Legaler Drogenkonsum im Wandel: Weniger Alkohol, weniger Sorgen?
Deutsche trinken immer noch vergleichsweise viel Alkohol – aber der Konsum geht seit Jahren zurück. Doch es gibt andere beunruhigende Trends.
Im Vergleich mit anderen Staaten liegt Deutschland beim Alkoholkonsum immer noch weit vorn – obwohl der Konsum hier seit Jahrzehnten rückläufig ist. Darüber klagen mittlerweile auch Winzer und Brauereien.
Der schwere Kater der Brauereien: Ausblick in ungewisse Zeiten
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war der Bierabsatz im Jahr 2023 um 4,5 Prozent niedriger als im Vorjahr – was konkret bedeutet, dass 394,2 Millionen Liter weniger verkauft wurden. Demnach setzten die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager insgesamt "nur" rund 8,4 Milliarden Liter Bier ab.
2022 hatte es einen leichten Anstieg um 2,7 Prozent gegeben – allerdings nach zwei Corona-Jahren, in denen Volksfeste nicht oder nur eingeschränkt gefeiert worden waren. Mit dem Rückgang von 2023 setzte sich somit der Langzeit-Trend fort. In den Zahlen sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) eingeführtes Bier nicht enthalten.
Insgesamt ist der Alkoholkonsum pro Kopf in Deutschland zwischen 1980 und 2020 um ein Drittel gesunken.
Kamen die Einwohner und Einwohnerinnen ab 15 Jahren 1980 noch auf durchschnittlich 15,1 Liter Alkohol pro Kopf, betrug der Wert im Jahr 2020 im Durchschnitt nur noch zehn Liter Reinalkohol im Jahr.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
So viel Alkohol trinken Deutsche im internationalen Vergleich
Trotz dieser Entwicklung blieb Deutschland im internationalen Vergleich ein Hochkonsumland. Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) konsumierten Menschen ab 15 Jahren weltweit 2019 im Durchschnitt nur 5,8 Liter reinen Alkohol, die Deutschen aber fast doppelt soviel. Hier sind allerdings auch zahlreiche muslimische Länder inbegriffen.
Der Rückgang in Deutschland, den Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hier als positiven Langzeit-Trend sieht, betrachtet die Branche als Gefahr für ihr Geschäftsmodell.
Brauereien hoffen auf erhöhte Trinklaune durch Fußball-EM
"2023 war ein rabenschwarzes Jahr für die deutsche Brauwirtschaft", bilanzierte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele vor wenigen Tagen. "Die Konsumzurückhaltung der Verbraucher in Handel und Gastronomie schlägt auch auf die Brauereien voll durch."
Seine Hoffnung für die Branche: Von der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft könnten "Impulse" ausgehen. Ansonsten stünden die rund 1.500 Brauereien in Deutschland erneut vor einem schwierigen Jahr.
Koma-Saufen wurde kein Massenphänomen: Jugend trinkt weniger
Vor allem junge Menschen trinken seit einigen Jahren weniger Alkohol. Zwar wurde 2017 über einen gefährlichen Trend zum "Koma-Saufen" bei Jugendlichen berichtet, daraus entwickelte sich aber kein längerfristiges Massenphänomen.
Insgesamt ging laut einer Studie der BZgA im Zeitraum von 2001 bis 2021 sowohl in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen als auch bei den 18- bis 25-Jährigen deutlich zurück.
2001 hatten noch 87 Prozent der zwölf- bis 17-Jährigen angegeben, mindestens einmal in ihrem Leben Alkohol getrunken zu haben, 2021 waren es nur noch 57,5 Prozent.
Alkoholkonsum junger Erwachsener: Tiefstwert seit Messbeginn
In der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen sind es zwar immer noch mehr als 95 Prozent. "Regelmäßig" konsumieren aber nur 32 Prozent dieser Gruppe im Jahr 2021 Alkohol – 2001 hatten dies noch 38,9 Prozent angegeben, 2004 waren es sogar 43,6 Prozent.
Seitdem setzt sich aber der Langzeit-Trend seit "Messbeginn" der BZgA im Jahr 1973 fort, damals hatten 67,1 Prozent der jungen Erwachsenen dieser Altersgruppe "regelmäßigen" Alkoholkonsum angegeben. Der bisherige Höchststand wurde 1976 mit 70 Prozent festgestellt, zuletzt aber der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen.
Bei Studierenden könnte einer der Hintergründe die "Bologna-Reform" sein: Das Studium ist seither enger getaktet, der Leistungsdruck hat zugenommen. Für das alte Klischee vom feuchtfröhlichen Studentenleben bleibt in der Realität immer weniger Raum.
Allerdings verdoppelte sich der Anteil der junge Erwachsenen, die in den letzten 30 Tagen vor der jeweiligen Befragung die nun kurz vor der Legalisierung stehende Droge Cannabis konsumiert hatten, von 2001 bis 2021 von sechs auf zwölf Prozent.
Antidepressiva statt Alkohol?
In den letzten Jahren wurden allerdings auch immer mehr Studierenden Antidepressiva verordnet. . Das geht laut einem Bericht des Ärzteblatts aus dem Gesundheitsreport 2023 der Techniker Krankenkasse (TK) für Hamburg hervor.
Demnach ist der Anteil der Studierenden, die Antidepressiva auf Rezept erhalten, von 3,46 Prozent im Jahr 2019 auf fast fünf Prozent (genauer: 4,96 Prozent) im Jahr 2022 gestiegen. Als Gründe werden Zukunftsängste, Prüfungsdruck, finanzielle Sorgen und die Auswirkungen der Corona-Krise ausgemacht.
Laut Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit waren während der Corona-Krise vor allem Mädchen mehr Antidepressiva verordnet worden. Diese Medikamente sind nicht nebenwirkungsfrei: Je nach Art des Antidepressivums können Nebenwirkungen wie Übelkeit, Gewichtszunahme, Verstopfung oder Durchfall, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit oder auch Verlust der Libido auftreten.
Auch illegale Drogen auf dem Vormarsch
Über die Altersgruppen hinweg haben Zukunfts- und Existenzängste in den letzten Jahren laut Umfragen eher zu- als abgenommen. Hintergrund des sinkenden Alkoholkonsums könnte also durchaus sein, dass weniger gefeiert wird und die Sorgen mit anderen Substanzen bekämpft werden.
Hinzu kommen Hinweise auf einen rasanten Anstieg bei illegalen Drogen, auch solchen, die als leistungssteigernd gelten. Wie etwa Kokain. Das zumindest geht aus Abwasseranalysen in Großstädten wie Berlin hervor. Falls nicht große Mengen Kokain aus Angst vor Razzien dirent in Toilletten enttsorgt wurden, ist in Berlin von 2018 bis 2023 der Konsum um 58 Prozent gestiegen.
Auch Chrystal Meth breitet sich nach Daten der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) weiter aus.