Las-Vegas-Massaker: Ein mit der eigenen Gewaltkultur konfrontiertes Land

Seite 2: Für den Einbruch des "absolut Bösen" (Trump) soll niemand verantwortlich sein

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Donald Trump hat so schon auch erst einmal erklärt, es gebe keine Gründe für die Tat, die stelle das "absolut Böse" dar, an dem dann auch niemand Schuld sein kann. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob man in den USA nicht seit langem blind für eine Gewalt der Wütenden und Todesmüden ist, weil man sie nur den islamistischen Extremisten zuschreibt und leugnet, dass sie aus der Mitte der Gesellschaft kommen kann, wie zahllose Amokläufe gezeigt haben.

Seit 2001 haben die USA für Billionen US-Dollar Kriege geführt, viele Menschen getötet, die arabische Welt ins Chaos gestürzt, einige Diktatoren gestürzt, andere gestützt, Konflikte verschärft und den Terrorismus weltweit zumindest indirekt gefördert. Verkannt wird auch, dass brutale selbstmörderische Gewalt, die von islamistischen Terroristen kultiviert wurde, keine Ausgeburt des Islam ist, sondern von westlicher Kultur geprägt ist. Am deutlichsten bei al-Qaida und beim Islamischen Staat zu sehen, dessen Medienproduktionen fatal an Vorbilder aus dem westlichen Kino und Computerspielen erinnern, in denen der Kult der Waffen, der Gewalt und der auch massenhaften Zerstörung zelebriert wird (Ästhetik der Gewalt). Man darf daran erinnern, dass viele Hollywoodfilme, die Gewalt zelebrieren, vom Pentagon mitfinanziert werden. Sie haben neben der politischen Ideologie auch die militärische Logik inkorporiert. Hier siegen nur die "Guten" aus amerikanischer Sicht.

Letztlich unterscheiden sich "Amokläufer" von islamistischen Selbstmordattentätern lediglich durch die Art der verwendeten Waffen und dadurch, ob sie auf eigene Faust oder organisiert handeln. Die Art des Spektakels, die erreicht werden soll, gleicht sich aber. Der eigene Tod soll mit der größtmöglichen Zahl an willkürlich ausgewählten Opfern verknüpft werden und folgt bestimmten Schemata. Zwar setzen die islamistischen Terroristen in der Regel auf Sprengstoffanschläge wegen der größeren Wirkung, die ein einzelner oder eine kleine Gruppe damit erzielen können, aber seit einiger Zeit werden beliebige Waffen von Messern oder Äxten bis hin zu Autos und LKWs eingesetzt. Alles, was gerade zur Verfügung steht.

Die "Amokläufer" haben bislang eine andere Tradition verfolgt und den Anschlag mit Schusswaffen kultiviert. Das ist in der Tat amerikanischer und erinnert an den Wilden Westen und seine Helden. Dass ein einzelner Mann mit automatischen Schusswaffen, die vermutlich legal erworben wurden, Hunderte von Opfern in kurzer Zeit treffen kann, zeigt, wie gefährlich der weitgehende freie Markt für Schusswaffen geworden ist. Anders als ein Selbstmordattentäter, der an sein Ziel gehen oder fahren muss, konnte der Täter aus einer Entfernung von Hunderten von Metern auf die Menschenmenge feuern.

Wenn es stimmen sollte, was bislang bekannt ist, war Paddock ein älterer, normaler und wohlhabender Mann, der wusste, wie man mit Schusswaffen umgeht und sich diese in den USA auch ohne Probleme legal besorgen konnte. Der Erwerb großer Mengen von Sprengstoff ist in den USA vermutlich sehr viel auffälliger. Ein Staat, der es zulässt, dass trotz der vielen durch Schusswaffen getöteten und sich selbst tötenden Menschen die Bürger sich fast beliebig aufrüsten können und damit auch in einer Kultur der zelebrierten Entschlossenheit leben, anzugreifen oder sich zu verteidigen, muss damit rechnen, dass Gewaltfantasien, die von der Kulturindustrie und einer auf militärische Gewalt setzenden Politik geprägt werden, auch ausgelebt werden (USA: Immer mehr Schusswaffen, aber weniger Besitzer). Wenn man dann den Waffenbesitz legitimiert, weil man sich verteidigen muss oder Angriffe durch Abschreckung verhindern will, wie dies Donald Trump auch macht, folgt man schlicht der Logik der Aufrüstungsspirale. Primär Amokläufer, Selbstmordattentäter und Terrororganisationen mit Waffengewalt bekämpfen zu wollen, verstärkt schlicht die Logik der Gewalt, da sie diese auch legitimiert.

Dass die Strategie der Überwältigung durch Androhung von Overkill nicht funktioniert, lässt sich auch am Umgang von Donald Trump mit Kim Jong-un sehen. Die demokratischen USA haben in der Logik der überwältigenden Gewalt ohne Notwendigkeit die ersten Atombomben eingesetzt und eine bis dato unvorstellbare Massentötung realisiert. Die Menschen wurden dadurch zu Ungeziefer, das man auslöscht. Das ist nur abstrakter als die Vernichtung einzelner Menschen in KZs. Nordkorea schützt sich durch Androhung des Einsatzes von nuklearen Massenvernichtungsmitteln. Unterhalb der nuklearen Schwelle zeigen die USA und Russland, dass sie bereit sind, ganze Städte in Schutt und Asche zu legen, wobei sie sich letztlich vom Islamischen Staat insofern unterscheiden, weil dieser aufgrund der fehlenden Militärtechnik die eigenen Menschen in den Tod schicken muss, um größere Zerstörungen zu realisieren. Das "absolut Böse" Trumps ist nicht nur beim IS oder bei Amokläufern wie Paddock, sondern mitten in der politischen und militärischen Kultur der USA angesiedelt.

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