Linke-Vorstand bricht mit Wagenknecht – gründet sie jetzt ihre eigene Partei?

Die Vorstandsmehrheit will Sahra Wagenknecht loswerden. Doch sie hat einige Fürsprecherinnen und Fürsprecher. Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Die Ex-Fraktionschefin denkt schon länger über eine Ausgründung nach. Der Vorstand verlangt nun die Rückgabe ihres Bundestagsmandats – was die aktuelle Fraktionschefin dazu sagt.

Der Vorstand der Partei Die Linke hat sich von der Bundestagsabgeordneten und Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht losgesagt und sie zur Rückgabe ihres Mandats aufgefordert. "Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht", heißt es in einem Beschluss, den der Parteivorstand an diesem Wochenende in Berlin gefasst hat.

Hintergrund ist, dass die Ex-Fraktionschefin seit längerem darüber nachdenkt, eine eigene Partei zu gründen, häufig bei Parlamentssitzungen fehlt und stattdessen als Bestsellerautorin unterwegs ist, deren Bücher zum Teil als drastische Kritik an ihrer eigenen Partei gelesen werden können. Hinzu kamen Interviews und Talkshows, in denen sie Positionen äußerte, die sich zum Teil deutlich vom Parteiprogramm unterschieden – unter anderem zum Thema Flucht und Migration.

Mutmaßliches Ultimatum lief am Freitag aus

Dafür war sie von der Parteiführung wiederholt scharf kritisiert worden – zuletzt hatte es Berichte über ein "Ultimatum" an Wagenknecht gegeben, das nach Informationen der taz am Freitag auslief: Sinngemäß hieß es, sie solle sich bis zum 9. Juni äußern, ob sie in der Partei bleiben oder ein eigenes politisches Projekt gründen wolle. Auf der Vorstandssitzung am 10. Juni sollte demnach über Konsequenzen ihrer Antwort oder Nichtantwort beraten. Die Parteispitze hatte dies aber zunächst dementiert.

Unabhängig vom Prozedere an den Vortagen will der Parteivorstand nun offenbar Konsequenzen aus der Auseinandersetzung der letzten Monate und Jahre ziehen. Die Bundestagsfraktion und die Basis sind aber diesbezüglich gespalten.

Unter anderem die jetzige Ko-Chefin der Bundestagsfraktion, Amira Mohamed Ali, kritisiert das Vorgehen der Parteiführung. "Ich halte den heutigen Beschluss des Parteivorstandes von Die Linke für einen großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt", schrieb sie am Samstag auf Twitter.

"Wir haben unseren Wählerinnen und Wählern und all den Menschen gegenüber, die ohne uns keine Stimme haben, eine wichtige Aufgabe. Vorstandsbeschlüsse gegen eigene Mitglieder zu fällen und öffentlich breitzutreten, gehört nicht dazu!"

Wagenknecht hatte erst am Freitag bekräftigt, dass sie bis zum Jahresende über ihre Zukunft in der Linken und eine mögliche Parteigründung entscheiden will. Monate zuvor hatte sie bereits erklärt, sie werde nicht mehr für die Linke kandidieren.

Angeblich gute Wahlchancen für bisher fiktive Wagenknecht-Partei

Hintergrund ist nicht zuletzt, dass einer Partei mit Wagenknecht an der Spitze in Umfragen gute Wahlchancen eingeräumt werden – rund 19 Prozent könnten sich vorstellen, einer solchen Partei ihre Stimme zu geben, ergab eine im März veröffentlichte Erhebung für das Nachrichtenmagazin Focus. Gut 24 Prozent antworteten zuletzt auf die entsprechende Frage des Markt- und Meinungsforschungsunternehmens Civey mit "Ja" (15,6 Prozent) oder "Eher ja" (8,5 Prozent).

Im Interview mit der Welt vor wenigen Tagen hatte Wagenknecht eine Parteigründung zumindest nicht ausgeschlossen. Im Vorstandsbeschluss der Noch-Partei von Wagenknecht heißt es nun:

Es ist ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben.

Aus dem Beschluss des Vorstands der Partei Die Linke

Es sei nicht akzeptabel, dass Ressourcen aus Mandaten, die für die Linke gewonnen worden seien, für den Aufbau einer Konkurrenzpartei genutzt würden. Eine Stellungnahme von Wagenknecht gab es zu dem Beschluss zunächst nicht.