USA: Das Land der Amokläufe und Massenschießereien

Ein Drittel der Massenschießereien weltweit findet in den USA mit einem Anteil von 5 Prozent an der Weltbevölkerung statt

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Am Samstag, den 17. Oktober, eröffnete ein noch Unbekannter in Fort Myers, Florida, das Feuer auf eine als Zombies verkleidete Menge, die zum Straßenfest "ZombieCon" gekommen war, das zum neunten Mal stattfand. Dabei wurde ein Mensch getötet, vier Personen wurden verletzt. Politische Hintergründe werden nicht vermutet, wie sie bei den Messerstechereien gegen Israelis von jungen Palästinensern zumindest vorzuliegen scheinen, aber auch bei Massentötungsversuchen mit islamistischen Hintergrund wie bei dem Fall von Mohammod Abdulazeez im Juli, der 5 Marinesoldaten in Chattanooga, Tennessee, erschossen hat und schließlich selbst von Polizisten erschossen wurde (USA erwägen Wiedereinführung eines Terrorwarnsystems). Ähnlichkeiten haben diese Killmissionen meist junger Männer darin, dass sie in eigenem Auftrag losziehen, um wahllos Menschen bestimmter Herkunft an einem Ort zu töten, und dabei oft selbst umkommen (wollen).

Eine der schlimmsten Massenschießereien in den USA ereignete sich 1999 auf der Columbine High School (Medien und Gewalt von Schülern) . Das Bild der beiden Täter stammt aus der Überwachungskamera der Schule,

Am 1. Oktober hatte der 26-jährige Christopher Harper-Mercer 9 Menschen getötet und 7 verletzt, nachdem er in das Umpqua Community College in dem 20.000-Einwohner-Städtchen Roseburg eingedrungen war, an dem er studierte. Ausgerüstet mit 6 Schusswaffen, Munition und einer Schussweste inszenierte er wie viele vor ihm mit einem blutigen Spektakel seinen eigenen Tod, in den er möglichst viele mitzureißen suchte. Gejagt von der Polizei erschoss er sich schließlich im finalen Aufmerksamkeitsspektakel selbst.

Der junge, in Großbritannien geborene Mann, der noch bei seiner Mutter lebte, einer Krankenschwester, die sich und ihrem Sohn attestierte, Asperger zu sein, und erst vor kurzem aus Kalifornien nach Oregon gezogen war, wollte offenbar zunächst eine Laufbahn einschlagen, mit der es legal gewesen wäre, Waffen zu benutzen und Menschen zu töten. Er soll sich 2008 bei der US-Army beworben haben, wurde aber bereits nach einem Monat noch während der Grundausbildung wieder entlassen, wie BBC berichtet. Auf seiner inzwischen gelöschten Seite auf MySpace wird seine Leidenschaft für Waffen deutlich. Bislang wurden denn auch insgesamt 14 Schusswaffen gefunden, die ganz legal von seiner Mutter und anderen Verwandten erworben wurden. Nach Texten von Christopher Harper-Mercer, die die Polizei gefunden hat, soll der junge Mann alle anderen als "verrückt" bezeichnet und bedauert haben, dass er keine Freundin hatte.

I keep two full mags in my Glock case. And the ARs & AKs all have loaded mags. No one will be "dropping" by my house uninvited without acknowledgement.

Margaret Harper vor der Tat ihres Sohns

Die Mutter ist eine Waffenfanatikerin, die auch gerne mit ihrem Sohn zum Schießen gegangen ist, der Vater, der weiter nach der Scheidung vor 10 Jahren in Kalifornien lebt, will nicht gewusst haben, dass sein Sohn so viele Schusswaffen angesammelt hat und wirft der Politik vor, dass das Massaker nicht hätte geschehen können, wenn es strengere Gesetze gegeben hätte.

In der Folge gab es nicht nur die Schießerei in Florida. Am 9. Oktober kam es zu einer Schießerei an der Northern Arizona University in Arizona, bei der ein Student getötet und drei weitere verletzt wurden, und am selben auch Tag auch auf einem Parkplatz der Texas Southern University in Houston. Hier wurde ein Student getötet und ein anderer verletzt. Ob Harper-Mercer mit seiner Tat und dem Medienecho diese Schießereien begünstigten, ist nicht bekannt, aber eher unwahrscheinlich, abgesehen davon, dass der Gebrauch von Schusswaffen zum Angriff oder zur Verteidigung selbstverständlicher wird. In Arizona wurde der mutmaßliche 18-jährige Täter festgenommen, der angibt, nach einer Streiterei in "Notwehr" gehandelt zu haben, was die Polizei allerdings bezweifelt. Auch in Texas wurde der mutmaßliche 22-jährige Täter inzwischen festgenommen. Angeblich soll der Grund ein Basketballspiel am Tag vor der Schießerei gewesen sein. In beiden Fällen handelt es sich auch deswegen nicht um den klassischen Amoklauf, weil die Täter es nicht darauf angelegt haben, getötet zu werden oder sich selbst zu töten.

Ingesamt wurden von Shootingtracker.com 2015 bis jetzt 312 Massenschießereien gezählt. Hier werden allerdings alle aufgeführt, bei denen auf mindestens vier Menschen geschossen wurde und diese dabei verletzt und/oder getötet wurden. 2014 waren 336.

Das Thema von schärferen Waffengesetzen kommt jedes Mal auf, wenn ein solches Ereignis wie der Amoklauf in Roseburg geschieht. US-Präsident Obama gab sich daraufhin verzweifelt, weil sich nichts ändert und sich im Kongress immer die Waffenverteidiger durchsetzen können. Seine Reaktion wurde ebenso zur Routine wie die Berichte über die Massenmorde: "Wir sind abgestumpft."

Wie immer wird auch in dem Land, das seit 2001 praktisch ununterbrochen Krieg führt und militärische Interventionen, auch wenn sie heimlich oder mit ferngesteuerten Drohnen geschehen, für die Patentlösung von Problemen hält, darüber gerätselt, warum der junge Mann so eine zugleich verzweifelte und rücksichtslose Todesart gewählt hat. Hat es nicht nur mit der Verfügbarkeit von Schusswaffen, sondern auch mit bestimmten psychischen Problemen oder dem Hass eines Außenseiters zu tun? Das große Problem aber sei, sagte der Kriminologe James Alan Fox gegen der New York Times, dass die Eigenschaften, die solche Amokläufer beschreiben. Auch "auf zehntausende Amerikaner zutreffen, selbst auf Menschen, die schreckliche Dinge auf Facebook oder im Internet schreiben. Wir können nicht alle Menschen aufgreifen, die uns ängstigen."

Interessant ist, dass die US-amerikanische Kultur besonders junge Männer zu Amokläufern werden lässt - und dass sie hier nicht zu Sprengstoff oder Messern, sondern zu Schusswaffen greifen. Wissenschaftler von der Arizona State University und der Northeastern Illinois University haben kürzlich Schulschießereien und andere Massentötungen mit 4 und mehr Toten in den USA daraufhin untersucht, ob nach ihnen ähnliche Schießereien vorgefallen sind. Durchschnittlich kommen Massenschießereien alle 14 Tage und Schulschießereien monatlich vor. Sie wollen in der Tat herausgefunden haben, dass sie ansteckend wirken - und zwar in einem Zeitraum von durchschnittlich 13 Tagen nach der Tat. 20-30 Prozent der Massenschießereien in den USA könnten von vorhergehenden inspiriert worden sein, so die Wissenschaftler. Das ist auch bei Selbstmorden der Fall, die mediale Aufmerksamkeit finden, was man bereits seit Goethes Werther kennt.