Linker "Realo" an der Spitze des Bundesrats

Bodo Ramelow ist nicht die "rote Socke", für die ihn CDU-Rechtsaußenpolitiker halten. Schade finden das manche seiner Parteifreunde. Foto: DiG / TRIALON / CC-BY-3.0

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow übernimmt den Vorsitz der Länderkammer

Bodo Ramelow darf wohl als erfolgreichster "Realo" der Partei Die Linke gelten. 2014 wurde er in Thüringen zum ersten und bis heute einzigen Ministerpräsidenten mit diesem Parteibuch gewählt - heute übernimmt er als solcher auch das Amt des Bundesratspräsidenten. Das steht ihm turnusmäßig zu, da jedes Bundesland alle 16 Jahre für ein Jahr den Vorsitz der Länderkammer bekommt, die einigen wesentlichen Bundesgesetzen zustimmen muss, bevor sie in Kraft treten können.

Aber ist der gebürtige Niedersachse staatstragend genug, um diese Rolle auszufüllen? - Ja, sagen einige seiner Parteifreunde, die das nicht unbedingt positiv meinen. Kritik musste er unter anderem einstecken, als er 2015 einen weiteren Winter-Abschiebestopp in Thüringen verweigerte. Allerdings bekam er im Gegensatz zu seiner Genossin Sahra Wagenknecht, die offene Grenzen als weltfremde Forderung bezeichnet, keine Torte ins Gesicht. Er wurde auch nicht in Meinungsartikeln der linken Tageszeitung Neues Deutschland als "nationalsozial" bezeichnet.

Als "Praktiker" der viel kritisierten Abschiebepolitik wurde Ramelow an der Spitze der "rot-rot-grünen" Thüringer Landesregierung weit weniger als Rassist gelabelt, während die damalige Ko-Chefin der Bundestagsfraktion häufig dergleichen zu hören und zu lesen bekam. In ihrem Fall wurde die Auseinandersetzung sehr persönlich.

Im Fall Ramelows wurde eher die opportunistische Logik der "Sachzwänge" kritisiert, die linke Regierungsverantwortung mit sich bringt, wenn sich die Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht ändern und keine starken sozialen Bewegungen Druck machen. Wirkliche Veränderung sei nur durch eine breit getragene und unterstützte Verschiebung der Kräfteverhältnisse möglich, schrieb etwa Nils Böhlke in einer Zwischenbilanz für das Netzwerk "Marx21". Aus einer "staatstragenden Position des 'Landesvaters'" werde diese Verschiebung aber nicht gelingen.

Für den rechten Flügel der CDU ist dagegen selbst Ramelow eine gefährliche rote Socke, deren zweite Amtszeit als Thüringer Ministerpräsident notfalls auch mit den Stimmen der AfD hätte verhindert werden müssen. "Hauptsache, die Sozialisten sind weg", begründete der CDU-Politiker und Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Februar 2020 seine Unterstützung für das Manöver, den FDP-Mann Thomas Kemmerich mit CDU- und AfD-Stimmen zum Landesvater wählen zu lassen.

Das Vorhaben scheiterte nicht zuletzt am Entsetzen der bürgerlichen Demokraten in Maaßens Partei, die sich von der Thüringer Landtagsfraktion distanzierten. Kemmerich trat angesichts des fehlenden Rückhalts im bürgerlichen Lager nach nur drei Tagen zerknirscht zurück.

Keine Alternative zum neoliberalen "Weiter so"

Ramelow wiederum gab sich in diesem Jahr umso staatstragender, als es darum ging, ob Die Linke wieder eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufstellen solle. Ramelow hält das für überflüssig, denn aus seiner Sicht hat der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) "das Land in der schwierigen Phase der Pandemie gut geführt", wie der Linke-Politiker im Mai im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte. "Eine solche Persönlichkeit können wir gerade auch in der Zeit nach der Pandemie, wenn wir einiges aufarbeiten müssen, gut gebrauchen."

Abgesprochen hatte Ramelow dies mit den zuständigen Parteigremien offenbar nicht. Sonderlich beliebt ist Steinmeier unter Linken schon deshalb nicht, weil er während der Kanzlerschaft seines Parteifreundes Gerhard Schröder maßgeblich an den "Arbeitsmarkt- und Sozialreformen" der Agenda 2010 mitgewirkt hat. Aufgrund dieses "Verarmungsprogramms" waren etliche Sozialdemokraten aus der SPD ausgetreten und hatten sich der Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG) angeschlossen, die sich 2007 mit der PDS zur Partei Die Linke vereinigte.

Steinmeiers Name ist dagegen mit dem Mantra der Alternativlosigkeit der Hartz-IV-Gesetze verbunden. Auch seine Rolle als Kanzleramtschef und Außenminister im Fall Murat Kurnaz in den Jahren 2002 bis 2006 ist nicht vollständig vergessen, zumal Steinmeier bisher nicht bereit war, sich bei dem in Bremen geborenen türkischen Staatsbürger zu entschuldigen. Kurnaz hatte diesen Zeitraum im US-Gefangenenlager Guantanamo verbracht und war dort gefoltert worden, während Steinmeier sich für dessen Überführung hätte aussprechen können.

Dennoch hatten bei der letzten Bundespräsidentenwahl 2017 sowohl die Parteien der Großen Koalition als auch FDP und Grüne für Steinmeier geworben. Die Linke hatte damals klargestellt: "Demokratie lebt von Alternativen". Und deshalb hatte sie den Armutsforscher Christoph Butterwegge, einen profilierten Kritiker der Agenda 2010 als eigenen Kandidaten aufgestellt. In der Bundesversammlung erzielte er trotz der Übermacht der Wahlempfehlung von vier im Bundestag vertretenen Parteien immerhin einen Achtungserfolg von 10,2 Prozent. Das gleiche Ergebnis hatte 2012 die engagierte Antifaschistin und Journalistin Beate Klarsfeld als Kandidatin der Linken erzielt.

Von dieser Tradition des Angebots einer linken Alternative scheint Ramelow nun nicht mehr viel zu halten. Stattdessen unterstützt das Modell eines vermeintlichen ideellen Gesamtdemokraten, der letztendlich für ein neoliberales "Weiter so" steht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.