Las-Vegas-Massaker: Ein mit der eigenen Gewaltkultur konfrontiertes Land
- Las-Vegas-Massaker: Ein mit der eigenen Gewaltkultur konfrontiertes Land
- Für den Einbruch des "absolut Bösen" (Trump) soll niemand verantwortlich sein
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In der mit Schusswaffen überladenen und auf militärische Gewalt getrimmten US-Gesellschaft rätselt man über das Motiv des suizidalen Massenmörders, einem Spiegelbild des islamistischen Selbstmordattentäters
Ein "Gunman" oder ein "Shooter" hat in Las Vegas auf die mehr als 20.000 Besucher eines Country-Festivals geschossen und fast 60 Menschen getötet sowie 500 verletzt. Es war das Abschlusskonzert mit Countrysänger Jason Aldean am Sonntagabend, als Stephen Craig Paddock, ein 64-jähriger weißer Amerikaner aus Las Vegas, von einem Hotelzimmer im 32. Stock auf die Besucher mit einem automatischen Gewehr wahllos feuerte. Zwei Stunden später meldete die Polizei, dass der Angreifer, ausgestattet mit 23 Schusswaffen, darunter automatischen Gewehren, in dem Hotelzimmer tot aufgefunden worden sei und vermutlich Selbstmord begangen habe.
Ein weiterer "Amokläufer" also, der eine "Massenschießerei" als Selbstmordattentat ausgeführt hat, wie dies besonders in den USA so häufig vorkommt (USA: Das Land der Amokläufe und Massenschießereien). Ausnahme ist dieses Mal, dass der Shooter ein älterer Mann war, sonst handelt es sich bei den Amokläufern wie bei Selbstmordattentätern meist um junge Männer, Frauen sind Ausnahmen. Schnell kam die Polizei zur Erkenntnis, dass es sich um einen Einzeltäter ohne offensichtlichen extremistischen Hintergrund handeln soll. Zunächst war ein Motiv nicht bekannt. Aber Paddock hatte einen Rekord eingestellt und führt nun die Liste an: "Worst mass shooting" oder "deadliest in US history", bis er vom nächsten suizidalen Massenmörder überboten wird.
Die Polizei wusste nichts über ihn. Eric Paddock, der Bruder des Shooters, fiel aus dem Himmel, wie er sagte, als er von der Tat hörte. Nach dem Bruder, der in Florida lebt, sei sein Bruder weder religiös noch politisch gewesen, er sei auch nicht psychisch krank gewesen und habe keine Alkohol- oder Drogenprobleme gehabt. Er habe ihn auch nicht als Waffennarr gekannt, ein paar Schusswaffen habe er schon gehabt, aber keine automatischen. Wo er die automatischen Waffen her hatte, weiß er angeblich nicht. Allerdings hatte er schon in das Hotel mit 23 Schusswaffen ein ganzes Arsenal dabei. In seinem Haus wurden weitere 19 Schusswaffen, Sprengstoff und mehrere tausend Schuss Munition gefunden. Kein Waffennarr?
Auch beim Militär sei er nicht gewesen: "Er ist nur ein Mensch, der in einem Haus in Mesquite wohnte, nach Las Vegas fuhr und dort spielte." Er scheint dem Glücksspiel professionell geneigt gewesen zu sein, vor allem Video-Poker, wahrscheinlich hat er davon auch gelebt - und zwar nicht schlecht. Berichtet wird von 250.000 US-Dollar, die er einmal gewonnen haben soll. Schulden soll er keine gehabt haben. Nach Mesquite soll er 2016 von Reno aus gezogen sein und lebte dort nach Medienberichten in einer ruhigen "Rentnersiedlung". Er soll in Mesquite in Texas seit 2000 ein Appartement-Gebäude verwaltet haben, das ihm gehörte und wo er auch einige Zeit lebte. Zuletzt wohnte er in Mesquite in Nevada.
Aber es gibt verschiedene Erzählungen, die Medien zusammentragen. Arm scheint er jedenfalls nicht gewesen zu sein, so wird auch von einem Haus in Florida und von zwei Flugzeugen berichtet, die in seinem Besitz waren. Sein Bruder meint, er habe sich alles leisten können. Er soll verheiratet, aber kinderlos gewesen sein, aber die Scheidung fand schon vor 27 Jahren statt. Zunächst war seine aktuelle Freundin oder Mitbewohnerin Marilou Danley (62) in Verdacht geraten, die dort im Januar 2017 eingezogen war. Sie stammt aus den Philippinen, lebte lange in Australien und dann in die USA, wo sie in Kasinos arbeitete, zuletzt in Reno. Die Polizei brachte sie aber nach einer Befragung aus dem Land und erklärte, sie sei an dem Vorfall nicht beteiligt gewesen.
Der Vater des Täters soll ein Bankräuber gewesen sein, der 1968 aus dem Gefängnis fliehen konnte und auf der Most-Wanted-Liste des FBI landete. Er erhielt eine Gefängnisstrafe, da er in Arizona eine Bank ausgeraubt hatte. Drei Jahre war er auf der Flucht, bis das FBI ihn 1971 wieder in Las Vegas einfangen konnte. Seiner Zeit galt er als "besonders gefährlich", weil er bei Straftaten Schusswaffen verwendete und als Psychopath diagnostiziert worden sei.
Die "Nachrichtenagentur" des Islamischen Staats verbreitete gestern die Behauptung, Paddock sei vor einigen Monaten zum Islam konvertiert. Er wird als "Soldat des Islamischen Staats" bezeichnet, der den Aufrufen gefolgt sei, Angriffe in den Ländern der Koalition auszuführen, und soll den Namen Abou Abd el-Bir al-Amriki erhalten haben. Beweise legte der IS bislang nicht vor, auch nicht das oft übliche Abschiedsvideo. Normalerweise verlangt der IS, dass der Täter irgendein Zeichen macht oder sich zum IS bekennt. Nichts deutet bislang darauf hin, dass der IS hier nicht nur Propaganda machen will, um erneut Aufmerksamkeit zu erregen.
Das FBI hatte verlauten lassen, dass es keine Hinweise auf Verbindungen zum internationalen Terrorismus, also zu islamistischen Terrorgruppen, gebe. Bislang wurde dem auch nicht widersprochen. Für Donald Trump kommt das "mass shooting", das durchaus als Anschlag oder auch als Terroranschlag gelten kann, auf jeden Fall politisch ungelegen. Sollte der Täter als "IS-Soldat" gehandelt haben, wird deutlich, dass Einreiseverbote und Mauern an der Grenze sowie der gesamte Grenzschutz nichts nutzen, wenn "einsame Wölfe" in den USA ohne einen arabischen oder islamischen Hintergrund sich durch die Vorgaben des IS anstecken lassen.
Auch wenn es "nur" ein in den USA seit Jahrzehnten gewohnter Amokläufer war, ein Wutbürger, ein Verzweifelter oder ein Lebensmüder, der sich nach dem ritualisierten Drehbuch mit einem erweiterten Selbstmord in einem finalen Aufmerksamkeitsspektakel umgebracht hat, wäre die von Trump und den Rechten in den USA wie überall anders geschürte Angst vor allem vor den muslimischen Einwanderern, aber auch vor den aus Lateinamerika stammenden Zuwanderern zumindest in Frage gestellt.
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