Lasst die Großkonzerne das Internet bauen
Unser Irrum war, die Menschen abzulehnen, die mit dem Internet Geld verdient haben
Wer ein bisschen verfolgt hat, was ich geschrieben habe, wird wissen, dass ich ablehne, wie der Kommerz das Internet übernommen hat. Seit 1994, als die Kommunikationsinfrastruktur der internationalen Forschung offiziell für Unternehmen geöffnet wurde, habe ich beobachtet, was mir als Niedergang des Inhalts, des Geistes und der Aufgabe des interaktiven Raums erschienen ist. Gut, aber jetzt höre ich auf mit dem Klagen.
Keine Sorge, ich bin noch immer so antikommerziell wie jeder andere auch. Falls es darauf ankommt, bin ich so antikommerziell, dass es mich nicht stört, die Unternehmen genauso auszubeuten, wie sie glauben, dies mit uns zu machen. Sie wollen von uns soviel nehmen wie möglich ist, warum sollte es dann so schlimm sein, wenn wir nehmen, was wir von ihnen kriegen können? Warum also, um es anders auszudrücken, lassen wir unser Internet nicht von den großen Konzernen bauen?
Sie werden langfristig daran kein Geld verdienen. Bislang hat noch niemand einen wirklich gewinnträchtigen Geschäftsplan für das Internet entwickelt: weder die Online-Magazine aus der Mitte der 90er Jahre (keine Einkünfte) oder die ECommerce-Unternehmen der späten 90er Jahre (keine Gewinnspannen) noch die Streaming-Media-Websites des beginnenden neuen "Breitband"-Jahrtausends (ist allen egal). Die Einzigen, die bislang daran verdient haben, sind die Spekulanten, die Wertpapiere kaufen und sie dann an weniger schlaue Spekulanten verkaufen, bevor der Boom platzt. Die Anderen, die noch Geld machen, sind natürlich die Heerscharen an Beratern und Brokern, die geschäftig jeden anderen zu ihrem Dom führen - und eine Reihe von Monopolen.
Zumindest ein Teil der zahllosen Investmentdollars, die ins Internet strömen, gehen inzwischen auch in den Aufbau der Infrastruktur selbst. Telefongesellschaften entwickeln schnellere und billigere Möglichkeiten für wachsende Datenübertragungsmengen, während Kabelgesellschaften daran arbeiten, die Bandbreite zu vergrößern. Andere verlegen Glasfaserkabel, starten Satelliten, verkleinern die Handys und bauen Datenbanken auf.
In den letzten fünf Jahren haben diejenigen, die wussten, wie wenig Geld man aus wirklich interaktiven Erfahrungen machen kann, versucht, die Börsenblase zum Platzen zu bringen, die sich darum herum gebildet hatte. Wir wissen, dass Investitionen ins Internet wesentlich ein Pyramidenschema sind und dass es nicht genug Aufmerksamkeitsstunden am Tag gibt, um selbst die gerade leicht zurückgegangenen Dot-com-Bewertungen zu rechtfertigen.
Daher jammern wir gerne darüber, warum die Konzerne überhaupt online gehen, warum sie hier wirklich kein Geld machen und warum sie uns in Ruhe lassen sollen, damit wir in unserer politisch ausgerichteten Datensphäre, die der Öffentlichkeit gehört, spielen und interagieren können. Sind wir denn verrückt?
Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als wir darum bettelten, dass die Konzerne mit einsteigen. In den frühen 90er Jahren, als es das World Wide Web noch gar nicht gab, wären Internetbegeisterte aus den Konferenzräumen gelacht worden, wenn sie geäußert hätten, dass wirkliche Firmen sich am interaktiven Zeitalter beteiligen wollen. Mein erstens Buch über das Internet wurde 1993 gestoppt, bevor die Presse es mitbekam, weil der Verleger fürchtete, dass der Hype schon vorüber sein könnte, wenn die Tinte noch nicht ganz getrocknet ist (das Buch kam ein Jahr später heraus).
Als die ersten großen Unternehmen online gingen, setzten wir frühen Anhänger unsere Stimmung auf Dämmerung und Untergang. Natürlich wurde das Internet geplündert. Es wurde zu einer Einkaufsstraße von gewaltigen Ausmaßen, und viele Menschen, die sich heute einwählen, können kein Gespür mehr für die Chancen entwickeln, die eine Kommunikationsinfrastruktur für die Bildung einer globalen Gesellschaft eröffnet.
Doch vielleicht sollten wir unsere Augen auf diesen Preis gerichtet lassen. Dank der kurzsichtigen, vom Profitinteresse bestimmten Motive der Unternehmen ist das Internet heute billiger, kann man leichter überall auf es zugreifen und verbreitet es sich schneller als je zuvor. "Entwicklungsländer" und die ehemaligen Staaten des Ostblocks sind der nächste Markt, und wir können uns nur Verlockungen ausmalen, mit denen Menschen, die noch niemals einen Telefonanruf gemacht haben, zu Internetbenutzern gemacht werden sollen.
Unser tragischer Irrtum ist es gewesen, Menschen abzulehnen, die bislang Geld mit dem Internet verdient haben. Wen stört es, wenn sie extrem reich geworden sind? Was ist, wenn die Grundstückspreise in London, New York und San Francisco in die Höhe klettern? Wir errichten sowieso an einer dezentralisierten Gesellschaft. Der Glaube der Dot-Com-Investoren an die falsche Knappheit des städtischen Immobilienmarktes ist nicht anders als ihr Festhalten an den begrenzten Dot-Com-Namen. Ihr Denken wird vom Wettkampf beherrscht, weswegen sie niemals wirklich ihren heiligen Gral der "Online-Community" verstehen werden.
Wir wollen den Markt zusammenbrechen und die Blase platzen lassen, weil wir die armen Dummköpfe hassen, die anscheinend die digitale Landschaft übernommen haben und durch einige Technologien reich geworden sind, die sie nur missbrauchen wollen. Die unlängst erfolgte Korrektur der Aktienkurse ist deutlicher Hinweis, dass wir gehört worden sind.
Ich schlage eine andere Marschrichtung vor. Ermutigen wir die Unternehmen, in das Internet zu investieren und eine offene Infrastruktur aufzubauen, die es eines Tages der ganzen Welt erlauben wird, ein herrliches vernetztes Spiel mit sich selber zu spielen oder, was noch besser ist, Möglichkeit zu finden, wie man anders als über Geld oder Waffen miteinander interagieren kann. Lasst uns den letzten Tropfen aus den Unternehmenskühen melken, bevor sie herausfinden, dass sie einen Nachkommen gezeugt haben, der sie alle verschlingen wird.