Libyen: Mit brutalen Mitteln gegen radikale Islamisten
- Libyen: Mit brutalen Mitteln gegen radikale Islamisten
- "Islamisten wollen Normalisierung der Lage in Benghazi verhindern"
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Eine Hinrichtung als Vergeltungsaktion, ein Kriegsverbrecher in Diensten des General Haftar als "Held" - Einschätzungen zu den jüngsten Vorfällen in Benghazi
Der Anschlag auf die Bait Radwan Moschee in Benghazi (auch: Bengasi) vergangene Woche (siehe: Libyen: Kampfansage an Salafisten) hatte ein spektakuläres Nachspiel.
Einen Tag nach dem heimtückischen Anschlag, der über 40 Menschen das Leben kostete und, wie sich bald herausstellte, gegen die so genannten "Saiqa-Forces" gerichtet war, die mit der sogenannten "libyschen Nationalarmee" (LNA) von Haftar verbunden sind, wurde am Ort des Geschehens eine Hinrichtung durchgeführt, die gefilmt wurde.
Das Video ging dann schnell viral. Die Nachricht von der Vergeltung und von der Art der Vergeltung sollte sich über die sozialen Netzwerke rasch und möglichst weit verbreiten. Die Bilder zeigen den Kommandeur der al-Saiqa, Mahmoud al-Warfalli (auch Werfal(l)i geschrieben), der vor der Bait Radwan Moschee Gefangene exekutiert.
UN, EU und der Internationale Strafgerichtshof sind alarmiert
Die öffentlich durchgeführte Hinrichtung wurde dann bald nicht nur in Libyen, sondern auch in der EU und an höchster Stelle der UN bemerkt und sofort verurteilt: "UN Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich alarmiert" (Libya Herald). Der Sprecher der EU-Außenangelegenheiten ("External Action") forderte in einem offiziellen Statement zu den Hinrichtungen in Benghazi "alle Parteien in Libyen auf, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu kooperieren".
Eine Mitteilung der italienischen Vertretung in Libyen verurteilt den Anschlag wie auch die ihm folgende Vergeltungsaktion deutlich. Bekräftigt wird die Verurteilung der Aktion mit dem Verweis darauf, dass auch Frankreich und die USA eine solche Haltung einnehmen.
Das Schreiben - und darin liegt ein Politikum - macht noch einmal eigens darauf aufmerksam, dass der Mann, der Angaben nach 10 Personen als Vergeltung für den Anschlag auf die Moschee hinrichtete, Mahmoud al-Warfalli, mit einem Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird - übrigens wegen ganz ähnlicher Vergehen, nämlich Exekutionen.
Mahmoud al-Warfalli, "Henker" und "Held"
Die politische Brisanz liegt nun darin, dass Mahmoud al-Warfalli eng mit General Khalifa Haftar (auch: Chalifa Hafter) verbunden ist, der starke Mann im Osten Libyans, an dem sich ohnehin die Geister scheiden. Zumindest kann man sagen, dass Italien sehr viel stärker die offiziell anerkannte, über UN-Vermittlung zustande gekommene Einheitsregierung mit Sarraj (oder Sarradsch) an der Spitze unterstützt. Sarraj und Haftar sind Konkurrenten. Allgemein wird angenommen, dass Haftar bei den Wahlen, die für dieses Jahr angesetzt sind, als Gegenkandidat von Sarraj antreten wird.
Als sicher gilt, dass sich Haftar nicht mit einer Position begnügen wird, die ihn Sarraj unterordnen wird. Dass nun Mahmoud al-Warfalli erneut Schlagzeilen macht, wirft ein ungünstiges Licht auf Haftar, der Warfalli trotz internationalen Haftbefehl nicht ausliefert, so berichtet der Spiegel. Im Beitrag mit dem Titel "Der General und sein Henker", der vergangene Woche erschien, nutzte Autor Christoph Sydow erneut die Gelegenheit zu Seitenstichen Richtung Russland.
Der "Henker Warfalli" "ist die rechte Hand des prorussischen Generals Haftar", wird der Leser bereits in der Dachzeile informiert. Später wird erklärt, dass Haftar "vor allem Russland" hinter sich weiß.
"Vor allem" ist nicht ganz richtig, weil auch von Frankreichs Präsidenten Macron deutliche Unterstützungssignale für Haftar kamen und es auch zwischen den USA und Haftar mannigfaltige Beziehungen und Interessen gibt. Ganz eindeutig wird Haftar von Ägypten unterstützt.
Wie die russischen Beziehungen zu Haftar konkret aussehen, ist noch nicht ganz klar ersichtlich. Die russische Regierung achtet sehr darauf, hier nicht mit allzu deutlichen Signalen festzulegen. Allerdings ist ihr Interesse an Haftar offensichtlich - (siehe Libyen: Game-Changer Russland - danke ans Forum an dieser Stelle). Unübersehbar ist, dass Haftar im vergangenen Jahr Besuche in Moskau und Treffen mit ranghohen russischen Vertretern hatte. Aber damit ist er nicht der einzige Politiker, der mit dem Kreml in guter Beziehung stehen will, und Russland ist auch nicht das einzige Land, das ihn empfing. Haftar war zwei Mal in Italien.
Dass Hafter viel Unterstützung dafür bekommt, weil er gegen die radikalen Islamisten in Libyen vorgeht, wird von Christoph Sydow einer bestimmten Tradition der Wahrnehmung der Aktivitäten solcher Gruppierungen ("Die Islamisten sind Aleppos letzte Hoffnung") folgend, nicht herausgestellt, sondern eher versteckt erwähnt. Haftars "Mission" wird lediglich in einem Satz erwähnt, der dessen Härte betont: "Sein rücksichtsloser Krieg gegen militante Islamisten hat breiten Rückhalt im Volk."
Der Libyen-Experte Wolfgang Pusztai, früher Österreichs Militärattaché in der Region, nun Sicherheitsanalyst, schickte Telepolis seine Einschätzung zu den jüngsten schlagzeilenträchtigen Ereignissen in Libyen. Sie blättert die Hintergründe um einiges genauer auf.