. Vorherrschend ist jedoch die gegenseitige Unterstützung und nachbarschaftliche Solidarität, die Kuba traditionell im Krisenfall prägen.

Wiederherstellung nach erneutem Zusammenbruch

Die Wiederherstellungsarbeiten laufen indes auf Hochtouren. Mehr als 52.000 Arbeiter sind seit Freitag gemeinsam mit den besten Energieexperten des Landes ununterbrochen im Einsatz, gab das Energieministerium bekannt.

Wie der Leiter des nationalen Dispatcherzentrums, Félix Estrada Rodríguez, erklärte, kam es am Sonntag nach dem Anschluss des Teilnetzes der westlichen Provinz Artemisa zu einer Störung in einer 110-kV-Leitung im Zentrum des Landes,die für den erneuten Ausfall am Nachmittag verantwortlich war.

Zuvor waren bereits wieder mehrere hundert Megawatt im System, mit denen einige hunderttausend Haushalte versorgt werden konnten. Dies gelang unter anderem durch das Hochfahren des Kraftwerks Antonio Guiteras, dem leistungsfähigsten des Landes, dessen Ausfall am Freitag den ursprünglichen Blackout verursachte.

Jetzt muss von vorn mit dem Aufbau kleiner regionaler Systeme, sogenannter Mikronetze, begonnen werden, die anschließend wieder zu einem Gesamtnetz verbunden werden.

"Die Provinzen werden erneut durch die Schaffung von Strominseln nach Zonen verbunden: Matanzas-Cienfuegos-Villa Clara; Ciego de Avila-Sancti Spiritus; Holguín-Granma-Santiago, anschließend werden diese Systeme zusammengeschaltet", sagte Estrada Rodríguez. Dabei gelte es, die häufig auftretenden Frequenzschwankungen möglichst zu minimieren, um erneute Ausfälle zu vermeiden. Bis zum frühen Montagmorgen konnten erste Mikrosysteme wieder aktiviert werden.

In Havanna gab es am Montagmorgen ein erstes Aufatmen: Wie der Stromversorger UNE auf seinem Telegram-Kanal bekannt gab, konnten in den frühen Morgenstunden in der Hauptstadt bereits die Hälfte der Kunden wieder versorgt werden, die verfügbare Leistung liegt bei 317 Megawatt. Unmittelbar vor dem vierten Kollaps am Sonntag betrug die Leistung in Havanna 192 Megawatt.

Die vollständige Wiederherstellung des Netzes könnte allerdings noch Tage andauern.

Zuvor war das Netz nach einer Teilwiederherstellung bereits am frühen Samstagmorgen, sowie am Samstag Abend gegen 22 Uhr 15 wieder kollabiert. Allerdings mussten die Arbeiten nicht jedes Mal wieder bei Null anfangen, da erste Kraftwerke wieder hochgefahren waren, so dass die Bildung der Teilnetze schneller vonstatten ging.

Regierung macht US-Sanktionen für Krise verantwortlich

Ursache des Blackouts war ein Ausfall des Großkraftwerks Antonio Guiteras in der westkubanischen Provinz Matanzas, der sich am Freitag gegen 11 Uhr Ortszeit ereignet hat.

Die Anlage musste aufgrund eines Lecks notabgeschaltet werden, das in Folge eines Defekts in einem der automatisierten Systeme zur Steuerung des Kessels entstanden ist. Die Probleme liegen allerdings tiefer. Wie Energieminister Vicente de la O’Levy sagte, hätte es "jedes Kraftwerk sein können, und es wäre genau das gleiche passiert".

Kuba leidet seit mehreren Jahren unter einer massiven Energiekrise, die von täglichen Stromabschaltungen und Treibstoffrationierungen geprägt ist. Zuletzt betrugen die angekündigten Stromsperren rund sechs Stunden täglich in Havanna und teilweise mehr als 12 in den übrigen Landesteilen, da unmittelbar vor dem Zusammenbruch lediglich rund die Hälfte des benötigten Stroms zu Verfügung stand.

Hinzu kommt der schlechte technische Zustand vieler Kraftwerke, die meist noch aus sowjetischer Zeit stammen und deren Wartung bzw. Sanierung aufgrund des akuten Devisenmangels in den vergangenen Jahren auf ein Minimum reduziert wurde.

Die Folgen eines schweren Brandes, der 2022 vier Treibstofftanks in der westkubanischen Stadt Matanzas zerstörte, haben die Energieinfrastruktur der Insel weiter in Mitleidenschaft gezogen.

Kuba erzeugt rund 80 Prozent des Stroms über acht thermische Schwerölkraftwerke, seit einigen Jahren sind schwimmende Generatoren des türkischen Anbieters Karpowership hinzugekommen. Der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien kommt indes nur schleppend voran, ihr Anteil lag zuletzt bei rund vier Prozent. In den kommenden zwei Jahren plant die Regierung, 92 Solarparks mit 2000 Megawatt Leistung zu errichten, mit deren Hilfe das Land einen Schritt aus der Dauerkrise machen soll.

Unmittelbarer Auslöser der jüngsten Zuspitzung war der Brennstoffmangel, durch den viele der kleineren Dieselkraftwerke als Unterstützung wegfielen. O’Levy verurteilte in diesem Zusammenhang scharf die seit mehr als 60 Jahren andauernde US-Wirtschaftsblockade. Diese sei "brutal", da sie Kuba sowohl Devisen raube, als auch die Bezahlung von Treibstoff durch Banken verunmögliche.

2021 wurde Kuba durch den damaligen US-Präsident Donald Trump erneut in die US-"Liste der Staatssponsoren des Terrorismus" aufgenommen, nachdem das Land sechs Jahre zuvor durch Barack Obama von der Liste gestrichen wurde. Damit einhergehen scharfe Finanzsanktionen und ein de facto Ausschluss aus dem internationalen Finanzsystem. Neben Kuba stehen stehen derzeit nur drei weitere Länder auf der Liste: Syrien, Iran und Nordkorea.