Leben im Kriegsgebiet im Südosten der Türkei
Seite 2: Setzt die türkische Armee Phosphorbomben ein?
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Kürzlich berichtete die unabhängige syrische Nachrichtenagentur ARA News, Berichten medizinischer Hilfskräfte zufolge setze die Türkei Phosphor-Bomben in Nusaybin ein. Atalan bestätigte, dass häufig weiße Rauchwolken zu sehen wären. Das könnte tatsächlich ein Hinweis auf den Einsatz von Phosphorgranaten sein.
Diese wurden z.B. im Gaza-Krieg 2009 von der israelischen Armee eingesetzt. Dem Friedensforscher Otfried Nassauer zufolge stammten die Granaten damals aus US-Herstellung. "Die USA schickten damals sogar ein (deutsches) Frachtschiff los, das die US-Depots in Israel wieder auffüllen sollte", erläuterte Nassauer gegenüber Telepolis. "Die USA unterhalten in Israel vier oder fünf solche Depots für den Fall, dass sie einmal dort eingreifen müssen; Israel darf auf die Depots zurückgreifen, wenn es vorher fragt. Den Weißen Phosphor stellt gerüchteweise Monsanto her, weil das grade so schön aktuell ist."
Das allerdings ist ebenfalls ein bislang unbestätigtes Gerücht.
Interessant in dem Zusammenhang wären detailliertere Schilderungen über die Art der Verletzungen in Nusaybin. Der in Kassel ansässige palästinensische Arzt Mounir Deeb schloss sich 2009 einem internationalen Ärzteteam an, das in verschiedenen Krankenhäusern in Gaza die Verletzten versorgte. "Dort bin ich mit Verletzungen konfrontiert worden, die ich im Leben vorher noch nicht gesehen hatte", schilderte Deeb in einem Interview:
Die Verletzungsmuster, die wir gesehen haben, waren nicht durch konventionelle Waffen hervorgerufen. Darüber waren wir Ärzte aus aller Welt uns einig. Vor allem gab es Verletzungen der unteren Extremitäten, die Beine z. B. waren fast amputiert. Die Haut war verkohlt und die Muskulatur bestand aus schwarzen Löchern und die Patienten verbluteten innerlich. Aber wir konnten keine Fremdkörper entdecken, Granatsplitter z. B., wie wir zunächst vermuteten, und konnten die Blutungen nicht stoppen. Die Kollegen haben dann versucht, die Brände mit Wasser zu löschen, aber das führte nur zu einer extremen Rauchentwicklung.
Schließlich vermuteten wir, dass die Israelis mit Phosphor bombardieren. Phosphorbomben zersplittern in unzählige brennende Stücke, die brennen, so lange sie Sauerstoff erhalten. Die Kollegen haben Sand benutzt, das war erfolgreich.
Mounir Deeb
Zerstörung ohne Rücksicht auf Verluste
Ziel der Regierungspartei AKP (Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung) sei es, so Atalan in seiner Videobotschaft, die Stadt - die gesamte Region - nach ihren Vorstellungen zu verändern. Ohne Rücksicht auf den historischen Kern Nusaybins (Türkei: Militärischer Angriff auf Nusaybin).
Als Kriegsprofiteure betrachtet Atalan vor allem die Bauindustrie. Viele Bauunternehmer seien AKP-Anhänger. Ihnen käme diese blinde Zerstörungswut später zu gute. Auch die Çalık Holding, das Unternehmen, in dem Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak bis zu seiner Wahl als AKP-Abgeordneten im Juni 2015 Geschäftsführer war, ist im Baugeschäft tätig.
Ziel Präsident Recep Tayyip Erdoğans sei die Alleinherrschaft. "Selbst die autokratische Diktatur, mit der wir es im Moment zu tun haben, genügt ihm nicht", so Atalan am Sonntag. Binali Yildirim, der neue Vorsitzende der AKP und damit designierter Ministerpräsident der Türkei, hätte bei seiner Wahl gesagt: "Das ist die Partei von Erdoğan."