Lola rätselt

War das Unwetter beim Leuchtturm nur ein Traum?

"Life is Strange" von Square Enix für PC, PS3/4, Xbox 360/One

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Episodische Spiele erfreuen sich gerade bei Adventures dank Telltale Games ("The Walking Dead", "Tales of Monkey Island") inzwischen einer großen Beliebtheit. Dabei erscheinen die Kapitel wie die Folgen einer Fernsehserie zeitlich versetzt- üblicherweise im ein-bis-zwei-Monatstakt. "Life is Strange" von Square Enix wird insgesamt fünf Teile haben, von denen der erste Ende Januar erschienen ist. Im Fokus steht dabei die Manipulation der Zeit und der Schmetterlingseffekt: Kleine Ereignisse im Jetzt können oft unerwartete Auswirkungen auf die Zukunft haben.

Maxine Caulfield ist ein völlig normales Mädchen an einer völlig normalen High School. Sie ist ruhig, fast introvertiert und eine begeisterte und talentierte Fotografin. Der Spieler lernt sie in einer bedrohlichen Situation kennen, in der sie an einem Leuchtturm einen Wirbelsturm erlebt. Im nächsten Moment sitzt sie jedoch im Kunst-Seminar an der High School. Offensichtlich hat sie nur geträumt.

Allerdings bemerkt Max, dass sie die Fähigkeit hat, die Zeit zurück zu spulen. Das nutzt sie gleich im Seminarraum: Als sie eine Frage nicht beantworten kann, meldet sich ihre arrogante Kommilitonin Victoria mit der Lösung. Daraufhin dreht Max kurzerhand die Zeit zurück und kann nun selbst mit der richtigen Antwort glänzen.

Im Anschluss an das Seminar wird sie unfreiwillig Zeugin eines Schusses auf der Toilette, bei der eine Bekannte von ihr stirbt. Das ist quasi ein "Lola-rennt"-Moment: Wie Lola in Tom Tyckwers Film das Geschehene ändern will, indem sie das Erlebte anders angeht, spult auch Max die Zeit zurück, um den tödlichen Schuss zu verhindern.

Max rettet Chloe, indem sie die Zeit zurück spult

Der Schmetterlingseffekt steht in dieser Szene bildlich im Fokus: Die Gelegenheit ergibt sich durch einen Schmetterling, der durchs Toilettenfenster fliegt. Die ersten Zeitmanipulationen sind für die Story unabdingbar. Im weiteren Verlauf des Spiels muss der Spieler aber - ähnlich wie in Telltale Games Serien "The Walking Dead" (vgl.: Kopfspiele) und Game of Thrones - Entscheidungen treffen, die unvorhersehbare Konsequenzen für die weitere Geschichte haben. Soll sie dem Rektor von dem Vorfall in der Toilette erzählen? Soll sie eine Petition gegen Überwachungskameras auf dem Schulgelände unterschreiben? Soll sie einschreiten, als der Wachmann ihre Kommilitonin bedrängt oder lieber stattdessen ein Beweisfoto machen?

Meist sind es moralische, gelegentlich auch strategische Entscheidungen. Es geht nie um richtig oder falsch, sondern um unterschiedliche Ansichten - und damit verbundene Konsequenzen, die sich voraussichtlich bis ins Ende der fünf Kapitel ziehen.

Dank der Zeitmanipulation darf der Spieler seine getroffene Entscheidung ändern. Das Zurückspulen funktioniert allerdings nur innerhalb des aktuellen Abschnitts. Der Spieler kann also beispielsweise nicht beim Gespräch mit dem Rektor noch einmal vor den verhinderten Mord springen.

Vereinzelt benötigt Max ihre Fähigkeit für Rätsel. Wenn beispielsweise ein Schlüssel unerreichbar unter einen Schrank fällt, kann sie die Zeit zurück drehen, um dann vor dem Herunterfallen ein Stück Pappe unter die Möbel zu schieben. Zudem ist das Zurückspulen natürlich die perfekte Möglichkeit jegliche Spuren zu verwischen: Wenn Maxine einen Schrank im zweiten Anlauf gar nicht öffnet, wird nie jemand merken, dass sie in einer anderen Zeitebene darin gewühlt hat.

Zum Glück haben die Entwickler vom französischen Studio Dontnod Entertainment ("Remember Me") die Zeitmanipulation maßvoll eingesetzt. Oft bleibt es dem Spieler überlassen, ob er überhaupt das Geschehene ändern will. Auf diese Weise bleibt das Element während des gesamten ersten Kapitels interessant.

Die Figuren sind stereotypisch

Leider entfaltet sich die Geschichte anfangs langatmig. Vor allem steckt sie voller Klischees und die Charaktere sind fast durchweg langweilige Stereotypen, denen es an Persönlichkeit mangelt. Schwache englische Sprecher - eine deutsche Fassung ist derzeit nicht vorgesehen - verstärken diesen Eindruck noch. Das macht es dem Spieler schwer, einen Bezug zu ihnen aufzubauen. Die einzige Ausnahme ist die Protagonistin: Max entwickelt sich bereits im ersten Kapitel - nicht zuletzt durch die Entscheidungen des Spielers. Dazu passt der Titel des ersten Teils "Chrysalis": Der Ausdruck bezeichnet einen Schmetterling in der Metamorphose.

Gegen Ende der ersten Folge bekommt die Story zum Glück die Kurve und wird deutlich spannender. Das Setting ist interessanter als die Geschichte: Die einzelnen Schauplätze sind durchweg gut gestaltet und geben dem Spieler viele Details zu entdecken. Aktionen wie das Hinsetzen auf eine Schaukel lösen zudem Erinnerungssequenz aus, die für die Story nicht notwendig sind, aber mehr über die Vergangenheit erzählen.

Kindheitserinnerungen auf der Schaukel

Ein atmosphärisches Highlight ist der Soundtrack, der eine passende melancholische Stimmung aufbaut und gut zum ruhigen Spieltempo passt. Dabei ist die Musik ins Geschehen eingebaut. Statt dauernd im Hintergrund zu dudeln, startet sie beispielsweise, wenn Maxine eine CD einlegt oder zur Gitarre greift.

Der Soundtrack ist Teil der Handlung

Die Spielzeit ist erwartungsgemäß recht kurz und liegt mit etwa zwei bis drei Stunden auf dem Niveau der Telltale-Spiele. Der Vergleich mit diesen liegt nahe - alleine aufgrund der episodischen Natur und den Spielerentscheidungen, die das weitere Geschehen beeinflussen.

"Life is Strange" ist trotz der Gemeinsamkeiten kein Abklatsch, sondern bringt genügend eigene Ideen mit. Die Manipulation der Zeit ist originell und die Integration ins Geschehen gut gelungen. Leider stören die vielen Klischees und die Story kommt anfangs mühsam in Fahrt. Auch gibt es zu wenige und auch nur sehr einfache Rätsel.

Fotografieren ist Maxines Lebensinhalt

Dennoch macht es Spaß, die Schauplätze und Maxines Hintergründe zu erkunden. Das ruhige Tempo steht im starken Gegensatz zu beispielsweise "Game of Thrones" von Telltale Games, bei dem schon die ersten fünfzehn Spielminuten eine einzige Achterbahnfahrt im Wechsel zwischen Kämpfen und schnellen Dialogen sind.

Das erste Kapitel von "Life is Strange" macht jedenfalls Lust auf mehr. Hoffentlich gelingt es der Fortsetzung, die Spannung weiterzuführen, die sich am Ende des ersten Teils aufgebaut hat.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.