Leben wir in einem "Corona-Staat"?
Seite 2: Corona-Maßnahmen und die Gewaltenteilung
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Die Außerkraftsetzung von Rechten veranlasst zahlreiche Kritiker eben dazu, von einer "Corona-Diktatur" oder einem "Ermächtigungsgesetz" zu reden. Auch hier argumentieren sie wieder abstrakt und leichtfertig und verbuchen die Realität der Demokratie als Verstoß gegen deren bzw. ihre Ideale. Dabei beschreiben z.B. die zitierten Nachdenkseiten den Zweck des neuen IfSG-Paragrafen eigentlich weitgehend korrekt:
Der §28b soll bis Ende Juni befristete Geltung haben (…). (In ihm ist) jede Sanktionsmaßnahme und jeder Verstoß exakt geregelt, d.h. dagegen kann nicht gerichtlich vorgegangen werden, da die exakte Ausführung bereits im Gesetz steht. (…) Auch die Judikative ist durch die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes ausgehebelt.
nachdenkseiten.de
"Ausgehebelt" ist allerdings das falsche Wort, was man schon daran sieht, dass sich die dritte Gewalt gar nicht beschwert, sondern bestätigt fühlt. Ihr obliegt es, die Maßnahmen des Gesetzgebers, der Regierung oder die von Behörden auf ihre Übereinstimmung mit der ökonomisch und politisch gegebenen Räson des Staats hin zu überprüfen, was Juristen berufsbedingt im beschränkten Blick auf die Rechtsförmigkeit tun.
Dessen Praxis im Fall von Corona erlebt Sternstunden und zeigt, dass die Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit dem Staatshandeln in aller Regel Legitimität bescheinigt und es damit absichert. Wenn aber ein Oberverwaltungsgericht z.B. befindet, dass Schuhläden und Buchgeschäfte infektionsrechtlich ungleich behandelt werden, müssen die zuständigen Instanzen entsprechend nachbessern. (So auch im aktuellen Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zur generationsgerechten Lastenteilung bei der Dekarbonisierung.)
Sollten Gesetzesinhalte als zu unbestimmt bemängelt werden oder sei das zu befürchten, sind wie im fraglichen §28b z.B. Mengen-, Flächen oder Zeitangaben einzufügen. Die Exekutive kann potenziellen Einsprüchen der Judikative also auch zuvorkommen und ihre Vorhaben wasserdicht machen.
Dann gibt Justitia erst einmal die Ruhe, die das Durchregieren braucht. Erst am Ende dieser demokratischen Logik steht der Versuch, eine störende Konkurrenz innerhalb der Gewaltenteilung formalrechtlich zu neutralisieren.
Sie dauerhaft auszuschalten, unterstellt einen Bruch in der Staatsräson, für den das "Ermächtigungsgesetz" von 1933 ein historischer Fall ist, um den es heute schlicht nicht geht. Eine aktuelle Form der Konkurrenz ist im deutschen Föderalismus zu beobachten, der nicht geschleift (s.o.), sondern einer "Lage von nationaler Tragweite" (IfSG) angepasst werden soll, was auch einem Landesfürsten einleuchten kann.
Lesen Sie morgen: "Corona-Staat“ – die Streitlage": Überlegungen zu dem, was die Gesellschaft „polarisiert“.
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