In einer gerechten Welt ginge bei uns heute das Licht aus
Heute ist Erdüberlastungstag in Deutschland: Wir haben verbraucht, was eine sich selbst erhaltende Natur binnen zwölf Monaten liefern kann. Doch was bedeutet das?
Würde man die Situation auf die Energieversorgung der Bundesrepublik übertragen, wäre ab heute der Ofen aus: Am heutigen 2. Mai ist der Deutsche Erdüberlastungstag. Das ist jener Tag, an dem die Natur die Fähigkeit verliert, jene nachwachsenden Rohstoffe zu liefern, die ein sich selbst erneuernder Planet in einem Jahr zur Verfügung stellen kann.
Frischluft, Trinkwasser, Äpfel, Baumwolle, Fisch, Eisenerz, Bauholz oder jener Platz auf der Müllkippe, die wir Deutschen zum Abladen unserer Treibhausgasemissionen nutzen: Wäre Deutschland ein Planet, hätten wir nun nichts mehr, was nachgeliefert werden kann.
Kein Strom, kein Benzin
Auf die Energieversorgung übertragen bedeutet das: kein Strom mehr fürs Handy, kein Benzin mehr für den Rasenmäher, keine Heizung, kein warmes Essen, kein Licht mehr ab heute. Dass wir trotzdem noch mit dem Zug fahren, Kartoffeln aus Marokko essen können oder weiter Autos produzieren können, funktioniert nur, weil wir Ressourcen aus anderen Ländern ausbeuten.
Würden alle Menschen auf der Welt so leben wie wir Deutschen, wären drei Planeten Erde notwendig. Aylin Lehnert, Bildungsreferentin bei Germanwatch fordert: "Wir brauchen eine neue Schuldenbremse, eine Schuldenbremse in Bezug auf die Überlastung der Erde."
Diese NGO berechnet die Ressourcenausbeutung
Berechnet wird die Ressourcenausbeutung vom Global Footprint Network in Oakland, Kalifornien. Dabei bilanzieren die Wissenschaftler die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen sowie die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen. Jenen Tag, an dem Jahr die Nachfrage die Produktion übersteigt, nannten sie "Worl Overschot Day" – Erdüberlastungstag.
Erstmals mehr Ressourcen verbraucht, als eigentlich zur Verfügung stehen, hat die Menschheit 1987: Damals war der 19. Dezember der erste Overshoot Day. 1995 hatten die Menschen am 21. November jene Ressourcen verbraucht, die eigentlich bis zum Jahresende reichen müssen. 2011 lebte die Menschheit ab dem 21. August gewissermaßen auf Pump; 2023 war es der August.
Immer wieder Kohlendioxid
Den größten Anteil an der ökologischen Überschuldung hat das Treibhausgas Kohlendioxid: Wir stoßen davon deutlich mehr aus, als die Erde absorbieren kann.
Den produzierten Treibhausgasen wird dabei jene Fläche gegenrechnet, die nötig wäre, um die gleiche Emissionsmenge an auf natürliche Weise langfristig zu binden – etwa in Wäldern. Einerseits steigen die menschengemachten Emissionen jedes Jahr weiter an, 2023 erreichten sie einen neuen Rekord: 36,8 Milliarden Tonnen Kohlenstoffäquivalente.
Biokapazität der Ende schwindet
Gleichzeitig schrumpft aber die Biokapazität der Erde, weil immer mehr Wald abgeholzt wird. Allein in Brasilien gingen von August 2022 bis Juli 2023 besonders kohlenstoffreicher Regenwald auf einer Fläche von rund 9.000 Quadratkilometern verloren, fast viermal so viel Fläche, wie das Saarland aufweist.
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Auch der Bedarf an Flächen, Wasser, Ackerland und Fischgründen, den die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise verbrauchen, steigt immer weiter.
Nicht alle nutzen gleich viele Ressourcen
Allerdings nutzen nicht alle Menschen gleich viele Ressourcen, weshalb die Wissenschaftler seit den 2000er-Jahren ihre Berechnungen auf Landesebene herunterbrechen: Im vergangenen Jahr hatten die Deutschen am 4. Mai jenen Tag erreicht, an denen die Ressourcen, die die Natur binnen eines Jahres in ihren Landesgrenzen zur Verfügung stellen kann – also zwei Tage später.
Großen Einfluss auf den deutschen Verbrauch habe der nach wie vor sehr hohe Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten, erläutert Konstantinos Tsilimekis, Experte für Welternährung und Landnutzung bei der NGO Germanwatch: "In Deutschland werden rund 60 Prozent der Agrarfläche für die Produktion von Futtermitteln verwendet."
Ressourcenverbrauch global: Leben auf Pump
Tsilimekis illustriert auch, wie dieses "Leben auf Pump" ganz praktisch funktioniert: Weil die einheimischen Futtermittel für die Fleischproduktion nicht ausreichen, werden von uns zusätzlich in massivem Maße Flächen im Ausland genutzt. "2022 wurden 3,4 Millionen Tonnen Soja für die Verfütterung nach Deutschland importiert", so Tsilimekis.
In Brasilien werde etwa für den Anbau Regenwald gerodet. Der dortige Country Overshot Day ist in diesem Jahr der 4. August, auch wegen der deutschen Soja-Nachfrage.
Diese Staaten stehen noch schlechter da als Deutschland
Noch frevelhafter mit natürlichen Ressourcen gehen übrigens Staaten wie Katar, Luxemburg, die Vereinigten Arabischen, die USA oder Dänemark um: Dort lagen die nationalen Erdüberlastungstage bereits im Februar und März. Es gibt auch Länder, die weniger Ressourcen verbrauchen, als ihnen eigentlich zustehen: Indien beispielsweise.
Ressourcen verbrauchen, die eigentlich nicht mehr vorhanden sind: Dieses System funktioniert nur durch solche Ausbeutung – und weil wir ein Großteil der Schulden auf kommende Generationen abladen, etwa bei der Klimakrise.