Kündigungsschutz ausgehebelt: Der stille Jobabbau per Aufhebungsvertrag

Arbeitnehmer geht nochmal einen Aufhebungsvertrag durch, bevor er unterschrieben wird.

(Bild: chaylek / Shutterstock.com)

Deutschlands Großkonzerne bauen massiv Personal ab. VW plant, über 35.000 Stellen zu streichen. Doch statt Kündigungen setzen Unternehmen auf eine riskante Alternative.

Continental, Bosch und SAP haben die Streichung von Arbeitsplätzen beschlossen. Auch nach Abschluss der Tarifverhandlungen bei VW wurde Personalabbau angekündigt. "Abfindung nach einer Kündigung: Wie viel Geld steht Dir zu?", gibt xing.de Tipps für Beschäftigte.

Vorstand Oliver Blume stimmt die Belegschaft auf einen langfristigen Sparkurs ein. Auf die VW-Standorte kommen gravierende Änderungen zu. Die Konzernleitung will bis 2030 mehr als 35.000 Stellen streichen und 734.000 Autos im Jahr weniger produzieren. Per Tarifvertrag sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2030 ausgeschlossen. Wie das Unternehmen Stellen abbauen will, ist noch offen.

Eine rechtliche Möglichkeit ist zunehmend in Betrieben von Bedeutung: der Aufhebungsvertrag. Dazu schreibt die Sommerfeld, Majka, Reifig Partnerschaftsgesellschaft aus Münster:

"Die Parteien können das Arbeitsverhältnis jederzeit für die Zukunft einvernehmlich beenden. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 BGB). Unerheblich ist, welchem Arbeitnehmer der Arbeitgeber die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses anbieten möchte. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht für Fälle des Aufhebungsvertrages.

Vermeintliche "Freiwilligkeit" in Drucksituationen

Ein Aufhebungsvertrag ist die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese "Freiwilligkeit" wird jedoch häufig durch Überraschungseffekte infrage gestellt. Beschäftigte berichten, dass sie zu einem Gespräch mit dem Vorgesetzten gerufen wurden und dann zwei Unternehmensvertretern gegenübersitzen.

Dieser Einzelpersonen gegenüber wird meist Druck aufgebaut, indem der alternativlose Wegfall des Arbeitsplatzes angedroht oder Krankentage als Grund für ein Ende der Weiterarbeit im Betrieb aufgeführt wird. Auch entwerfen spezialisierte Anwaltskanzleien Konzepte, um eine Unterschrift der Beschäftigten durchzusetzen. So wird mit dem Versprechen gearbeitet, dass es "Turbo-Zahlungen" oder "Sprinterprämien" gebe, wenn schnell dem Aufhebungsvertrag zugestimmt wird.

Die Vorteile für ein Unternehmen sind offensichtlich. Der Kündigungsschutz entfällt durch die Unterschrift des Beschäftigten. Es muss kein Kündigungsgrund genannt werden, die Berechtigung dazu wird nicht durch ein Arbeitsgericht überprüft. Auch Kündigungsfristen müssen nicht eingehalten werden.

Die Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss nicht nur wohlüberlegt sein. Auch beim Inhalt entscheiden oft Details. Mindestinhalt eines Aufhebungsvertrags ist das Vertragsende.

Aber auch Abfindungen oder der Zeugnisinhalt sollten Thema sein. Bestehen noch unbezahlte Überstunden oder Pluszeiten auf dem Arbeitszeitkonto, ist auch darauf zu achten. Eine Klausel, nach der Überstunden mit der Unterschrift abgegolten sein sollen, benachteiligt den Beschäftigten. Eine hektische Unterzeichnung haben viele schon bereut, ein Rücktrittsrecht sieht der Gesetzgeber nicht vor.

Risiken aufseiten der Beschäftigten

"Der Arbeitgeber kann dem Beschäftigten eine Abfindung anbieten, damit dieser den Aufhebungsvertrag annimmt. Aber einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine Abfindung gibt es nicht!", verdeutlicht die Gewerkschaft Verdi. Grundsätzlich ist eine Abfindung eine freiwillige Leistung, einen gesetzlichen Anspruch gibt es nicht.

In der Praxis sieht es aber oft anders aus, berichtet Jan Tibor Lelley, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Es gebe "kaum einen Auflösungsvertrag, der abgeschlossen wird ohne Abfindung", so Lelley, im Podcast der Fachzeitschrift "Arbeit und Arbeitsrecht".

Beim Aufhebungsvertrag ist auch der Betriebsrat außen vor. Ein Vorteil für das Management, denn Verhandlungen bleiben so auf der individuellen Ebene, die Verhandlung eines Sozialplans kann umgegangen werden. Zum Nachteil für die Belegschaft, denn dabei wird nicht nur über Abfindungen verhandelt, vielmehr wird auch über Versetzungen oder Qualifizierungsmaßnahmen statt Entlassungen gesprochen.

Der Interessenausgleich sieht die Möglichkeiten vor, Entscheidungen des Unternehmens infrage zu stellen. Nicht so beim Aufhebungsvertrag. Wer einen unterschreibt, muss in der Regel mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld rechnen, warnt die Arbeitnehmerkammer Bremen.