Long Covid: Das Leiden der Anderen
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Symptomchaos und Stigmatisierung – Betroffene landen in der therapeutischen Sackgasse. Eine interdisziplinäre Strategie tut not. Welche Rolle spielt die Impfung? Teil 1.
Long Covid, von manchen als "stille Pandemie" angesehen, verläuft parallel zur Covid-19- Pandemie.
Harvard Medical School (HMS), 8. November 2022
Und es trifft nicht wenige. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt eine Spanne von zehn bis 20 Prozent der Covid-19-Erkrankten; eine AOK-Studie kommt auf zehn Prozent. Die US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (Centers for Disease Control and Prevention) gehen einem Artikel der Harvard Medical School (HMS) zufolge von 20 Prozent aus. Unter den Betroffenen sind auch Infizierte mit milden Verläufen.
Es sind wahre Schauergeschichten, die von Betroffenen erzählt werden. Von Schwindel, Schmerzen, Herzattacken, bleierner Müdigkeit, kognitiven Ausfällen (Brain Fog) bis hin zur kompletten Unfähigkeit, den Alltag zu bewältigen, reichen die Beschwerden.
Eine 39-jährige Grundschullehrerin aus Mittelfranken schildert ihren Zustand:
Vor meiner COVID-Erkrankung war ich ein gesunder Mensch. Ich war dreimal in der Woche joggen und leidenschaftliche Fahrradfahrerin. Auch mich hat COVID plötzlich aus meinem Leben gerissen. Die überwiegende Zeit lag ich im Bett und konnte nicht mal lesen.
Wirrwarr der Symptome
Die Website des Klinikverbundes Oberberg (Nordrhein-Westfalen) listet 19 der häufigsten Phänomene in Verbindung mit Long Covid auf, darunter Fatigue (ständige, starke Müdigkeit); eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Störungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Eine jüngere Studie der University of Birmingham kommt sogar auf 62 Symptome von Long Covid.
Einerseits gut, wenn Symptome – wie hier geschehen – wacker notiert werden, andererseits bringt es nicht allzu viel ohne Marker, mittels derer die Krankheitszeichen einzuordnen wären. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nannte das Problem zuletzt treffend "babylonische Symptomverwirrung".
Long Covid: Ein Wahrnehmungsproblem
Allein das Chronische Fatigue Syndrom (CFS) kommt mit Dutzenden unterschiedlichen Symptomen daher, bei Long Covid insgesamt gehen die Schätzungen auf bis zu 200. Scheinbar unmöglich, darauf eine plausible Therapie aufzubauen.
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen, das Betroffenen zu schaffen macht: Sie werden als überempfindlich oder "wehleidig" abgetan – und im Zweifel als psychosomatische Fälle abgestempelt. Die Medizinerin Uta Merle, Chefin der Long-COVID-Spezialambulanz am Universitätsklinikum Heidelberg, schildert das so:
Die Erkrankten leiden (…) nicht nur an den Symptomen selbst, sondern auch darunter, wie manche Menschen sie wahrnehmen.
Uta Merle, Leiterin der Long- COVID-Spezialambulanz am Universitätsklinikum Heidelberg
Betroffene wehren sich gegen die Stigmatisierung und Psychologisierung – und enden dennoch regelmäßig in der Außenseiterrolle samt kompletter Ratlosigkeit.
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