LTTE: Befreiungstiger oder Terrorbrüder?
Bei den Parlamentswahlen in Sri Lanka erteilte die Bevölkerungsmehrheit der militärischen Bekämpfung der Tamilen-Guerilla eine Absage und setzt auf Friedensverhandlungen
Die Terroranschläge vom 11. September lösten in Sri Lanka zumindest ebensoviel Empörung aus wie in Europa. Doch anders als hierzulande erlebte die Inselbevölkerung eine Art "Déjà-vu". Das spektakuläre Attentat auf den Flughafen in Colombo im Juli dieses Jahres war noch allzu präsent. Die Tamilen-Guerilla LTTE hatte wieder einmal zugeschlagen und dieses Mal auch eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes, den Tourismus, nachhaltig geschädigt. Wer in diesen Monaten dennoch das Land bereiste, sah ausgestorbene Hotels und begegnete einer Heerschar arbeitsloser Menschen, die ihre - ohnehin magere - Existenzgrundlage verloren hatten.
Der fast schon zwanzig Jahre anhaltende Bürgerkrieg hat die Menschen zermürbt. Kein Wunder, dass dieses Thema auch den Wahlkampf dominierte. Mit dem Versprechen, Friedensverhandlungen aufzunehmen, fuhr die Opposition vergangene Woche einen klaren Sieg ein. Was aber so hoffnungsvoll klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung weitaus komplizierter. Die Chancen auf reale Befriedung stehen nicht sonderlich günstig.
Der Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen ist uralt und begann bereits 500 v. Chr., als beide Gruppen vom indischen Festland auf die Insel kamen. Die britischen Kolonialherren schürten später die Animositäten, indem sie die tamilische Minderheit förderten, um die buddhistische Singhalesen-Elite zu schwächen. Nach Erlangung der Unabhängigkeit 1948 verloren 1 Million Tamilen ihre Staatsbürgerschaft und ihr Wahlrecht. Obwohl dies kurz darauf wieder revidiert wurde, verschärfte sich der ethnische Konflikt zusehends. 1983 löste ein Attentat tamilischer Separatisten, die für einen eigenen Staat kämpfen, pogromartige Übergriffe auf die Bevölkerungsminderheit aus. Seitdem kam das Land nicht mehr zur Ruhe. Inzwischen forderte der Bürgerkrieg über 60.000 Menschenleben.
Krieg gegen den Tamilenterror
Die amtierende Präsidentin, Chandrika Kumaratunga, begegnete dem Tamilenkonflikt zuletzt mit einer Politik der Föderalisierung des Landes bei gleichzeitiger militärischer Bekämpfung der radikalsten aber auch einflussreichsten Tamilen-Gruppe, der LTTE besser bekannt als "Tamil Tigers". Obwohl dadurch der vom norwegischen Chefvermittler Erik Solheim geschickt unterstützte Friedensprozess völlig ins Stocken geraten war, hielt Kumaratunga mit der von ihr geführten Volksallianz (PA) auch noch im Wahlkampf an der militärischen Strategie fest. Dagegen kündigte die eher konservative "United National Party" (UNP) Friedensverhandlungen mit den Tamilen-Rebellen an.
NUMBER OF SUICIDE ATTACKS BETWEEN 1980-2000
The Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in Sri Lanka and in India: 168
Hizbullah and pro-Syrian groups in Lebanon, Kuwait and Argentina: 52
Hamas in Israel: 22
The Kurdistan Worker's Party (PKK) in Turkey: 15
The Palestinian Islamic Jihad (PIJ) in Israel: 8. (Source: Jane's Security)
Die Bevölkerung votierte nach dem blutigsten Wahlkampf in der Geschichte des Landes mit mindestens 12 Toten am vergangenen Mittwoch mit großer Mehrheit für diese Linie. 109 Sitze konnte die UNP erringen, schwer abgeschlagen hält die PA nur mehr 77 Sitze (Wahlergebnis). Die Linksallianz von Kumaratunga hatte also das Nachsehen und die Niederlage wäre vielleicht noch herber ausgefallen, hätten die Soldaten der srilankischen Armee nicht Zehntausende Tamilen von der Abstimmung ferngehalten, was im übrigen den Protest internationaler Wahlbeobachter auslöste.
Das Parlament wird zwar neu zusammengesetzt, doch Beobachter bezweifeln, dass dies tatsächlich einen Richtungswechsel in der Tamilenpolitik herbeiführen wird. Denn die erst 1999 wiedergewählte Kumaratunga ist als Präsidentin bis 2005 weiter im Amt und von der Verfassung mit erheblicher Macht ausgestattet. Ob sie sich mit ihrem Erzrivalen und neuem Ministerpräsidenten, UNP-Führer Ranil Wickramasinghe, in der Tamilenfrage einig wird, bleibt abzuwarten.
Neue Perspektiven?
Schließlich ist auch Kumaratungas Misstrauen gegenüber der LTTE nicht unbegründet. Friedensgespräche wären nicht nur einmal von den "Tamil Tigers" als Vorwand für die eigene Aufrüstung im Hintergrund genutzt worden, lautet einer der Vorwürfe. Tatsächlich gilt Tiger-Chef Velupillai Prabhakaran als äußerst wendig. In einem älteren Spiegel-Artikel wird ihm sogar nachgesagt, er zähle Adolf Hitler zu seinen Vorbildern. Bei der Zahl der Selbstmordattentate liegt die LTTE noch weit vor der Hamas. Die Finanzierung der LTTE erfolgt Berichten des deutschen Verfassungsschutzes und des CIA zufolge über erpresste Gelder aus der Diaspora sowie über illegalen Drogen- und Waffenhandel. Zahlreiche Führer von gemäßigteren Tamilengruppen fielen Mordanschlägen der LTTE zum Opfer. Erst so avancierten die "Befreiungstiger" zur einflussreichsten Tamilenorganisation.
Menschrechtsverletzungen der LTTE
Der LTTE kommt demnach aber eine Schlüsselrolle im Friedensprozess zu. Doch mit wem will man sich hier eigentlich an einen Tisch setzen, wird sich manch Außenstehender im Bewusstsein der von Sri Lankas Medien weidlich ausgeschlachteten Menschrechtsverletzungen und Terrorakte der "Tamil Tigers" fragen. Wenngleich auch die Singhalesen nicht eben zimperlich mit den Tamilen umgehen, wie ein Blick auf die Berichte von Amnesty International zeigt, kann man der LTTE-Führung ein gerüttelt Maß an Skrupellosigkeit attestieren. Menschenrechtsorganisationen berichten immer wieder über Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen. In Combat-Lagern werden sie einem extremen psychischen Druck ausgesetzt.. Eines der perfiden Prinzipen der Gruppe lautet, aus jeder Familie soll zumindest ein Mitglied im Dienst bei der LTTE leisten - ob freiwillig oder nicht.
Während die amtierende Präsidentin nach den Terrorakten in den USA international für ihre Linie - die Ausschaltung der LTTE - warb, gab sich deren Führer Prabhakararan selbstbewusst. Er appellierte in einer Rede an die Welt, einen bewaffneten Kampf, "der ein konkretes politisches Ziel verfolgt", nicht mit Terrorismus zu verwechseln. Selbst die der Linkstümelei völlig unverdächtige NZZ konnte sich angesichts der Reaktion der Vereinigten Staaten einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Die USA, die laut verkünden, mit Terroristen werde nicht verhandelt, fordern die Regierung in Sri Lanka aber auf, mit den LTTE Friedensverhandlungen zu führen".
Wie auch immer, die Bevölkerungsmehrheit Sri Lankas plädierte in dieser Wahl jedenfalls für ein Ende der Auseinandersetzung. Der am Sonntag vereidigte Ministerpräsident will Friedensgespräche forcieren. Ob das bloße Wahlkampftaktik der UNP war, wie ein Kommentator vermutete, der außerdem meinte, dass weder die Partei Kumaratungas noch Wahlsieger UNP erfolgversprechende Konfliktlösungskonzepte auf den Tisch gelegt hätten, wird sich zeigen. Die Hoffnung auf Zusammenarbeit der PA und UNP haben sich inzwischen schon wieder zerschlagen. Laut BBC lenkte Kumartunga zunächst ein, ihre Partei PA lehnte dann aber die einschlägigen Angebote von Wickramasinghe wieder ab. Die 19 Millionen Einwohnern von Sri Lanka (davon 2 Millionen Tamilen) blicken weiterhin in eine ungewisse Zukunft. Dabei haben sie wahrlich existenziellere Sorgen als die Machtkämpfe ihrer Eliten.
Bilder http://www.ourlanka.com/airport/ bilder v. attentat auf flughafen Vergrößerungen in den artikeln http://www.ourlanka.com/airport/LTTE%20attack%20A%20paradise%20lost.htm http://www.ourlanka.com/airport/Prabhakaran,%20brain%20behind%20Lankan%20airport%20attack.htm