Künstlerische Pflanzen

Samorost

Botanicula von Daedalic Entertainment / Amanita Design

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"Botanicula" wahrt den Stil seiner Vorgänger "Samorost" 1 & 2 sowie "Machinarium" und ist daher kaum vergleichbar mit anderen Videospielen. Das Point-And-Click-Puzzle-Adventure ist eine Symbiose aus Videospiel, Animationsfilm und Kunstprojekt.

Jakub Dvorský legte mit der Abschlussarbeit seines Kunststudiums in Prag den Grundstein zur Indepent-Spieleschmiede Amanita Design. Samorost ist ein in Flash programmiertes Game, das frei im Web spielbar ist und mehr über den Stil der Titel von Amanita Design erklärt als jeder Text.

Botanicula heißt das neueste Projekt des inzwischen aus neun Kreativen bestehenden Studios. Das Setting ist ein Baum, der von Parasiten befallen ist. Ein Team aus drei Pflanzenwesen, einem geflügelten Kleintier und einem Pilz versucht den Baum zu retten. Die Story steht dabei weniger im Vordergrund als die einzelnen Szenen. Auch verzichtet das Spiel auf gesprochene und lesbare Texte. Wenn ein Baumbewohner etwas erzählt oder sucht, erfolgt die Darstellung des Dialoges ausschließlich über Bilder und Animationen. Damit steht es durchaus in der Tradition tschechischer Animationsserien wie Der kleine Maulwurf, auch wenn der künstlerische Stil ganz anders ist.

Die fünf kleinen Helden von "Botanicula"

Spielerisch ist "Botanicula" eine Mischung aus Point-And-Click-Adventure und Puzzle-Game. Die fünf Helden wandern im Verlauf ihrer Mission durch die einzelnen Bereiche des Baums, die wiederum in verschiedene Räume unterteilt sind. Meist muss der Spieler zunächst eine bestimmte Anzahl von Gegenständen sammeln, um in den nächsten Bereich zu gelangen. Allerdings sind die Amanita-Titel nicht mit den bekannten Adventures von Lucas Arts, Sierra oder Telltale Games vergleichbar. Es fehlen die üblichen Rätsel, in denen der Protagonist namens Larry oder Guybrush (vgl.: Spiel mit Charme, Witz und Einfallsreichtum) einen Hammer im Hinterhof findet und damit an anderer Stelle eine Scheibe einschlägt oder sich mit einem Gummihuhn abseilt. Auch gibt es keine herkömmlichen Wort-, Logik- und Mathematikrätsel wie in Nintendos "Professor-Layton"-Titeln (vgl.: Rätselhafte Schachtel).

Stattdessen ist fast jeder Raum ein eigenes Puzzle, dessen Regeln der Spieler selbst erkennen muss. Üblicherweise bedeutet das zunächst die Suche nach Punkten, die auf Anklicken reagieren. Oft passiert erst einmal etwas scheinbar Belangloses: Ein Blatt bewegt sich oder ein Insekt erscheint. In Kombination mit den anderen Bereichen ergibt sich dann die Lösung, für die meist die richtige Reihenfolge beziehungsweise das Timing der Klicks oder die Anordnung der Objekte entscheidend ist. So bestimmt beispielsweise die Position von Blättern den Lauf von Wasser und nur mit der richtigen Kombination wächst ein Pflänzlein, über das die Protagonisten ein neues Areal erreichen.

Schieben und Hüpfen

Einige Puzzles sind abstrakt gestaltet und arbeiten mit visuellen und akustischen Rückmeldungen: Gegenstände ändern ihre Farbe oder unterschiedliche Töne erklingen. Dabei ist stets das Erlebnis im Vordergrund. "Botanicula" belohnt den Spieler nicht nur mit dem Weiterkommen, sondern immer wieder mit visuellen und musikalischen Bonbons. Da wird ein Gesteinsbrocken durch einen Mini-Urknall zum kleinen Planetensystem oder ein kleiner Chor singt. Die meisten Puzzles sind so gestaltet, dass sie relativ leicht zu lösen sind, sobald der Spieler einmal das Prinzip erkannt hat. Gelegentlich führt als Notlösung reines Trial-And-Error zum Ziel.

Der Schwierigkeitsgrad steigt im Schnitt kontinuierlich. Die ersten Rätsel nehmen den Spieler fast noch bei der Hand und die härtesten Nüsse warten am Ende. Einige spätere Puzzles sind etwas zu leicht, was aber eventuell als Motivation zwischen den höheren Herausforderungen beabsichtigt ist. Wirklicher Frust kommt beim Knobeln nie auf. Die einzige Ausnahme ist ein potenzieller Fehler: Ein Rätsel ließ sich beim Testen von "Botnuiclua" nur in der reduzierte Bildgröße lösen - vermutlich ein Bug, der die Mausposition in der 100%-Darstellung falsch interpretiert.

"Botanicula" ist anders als die üblichen Adventures und das Erlebnis vielleicht am ehesten damit vergleichbar, wie ein Baby seine Umgebung wahrnimmt: Da sieht es die Rassel, die zunächst nichts macht - erst nach einer Weile begreift der junge Erdenbürger, dass Schütteln Geräusche erzeugt. Daneben liegt ein Gummiball, der beim Draufhauen quietscht und das Kaleidoskop zeigt beim Reinschauen bunte Bilder, die sich beim Bewegen ändern. Auch der Spieler von "Botanicula" muss zunächst erkennen, was wie reagiert, um dann etwas Sinnvolles damit anzufangen, das ihm beim Weiterkommen hilft.

Sammelkarten

Als zusätzliche Herausforderung neben der relativ kurzen Hauptgeschichte, in der die fünf ihren Baum retten und die Parasiten besiegen, sammelt der Spieler Karten mit Bildern der gefundenen Kreaturen. Teils bekommt er sie einfach durch Anklicken eines Wesens, für andere Sammelkarten muss der Spieler kleine Rätsel lösen.

"Botanicula" ist mehr als die Summe der Puzzles - es ist ein Gesamterlebnis aus Gaming, Animationen und Klängen. Wer in diese Art der Gestaltung eintauchen mag, findet ein spielerisch interessantes und künstlerisch äußerst schönes Erlebnis. Allerdings ist das tschechische Werk nichts für alle Gamer: Es ist ein langsamer Titel und die beständige Suche nach den Hotspots, die auf Mausklicks oder Bewegungen reagieren, kann manche Spieler auf Dauer abstoßen.

"Samorost" lässt grüßen

Wer die "Samorost"-Titel und Machinarium mag, wird von "Botanicula" begeistert sein. Wer die Vorgänger gar nicht kennt, sollte zum Kennenlernen das kostenlose "Samorost 1" spielen. In Deutschland wird "Botanicula" von Daedalic Entertainment veröffentlicht, die vor allem für das großartige Edna bricht aus (vgl.: Das geht nicht mit rechten Dingen zu) bekannt sind. Die spezielle Erstauflage mit Soundtrack-CD und einem Poster kostet knapp 20,- Euro. Erwähnenswert ist, dass Daedalic bewusst auf jeglichen Kopierschutz verzichtet und weder eine Online-Verbindung noch einen Datenträger im Laufwerk verlangt. Das reine Spiel ist über Steam auch mit den entsprechenden Einschränkungen des Online-Anbieters und ohne Boni für knappe 9,- Euro erhältlich.