USA erwägen Wiedereinführung eines Terrorwarnsystems

Das Heimatschutzministerium geht von einer höheren Bedrohung durch "home grown" Terroristen aus und will syrische Flüchtlinge vor Aufnahme gründlich überprüfen

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Am 16. Juli hat der 24-jährige Mohammod Abdulazeez offenbar den "Open-Source-Jihad", wie er vom jemenitischen AQIP und in ähnlicher Weise vom Islamischen Staat propagagiert, in die Tat umgesetzt und wie einer der Amokläufer bewaffnet mit einem halbautomatischen Gewehr und einer Pistole 5 Marinesoldaten in Chattanooga, Tennessee, erschossen.

Zunächst hatte er aus seinem Leihauto, wo ein weiteres Geweehr gefunden wurde, durch die Fenster auf Menschen in einem Marine-Rekrutierungsbüro geschossen (drive-by shooting) und einen Rekruten verletzt, anschließend hatte er die Sicherheitssperre zum 11 km entfernten Navy Operational Support Center mit seinem Fahrzeug durchbrochen und ist wild um sich schießend in ein Gebäude eingedrungen. Schließlich wurde er selbst von Polizisten erschossen.

Abdulazeez, geboren in Kuwait von palästinensischen Eltern, kam mit seinen Eltern 1996 im Alter von sechs Jahren in die USA, wurde dort 2003 Staatsbürger, hatte allerdings weiter einen jordanischen Pass und fuhr mehrmals in den Nahen Osten. Nach einem Universitätsabschluss arbeitete er als Ingenieur und scheint neben Drogen- und Alkoholproblemen auch psychisch gestört gewesen zu sein. Er soll zuletzt oft Moscheen besucht haben, gefunden wurden bei ihm Videos von Anwar al-Awlaki, dem aus den USA stammenden AQIP-Führer, der mittels einer Drohne im Jemen getötet wurde.

Abdulazeez wurde vom FBI als "homegrown violent extremist" eingestuft, nicht als Terrorist, die Untersuchung läuft aber noch. In der Folge des Anschlags hatte Verteidigungsminister Carter in einem Memo erklärt, dass mehr Soldaten auch auf US-Territorium bewaffnet sein dürfen, wenn sie im Rahmen der Sicherheit, der Strafverfolgung oder der Gegenspionage tätig sind, und weitere Sicherheitsmaßnahmen gegen inländische gewalttätige Extremisten angekündigt.

Das Terrorwarnsystem von Bush, das gerne verspottet wurde.

Am Dienstag sagte Heimatschutzminister Jeh Johnson auf dem Jahrestreffen der Association of the U.S. Army in Washington, dass die USA nach mehr als einem Jahrzehnt der Terroristenbekämpfung im Ausland sich darauf eingestellt hätten, Terroristenführer zu töten und zu fangen, aber die Gefahr habe sich verändert. Die "neue Realität" sei, dass "die globale Terroristenbedrohung sich von Angriffen, die Terroristen ausführen, zu Angriffen entwickelt hat, die von Terroristen inspiriert werden". Al-Qaida baue keine Bomben mehr im Ausland, sondern veröffentliche Anleitungen zum Bombenbauen online. Die "home-grown" Terroristen seien schwierig aufzuspüren und würden ohne Warnung zuschlagen, als Beispiel nannte er u.a. Abdulazeez. Das Heimatschutzministerium verstärke nun den Schutz von wichtigen Gebäuden und Flughäfen und die Grenzkontrollen und werde Reisende in die USA strenger zuvor überprüfen. Man werde auch mehr Informationen von den Reisenden einholen, die aus den 38 Ländern kommen, die kein Visum benötigen, also auch von Europäern.

Zudem sagte er, dass er in Auftrag gegeben habe, das vorhandene, aber nicht verwendete nationale Terrorwarnsystem im Zusammenhang mit der wachsenden Gefahr des "home grown" Terrorismus zu prüfen. 2011 wurde das unter Bush 2002 eingeführte Terrorwarnsystems mit fünf Stufen und Farben von Obama endgültig begraben (US-Regierung begräbt endlich das Terrorwarnsystem). Das Terrorrisiko war in den Jahren nie unter "erhöht" (gelb) auf "guarded" oder gar "low" gesunken, sondern höchstens angestiegen. Ein Leben ohne Terrorrisiko war sowieso nicht vorgesehen. Die Sicherheitsbehörden haben sich wohl nicht getraut, das Risiko abzusenken, um dann vielleicht überrascht zu werden, oder sie haben ihrer Existenzsicherung damit Nachschub geleistet.

Anstatt des Homeland Security Advisory System wurde ein zweistufiges National Terrorism Advisory System (NTAS) eingeführt, das aber bislang nicht verwendet wurde. Anders als beim Vorgängermodell sollte eine Warnung nur ausgegeben werden, wenn "glaubwürdige Informationen" vorliegen. Vorgesehen sind ein Hinweis auf erhöhte Gefahr oder ein Hinweis auf eine unmittelbar drohende Gefahr. Sie sollen für eine bestimmte Zeit gelten und automatisch erlöschen (mit dem Vorteil, dass dann niemand konkret zur Rechenschaft gezogen werden kann). Im Unterschied zum vorherigen System, das nur allgemein eine Terrorwarnung ankündigte, sollen nun auch die Art der Bedrohung, die geografische Region, gefährdete Bereiche und Infrastruktur und konkrete Handlungsanweisungen bekannt gegeben werden (Beispiel). Möglich ist eine Warnung für Behörden oder eine für die Öffentlichkeit.

Wie ein solches Warnsystem aber irgendwie vor Anschlägen von Menschen in den USA schützen soll, die wie Abdulazeez überraschend angreifen, bleibt schleierhaft. Hätten die Sicherheitsbehörden Hinweise auf einen Anschlagsplan, würden sie wohl auch dagegen vorgehen, oft genug ist dies auch so geschehen, dass meist junge Menschen durch Undercover-Agenten zur Ausführung von Anschlagsplänen verführt und angeleitet wurden, um sie dann festzunehmen und zu erklären, man habe einen Terroranschlag vereitelt.

Johnson kam aber auch auf die syrischen Flüchtlinge zu sprechen. Die USA waren so großzügig und haben angeboten, 10.000 in diesem und dem nächsten Jahr aufzunehmen. Dabei ging es um Sicherheitsfragen. Der Minister meinte, dass man sich verbessert habe, sie durch Nutzung der Geheimdienstdatenbanken zu überprüfen, man wolle aber mehr tun, um sie einer angemessenen Sicherheitsprüfung zu unterziehen.

Das Weiße Haus hatte aus Sicherheitsgründen entschieden, nicht mehr aufnehmen zu können. Näher benannt wurden diese nicht. Seit 2011 wurden gerade einmal 1.000 Flüchtlinge aus Syrien in den USA aufgenommen, wo 12 Millionen auf der Flucht sind. Das zeigt auch, wie ängstlich die Behörden sind. Dabei übertreffen sie die deutschen Behörden. Es soll wegen der umfänglichen Sicherheitsprüfungen 18-24 Monate dauern, bis ein Syrer in den USA aufgenommen wird.

Ein Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums hatte kürzlich unter der Bedingung, anonym zu bleiben, Defenseone erklärt, dass einige Gruppen offen gesagt hätten, "die gegenwärtige Situation im Hinblick auf die hohe Zahl von Migranten auszubeuten, die in Europa nach Asyl und Ansiedlung suchen. Wir müssen hier eine sehr reale Bedrohung mit dem potenziellen Propagandawert ausbalancieren." Er räumte aber auch ein, dass es keine konkrete Gefahr gibt, es sei auch kein bestimmter Trend zu "Aktivitäten, die mit Terrorismus verbunden sind", bei den Flüchtlingen auszumachen, die in die USA eingereist sind.