Luftangriffe in Syrien: USA dokumentieren ihren Willen, sich festzusetzen
- Luftangriffe in Syrien: USA dokumentieren ihren Willen, sich festzusetzen
- Im Mittelpunkt: Die Haltung der YPG zu den USA
- Auf einer Seite lesen
Deir ez-Zor: Ziel waren verbündete Milizen der Regierung Assad. Es geht um die Kontrolle großer Ölfelder und um den Machtpoker bei der Neuordnung des Landes nach dem Fall des Kalifats
Der Krieg in Syrien dreht weiter hoch. Die USA untermauerten gestern ihre Präsenz und ihren Anspruch in Syrien mit einer deutlichen kriegerischen Aktion. Sie griffen Verbündete der syrischen Regierung aus der Luft an.
Die Angriffe der US-geführten Koalition kosteten "100 Assad-Kämpfern", so die Bezeichnung der Tageschau, das Leben. Wen die Trump-Piloten bei ihren Angriffen genau trafen, ist noch offen. Dass damit die Spannungen zwischen den USA und Russland sowie zwischen den syrischen Kurden und der syrischen Regierung zunehmen, ist dagegen unstrittig.
Ein "Akt der Verteidigung"
Zur Verteidigung der Koalition und ihrer Partner führte die Koalition Angriffe gegen angreifende Streitkräfte durch, die sich aggressiv gegen Partner richteten, die in einer globalen Mission engagiert sind, der es um die Niederlage von Daesh geht. Die Koalition bliebt diesem Ziel der "defeat-Daesh mission" im Mittleren Euphrat-Tal treu und behauptet ihr nicht verhandelbares Recht zur Selbstverteidigung
US-Central Command
Gleichwohl: Der Zwischenfall im Süden Syriens wird von den USA in einer Pressemitteilung des Central-Command als "Akt der Verteidigung" bezeichnet.
Ihm zuvor gegangen war laut US-Darstellung, wie sie Reuters wiedergibt, ein Angriff der bislang namentlich nicht bekannten syrischen Milizen auf ein Hauptquartier der SDF. Wo dieses Hauptquartier ist und wie der Angriff auf dieses ausgefallen sein soll, ist unklar bzw. sehr vage. In der Region Deir ez-Zor, wo die Auseinandersetzungen stattfanden, sind die SDF, die maßgeblich von YPG-Einheiten geführt werden, offiziell Partner der US-Koalition. Das ist ein bemerkenswerter Unterschied zu Afrin, wo die USA die kurdischen YPG-Milizen nicht gegen Angriffe ihres Nato-Verbündeten Türkei verteidigt hat.
Die USA pochen darauf, dass das Gebiet östlich des Euphrat, "ihre Zone" ist. "Als Berater, Helfer oder Begleiter agierende Mitglieder der Koalition wurden zusammen mit ihren SDF-Partnern acht Kilometer östlich einer verabredeten, ausgemachten De-Eskalationslinie am Euphrates angegriffen", heißt es in der Central-Command-Erklärung.
Aus dieser De-Eskalations- oder Schutzzone leitet sich nach Auffassung der US-Führung aus einem nationalen Interesse heraus das Recht ab, sich gegen andere zu verteidigen. Auch die Türkei macht ja bei ihrem Angriff auf Afrin ein "nationales Selbstverteidigungsrecht" geltend, aber sie ist immerhin Nachbarstaat. Die USA leiten ihre aggressive Selbstverteidigung tausende Kilometer vom Homeland entfernt von der Bedrohung durch den IS ab.
Zur Verteidigung der Koalition und ihrer Partner führte die Koalition Angriffe gegen angreifende Streitkräfte durch, die sich aggressiv gegen Partner richteten, die in einer globalen Mission engagiert sind, der es um die Niederlage von Daesh geht. Die Koalition bliebt diesem Ziel der "defeat-Daesh mission" im Mittleren Euphrat-Tal treu und behauptet ihr nicht verhandelbares Recht zur Selbstverteidigung
US-Central Command
Was für den, der auf Völkerrecht und Gesetze schaut - die eindeutig die syrische Regierung als Souverän bestimmen, die in diesem Gebiet auf Selbstverteidigungsrechte pochen kann-, als irrsinnig, abwegig, kriminell und aggressiv erscheint, ist einfach kriegerische Machtpolitik.
Sie basiert laut informierten Quellen und Angaben, die in der genannten CC-Presseerklärung durchscheinen, auf einer Absprache mit Russland, deren Vertreter mit den Vertretern der USA angeblich und anscheinend eine solche Interessens-, Einfluss- oder Schutzzone vereinbart haben. Das Wort "anscheinend" wurde gewählt, weil mehrere Berichte von einer solchen Absprache ausgehen, obwohl keiner Beweise dafür vorgelegt hat oder gar den genauen Inhalt der geheimen Abmachungen wiedergeben kann.
Das Pfand der USA: Kontrolle über Öl- und Gasfelder in Deir-Ezzor
Aber auch ungeachtet einer russischen Bewilligung einer solchen Zone, für die es wie gesagt keine Beweise gibt, ist unbestreitbar, dass es in Deir ez-Zor und genauer in dem Teil des Südostens Syrien, wo die ergiebigen fossilen Ressourcen liegen, Öl- und Gasfelder, im letzten Jahr schon zu Spannungen gekommen ist, die Russland, Syrien auf der einen Seite hatten und auf der anderen die USA und ihre Verbündeten, die SDF.
Offiziell geht es laut USA um den Kampf gegen den IS, der diese Gebiete in Deir ez-Zor samt Ölfeldern und Gasanlagen noch bis etwa August 2017 weitestgehend unter Kontrolle hatte. Als die SDF dann im September nacheinander die größten und wichtigsten Ölfelder sowie die Erdgasanlage Conoco erobert hatten - im Namen des Kampfes gegen den IS und strategisch noch wichtiger im Wettlauf mit der syrischen Armee und Russland - gaben die kurdischen Kämpfer die für die syrische Regierung wichtigen Energieversorgungsquellen nicht wieder zurück.
Das hängt natürlich mit dem Interesse der dahinterstehenden Supermacht USA zusammen, die mit der Kontrolle der Ölfelder Tabiyeh, al-Isba und al-Omar ein Druckmittel gegen Assad zur Hand haben, das sie anderweitig, sei es militärisch über die unterstützten oppositionellen Milizen oder diplomatisch über die Gespräche in Genf, nicht bekommen hatten. Solches Kapital gibt man nicht so leicht her.
Russland: Unsauberes Spiel
Russland hatte mehrfach angedeutet, dass die USA in dieser Kampfzone bei Deir ez-Zor ein unsauberes Spiel mit dem IS machen würden. Aus Moskau waren öfter Vorwürfe zu hören, die darauf hinausliefen, dass sich die USA bzw. auch ihre Verbündeten die SDF mit dem IS verabreden würden.
Der Ort der aktuell gemeldeten Auseinandersetzungen befindet sich laut verschiedener Quellen in der Umgebung des Gasfeldes Conoco und des syrischen Ortes Khasham.
Naheliegend ist der Gedanke, dass die mit der syrischen Regierung verbündeten Milizen die Anlage in Conoco erobern wollte. Die Zahl von 500 Kämpfern und das mitgebrachte, zum Teil schwere Kriegsgerät, wie Reuters (aufgrund der Angaben eines US-Vertreters) meldet, spräche dafür, dass die Milizen Ernsthaftes vorhatten.
Welche Milizen beteiligt waren, wird auch in der Meldung der syrischen Nachrichtenagentur nicht genannt. Sie erzählt eine etwas andere Geschichte als die Pressemitteilung der US-Central Command. Bestätigt wird aber der Ort des Geschehens, Khasham. Und, als ob es sich um eine spöttische Replik auf die Central-Command-Mitteilung handeln würde, es wird darauf aufmerksam gemacht, dass die US-Luftangriffe Gruppen gegolten haben, die gegen den IS kämpfen.