Kurz, frech, unterhaltsam

Warios Debüt auf dem GameCube

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Nintendos Wario World verwendet das Spielprinzip aus Warios ersten Auftritten auf dem Gameboy: 2D-Jump-And-Run. Das Spiel ist wie sein Held: Kurz und kernig.

Wie Donkey Kong schaffte Wario - der Name ist ein doppeltes Wortspiel: Zum einen das auf den Kopf gestellte "M" Marios, zum anderen bedeutet das japanische "waru" auf deutsch "böse" - in den neunziger Jahren den Schritt vom Gegner des Spielers zum Protagonisten unter dessen eigener Kontrolle.

Der grimmige Gegenpart zum Gutmenschen Mario bekam von der japanischen Konsolenschmiede Nintendo bisher nur auf den Handheld-Konsolen Hauptrollen in echten Jump-And-Run-Spielen. Auf dem N64 begrenzten sich seine Auftritte auf die Sport- und Partyspiele Mario Kart, Mario Golf, Mario Tennis sowie die Mario Party Serie. Im vierten Aufguss des Mario Party hatte er seinen ersten kleinen Auftritt auf dem GameCube, allerdings war selbst im Nintendo All Stars Titel Super Smash Bros Melee (vgl. Würfelspiele) seine Gier nicht gefragt.

Wer also kein Mario-Party-Spieler ist (wer also das zwölfte Lebensjahr beendet hat), erlebt mit Wario World das Next-Generation-Konsolen-Debüt des etwas anderen Nintendo-Helden, Marios einstigen Kinderfreund, der sein Leben nur einem Ziel verschrieben hat: Mehr und mehr Schätze zu scheffeln.

Die Entwicklung von Wario World übertrug Nintendo Treasure, die über den Publisher Atari http://www.atari.de/ im Juni einen Port ihres Dreamcast-Shooters Ikaruga für den GameCube veröffentlichten. Die einzige Gemeinsamkeit der beiden Titel - vom Schwierigkeitsgrad könnte Wario kaum weiter von dem enorm schwierigen Ikaruga entfernt sein - liegt in der Rückbesinnung auf zweidimensionale Spielgestaltung. Optisch benutzt Wario World drei Dimensionen und auch die Bewegung ist (eingeschränkt) dreidimensional, jedoch geben die Level dem Spieler nicht wie in Mario Sunshine oder Rayman 3 (vgl. Erfrischend skurriler Held) mehr oder weniger volle Bewegungsfreiheit im Raum, sondern Wario bewegt sich wie Donald Duck in Ubi Softs Quack Attack (vgl. Würfelspiele) auf einem vorgegebenen Weg durch das jeweilige Level. Spielerisch ist Wario World den Wario Land Titeln des Gameboy somit deutlich näher als Mario Sunshine (vgl. Zur Sonne, zur Freizeit). Angenehmer Nebeneffekt: Dank fixer Kameraposition verliert der Spieler nie den klaren Blick auf die Spielfigur.

Die acht Level bieten optisch reichlich Abwechslung, spielerisch werden vor allem die Gegner auf Dauer eintönig, deren unterschiedliche (durchaus liebevolle) Gestaltung nicht über ihre durchgängig gleichmäßigen Attacken und Schwachstellen hinwegtäuschen. Immerhin findet Wario in jeder Welt ein paar Besonderheiten, kann beispielsweise in der Eiswelt besiegte Monster in Form von Eiszapfen in die Erde rammen, um sie als Plattform zu benutzen oder wirft für denselben Zweck in einem anderen Level besiegte magnetische Gegner gegen Eisenplatten. Warios Gier ist omnipräsent - schließlich ist auch er auf Befreiungsmission: Nicht eine Prinzessin, sondern sein eigener Schatz ist das Opfer eines dunklen Kristalls, der Warios Habseligkeiten in die Monstergesellschaft, welche die acht Level bevölkert, verwandelt hat.

Erinnerung an Luigi: Einige Gegner erscheinen nur im Spiegel

Aufgrund des geradlinigen Designs und der einfachen Gegner ist der direkte Weg durch die acht einzelnen Level auch für weniger geübte Spieler keine wirkliche Herausforderung. Auch die Minibosse innerhalb und die Bosse am Ende der acht Level sind eher leichte Kost - deren meist ohnehin offensichtlichen Schwachstellen offenbarem dem Spieler helfende Wichtel. Nach jeweils zwei Level darf sich der Spieler mit insgesamt vier weiteren Bossen herumschlagen, die diesen Titel eher verdienen, da der Spieler - im Gegensatz zu den Endgegnern innerhalb der Level - zumindest eine gewisse Strategie zum Sieg benötigt. Wirklich schwierig ist kein Kampf, denn für 500 Goldstücke kauft sich Wario jederzeit - auch inmitten der Bosskämpfe - ein neues Leben.

In jedem Level muss - beziehungsweise kann - Wario drei Aufgaben erfüllen. Die einzige Notwendigkeit zum Fortkommen ist das Besiegen des Endgegners. Freiwillige Extraaufgaben sind das Auffinden von jeweils acht Schatztruhen und Herzen. Letztere erhöhen, analog zu den Herz-Containern in Zelda, die Lebensenergie des Helden, mit dem Auffinden aller Schatztruhen schaltet der Spieler Minispiele frei, die er - einen Gameboy Advance (GBA) plus Verbindungskabel vorausgesetzt - auf seinen GBA überspielt. Die GBA-Minispiele sind - anders als das GameCube-Spiel selbst - mit Herausforderungen wie Toastfangen oder Nasepopeln rein auf Kinder zugeschnitten.

Selbst wenn der Spieler auf Herzen und Schatztruhen verzichtet, muss er Wario auf der Jagd nach Kristallen zum Öffnen des Tores zum Boss in Mini-Level schicken, vergleichbar mit - wenn auch um Klassen einfacher als - den Zwischen-Level aus Mario Sunshine. Die Mini-Level sind im Gegensatz zum eigentlichen Spiel vollständig dreidimensional und erlauben die manuelle Einstellung der Kamera. Trotz der vollen 3D-Ausnutzung bieten gerade die Mini-Level klassische Jump-And-Run-Herausforderung wie einst Super Mario Land mit Sprüngen über bewegte Blöcke, einfachen Schiebe- und Schalter-Puzzles.

Eines der späteren, etwas schwierigeren Minilevel

Wario World spielt hinsichtlich Spieldauer und Herausforderung in einer Liga mit "Luigi's Mansion" (vgl. Würfelspiele), kann - um bei Nintendo-Titeln zu bleiben - nicht mit Super Mario Sunshine und schon gar nicht mit Zelda mithalten. Bei aller Kritik an dem niedrigen Schwierigkeitsgrad und der, sich teils auch daraus ergebenden, kurzen Spieldauer von Wario World - wer auf die Extras verzichtet, hat das Spiel nach etwa zehn Stunden gemeistert - soll jedoch nicht ungesagt bleiben, dass diese zehn Stunden, die man mit der Suche nach den letzten Minispielen und Extraherzen durchaus auf das Doppelte ausdehnen kann, mächtig Spaß machen und die Erinnerung an "klassische" Jump-And-Run-Titel der 16-Bit-Konsolen und des Gameboy aufleben lassen. Nicht zuletzt ist Wario ein liebenswerter Held, eben weil ihm das Heldenhafte und Selbstlose von Mario abgeht.