Lieferkettengesetz: Mehr Menschenrechte ins Geschäft

Wie der Staat versucht, Bedingungen für die Nutzung von Mensch und Natur in der ganzen Welt zu schaffen

Ende Februar hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nach der Einigung in der Koalition den Referentenentwurf für ein Lieferkettengesetz vorgelegt. Mit dem Namen " Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten" oder "Sorgfaltspflichtengesetz" haben sich die ministerialen Beamten einen besonders moralisch klingenden Namen ausgedacht.

Das Gesetz, das bislang nur als ein Referentenentwurf existiert, der noch vom Parlament gebilligt werden muss, wird voraussichtlich noch einige Veränderungen erfahren. Die Sorgfalt, die mittels dieses Gesetzes den Unternehmen auferlegt werden soll, gilt der Beachtung der Menschenrechte in der gesamten Lieferkette. Diese Sorgfalt ergibt sich aus der weltweiten Verantwortung, die sich die Bundesregierung ziemlich unbescheiden zuschreibt.

Deutschland übernimmt wieder ein Stück weltweite Verantwortung

Deutschland steht aufgrund der hohen internationalen Verflechtung seiner volkswirtschaftlich bedeutenden Branchen in einer besonderen Verantwortung. Die zunehmende Integration deutscher Unternehmen in globale Beschaffungs- und Absatzmärkte bietet dabei Chancen und Herausforderungen zugleich: neue Märkte und Produktionsstätten werden erschlossen und so Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen.

Referentenentwurf vom 28.2.2021, Begründung

Wie so eine internationale Verflechtung zustande kommt, könnte einem schon zu denken geben, schließlich fällt sie ja nicht vom Himmel. Die deutsche Wirtschafts- und Außenpolitik hat einiges in Verbindung mit ihren Verbündeten in Europa und den USA dafür getan, dass der deutschen Wirtschaft weltweit alle Märkte und damit auch Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. So können deutsche Unternehmen die ganze Welt mit wenigen Ausnahmen als Produktionsstandorte, Lieferanten oder Absatzmärkte für sich nutzen.

Weil die deutsche Politik dies geschafft hat, erklärt sie sich auch gleich für zuständig, die Bedingungen der Nutzung von Mensch und Natur in der ganzen Welt mit zu bestimmen, denn nichts anderes ist mit der Betonung der eigenen Verantwortung ausgedrückt.

Der Zugriff auf die ganze Welt sorgt für Arbeitsplätze und Wohlstand – das ist nicht von der Hand zu weisen. Denn Arbeitsplätze werden in allen möglichen Gegenden der Welt geschaffen, weil sich die Nutzung der Billigkeit der dortigen Menschen für hiesige Unternehmen lohnt. Dass dabei hier Arbeitsplätze verschwinden, weil die Nutzung des hiesigen Menschenmaterials sich vielfach nicht rechnet, fällt dabei unter den Tisch.

Dabei müssen deutsche Unternehmen sich noch nicht einmal die Mühe machen, Produktionsstätten im Ausland zu schaffen. Sie können Aufträge an dortige Firmen vergeben, wobei sie von ihren Lieferanten fordern können, wie sie zu produzieren haben und mit welcher Qualität. Sie sind auf Grund der Menge der Lieferung in der Lage, ihren Lieferanten die Preise zu diktieren.

Oder sie lassen im Rahmen einer Ausschreibung ihre möglichen Lieferanten um billige Preiszusagen konkurrieren. Dass die Zulieferer ihrerseits den Preisdruck an ihre Zulieferer weitergeben, stellt sicher, dass am Ende der Kette Arbeitskräfte intensiv und extensiv ausgebeutet werden.

Eine solche Produktion kann weder auf die Gesundheit der dort Beschäftigten noch auf die Umwelt Rücksicht nehmen. Gerade die oft staatlich erlaubten Freiheiten in Sachen Benutzung von Mensch und Natur zeichnen solche Standorte aus. Sie sind das Resultat der Öffnung der Märkte, für die sich die Politiker hierzulande loben.

Dass durch diese Politik Wohlstand geschaffen wird, ist auch richtig, nur bei wem? Politiker und Unternehmer sehen sich als Wohltäter für die Menschheit weltweit. Dabei stellt sich der Wohlstand vorzugsweise bei denen ein, die dieses Werk in die Welt gesetzt haben. Der Reichtum sammelt sich eben bei den Unternehmen hierzulande, während die Länder, in denen vorzugsweise die billigen Arbeitskräfte mit einem Hungerlohn abgespeist werden, als Entwicklungsländer gehandelt werden, also Armenhäuser sind und so auch bleiben.

Als ihr Werk sollen die Zustände in den Zuliefererländern allerdings nicht dastehen. Vielmehr verdanken sie sich angeblich der Vernachlässigung der Pflichten von Staaten und Unternehmen, die eingegangene internationale Verpflichtungen zu wenig einhalten. Deshalb sieht sich Deutschland gefordert, diesen mehr Nachdruck zu verleihen.

Das hohe Gut Menschenrechte

Die Pflicht, die Menschenrechte des Einzelnen zu achten, zu schützen und einzuhalten, liegt bei den Staaten. Die Verantwortung von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte besteht unabhängig von der Fähigkeit oder Bereitschaft der Staaten, ihrer Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen. Macht der innerstaatliche Kontext es unmöglich, dieser Verantwortung uneingeschränkt nachzukommen, ist von Unternehmen zu erwarten, dass sie die Grundsätze der international anerkannten Menschenrechte achten, soweit es in Anbetracht der Umstände möglich ist.

Referentenentwurf vom 28.2.2021, Begründung

Woher der Handlungsdruck für deutsche Politiker kommt, ist nach den obigen Ausführungen nur schwer nachzuvollziehen. Einerseits sind die Menschenrechte international anerkannt, andrerseits machen die Ausführungen deutlich, dass es mit dieser Anerkennung nicht so weit her ist.

Überhaupt ist die Sache mit den Menschenrechten ein völlig widersprüchliches Ding. Jeder Mensch soll diese Rechte von Natur aus haben und unveräußerlich sein, andrerseits ist dieses Ding ständig bedroht und kann ohne Schutz von Staaten nicht auskommen. Mit der internationalen Anerkennung der Menschenrechte stimmt es soweit, dass alle Staaten im Rahmen der UN diese Vereinbarung unterschrieben haben.

Trotzdem soll es mit der Gültigkeit nicht so weit her sein, wenn es darüber zum Streit zwischen Staaten kommt. Bedroht sind diese unveräußerlichen Rechte, zu deren Schutz Staaten berufen sind, vor allem durch Staaten – wie zum Beispiel die USA, die das in der Menschenrechtscharta geschriebene Folterverbot missachten. Nimmt man die Menschenrechte dem Inhalt nach, so handelt es sich bei ihnen um Selbstverpflichtungen der Staaten im Umgang mit ihren Bürgern, denen gegenüber sie Achtung der Person, der Gesundheit, Freiheit etc. versprechen.

Dieses Versprechen interpretieren die Machthaber allerdings sehr unterschiedlich, und sie verfügen über die Macht, ihrer Interpretation Geltung zu verschaffen. Was alle eint, ist ihre Selbstdarstellung. Alle wollen sich als Ausdruck der Menschennatur ihrer Bürger verstehen und ihren Gewalteinsatz als Dienst an ihnen.

Insofern sind die Menschenrechte die Ideologie der modernen Staaten, die sich überwiegend nicht mehr auf den lieben Gott berufen, wie zu Feudalzeiten. Das schließt allerdings den Gottesbezug nicht aus, wie es die islamischen Staaten oder der jüdische Staat praktizieren. Auch deutsche Politiker lieben das Kreuz in Schulen und Amtsstuben weiterhin.

Da alle Staaten die Menschenrechtscharta unterschrieben haben, bietet dies Staaten wie Deutschland die Möglichkeit, diese als Rechtstitel zur Einmischung in andere Staaten zu nutzen. Dabei ist nicht die Situation der Behandlung der Menschen im Lande der Maßstab der Einmischung, sondern wie sich der Staat zu den Interessen Deutschlands verhält.

Ein Land wie Belarus, das sich deutschem Einfluss verweigert, gegen das sind Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen angebracht. Gegenüber Ägypten, dessen Herrscher eine gewählte Regierung weggeputscht hat und dessen Kritiker eingesperrt werden, ist dies nicht opportun und er hält Rüstungslieferungen, sichert er doch deutschen Einfluss in Nahost und Nordafrika.

Mit dem Sorgfaltspflichtengesetz geht es also nicht darum, ob es den Arbeitnehmern im Rahmen der Lieferkette gut oder schlecht geht, sondern es geht darum, wie es mit ihren Menschenrechten bestellt ist.

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