Lieber Unternehmen zusperren als Kinder einsperren
Seite 3: Viele Gründe für Vermögensteuern in der Corona-Krise
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Vermögensteuern sind dafür prädestiniert, Geld einzusammeln und damit Schulden glattzustellen. Schließlich ist in unserem Geldsystem die Summe der Schulden so groß wie die Summe der Geldvermögen und es gilt: Keine Vermögen ohne Schulden. Weil die privaten Haushalte in Deutschland unter’m Strich gigantische Nettogeldvermögen besitzen, sind unter’m Strich die Unternehmen, der Staat und das Ausland gegenüber den Haushalten verschuldet. Wer Verschuldung reduzieren will muss Vermögen reduzieren.
Geboten ist so eine Steuer natürlich auch aufgrund der himmelschreienden Vermögensungleichheit: Die wohlhabendsten 10 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über 67 Prozent der Gesamtvermögen, die ärmere Hälfte lediglich über 1,3 Prozent.
Mit einer Vermögensteuer, die mit einem geringen Steuersatz von einem Prozent beginnt, progressiv zunimmt und ab einem Vermögen von 50 Millionen Euro fünf Prozent betragen würde, ließen sich bis zu 58 Milliarden Euro zusätzliche jährliche Einnahmen generieren.3
Bei der Rechnung sind angemessene Freibeträge von privaten (Netto-)vermögen von einer Mio. Euro sowie Betriebsvermögen bzw. -beteiligungen von fünf Mio. Euro berücksichtigt. Natürlich ließen sich mit einer Vermögensteuer auch fiskalpolitische Spielräume erweitern. Die Pandemie als Kostentreiber ist deshalb ein naheliegender Anlass, die in Deutschland besonders mickrigen Vermögensteuern (Anteil an den Steuereinnahmen: 2,6 Prozent, Frankreich: 8,9 Prozent, USA: 12,2 Prozent) deutlich auszuweiten.
Die Größenordnung für die Kosten eines Shutdowns der Wirtschaft lässt sich aus der Zahl der zu unterstützenden Menschen und deren Bedarf abschätzen. Wenn zum Beispiel 70 Prozent der Bevölkerung geholfen werden soll und fast alle Menschen und Unternehmen von fast allen Verpflichtungen (Mieten, Leasing, Kredite, ...) befreit sind, werden 1.000 Euro pro Person und Monat im Durchschnitt ausreichen4.
Das Geld wird entsprechend der individuellen Bedarfe über unterschiedliche Kanäle ausbezahlt (Kinderbonus, Kurzarbeitergeld, Rentenzahlungen, Direkthilfen, ...). Bei 55 Mio. Hilfeempfängern belaufen sich die Kosten auf 55 Milliarden Euro pro Monat, bzw. 110 Milliarden Euro für einen zweimonatigen Shutdown. Die Zahl erscheint angesichts der Rettungspakete des Jahres 2020 nicht sonderlich groß; es fallen aber noch einige weitere Kosten an, z.B. aufgrund von Einnahmeausfällen der Sozialversicherungen und von Steuerausfällen.
Ein Shutdown der nicht lebensnotwendigen und für kurze Zeit verzichtbaren Industrie bedeutet eine geringere Produktion; jene muss nicht "finanziert", sondern gewünscht und durchgesetzt werden. Weil dann viele Menschen kein Einkommen beziehen, wird dieses von der öffentlichen Hand bezahlt, was nichts weiter als der "Erlaubnis" in der Gesellschaft ohne Geld entspricht, in Lebensmittelgeschäfte zu gehen und sich zu nehmen, was man benötigt.
Vermögenssteuer würde Akzeptanz für Maßnahmen steigern
Gerade bei einem europaweit koordinierten Vorgehen unter Zuhilfenahme der EZB und eines Shutdowns der Zahlungsverpflichtungen sowie der Nutzung aller herkömmlichen Finanzierungswege und einer neu zu schaffenden Vermögensteuer, wäre die Finanzierung eines Shutdowns weiter Teile der Industrie leicht möglich.
Ein weiterer Aspekt drängt sich auf: Wenn mithilfe einer Vermögensteuer Geld unmittelbar an die von ihrer Erwerbsarbeit abhängige Bevölkerung umverteilt wird, wären die durchaus ätzenden Maßnahmen während der Pandemie ein Stück weit leichter zu akzeptieren – weil die Pandemie für ein positives Projekt genutzt würde: Zur Herstellung von mehr Gerechtigkeit.
Erst ein Bewusstsein über die fiskalische Potenz des Staates ermöglicht den Mut, in einer Pandemie alle Optionen mitzudenken und damit auch einen weitgehenden Shutdown des produzierenden Gewerbes einschließlich des Baus sowie der nicht via Home-Office zu bewältigenden Dienstleistungen. Hier wäre Stillstand ein Fortschritt, der es ermöglicht, zur Minimierung sozialer und psychischer Schäden ausgewählte Schulen, Hilfe- und Freizeiteinrichtungen offen zu halten und ein Minimum an Kontakten zu ermöglichen, damit Kinder und Jugendliche nicht nur noch vor Bildschirmen existieren, eine gewisse Beziehungspflege zwischen den Menschen möglich bleibt und das Virus trotzdem zurückgedrängt wird.
Das alles ist allemal nötiger als die Produktion von Kfz oder die termingerechte Fertigstellung neuer Gewerbegebiete. In welchen Bereichen unserer Gesellschaft wir Kontakte reduzieren ist keine Finanzierbarkeits- sondern eine Machtfrage, in Coronazeiten folgendermaßen formulierbar: Lieber Unternehmen zusperren oder Kinder einsperren?
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