Luftverschmutzung erhöht Covid-19-Sterberisiko
Nach italienischen Wissenschaftlern haben nun Harvard-Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen erhöhter Feinstaubbelastung und erhöhter Todesrate von Covid-19-Infizierten nachgewiesen
Die Vermutung, dass eine höhere Todesrate bei älteren Covid-19-Infizierten vorliegt, wurde schon länger gehegt. Die These schien sich in Italien zu bestätigen, wo die Regionen, allen voran die Lombardei und die Emilia-Romana, die die meisten registrierten Fälle aufweisen, die an oder mit Covid-19 gestorben sind, auch eine hohe Luftverschmutzung aufweisen. In der Po-Ebene ist die Feinstaubbelastung in Italien am höchsten. Auch in Wuhan und der Provinz Hubei gibt es über den Winter massive Luftverschmutzung durch Feinstaub.
Italienische Wissenschaftler vermuten mit Verweis auf Studien, dass sich Viren auf Smog- und vor allem Feinstaubpartikel tage- oder wochenlang erhalten, auf diesen "reisen" und sich so verbreiten können (Feinstaubpartikel als Viren-Vehikel). Unbewiesen ist, ob auf Partikel reisende Viren tatsächlich Menschen infizieren können. Wahrscheinlicher ist, dass Menschen, die Jahrzehnte in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung gelebt haben, weniger Widerstandskraft haben und besonders empfindlich für Atemwegserkrankungen sind, vor allem, wenn sie schon Vorerkrankungen aufweisen.
Bekannt ist, dass die Gefährdung ab einem Alter von 60 Jahren ansteigt, wenn eine oder mehrere Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- und/oder Zerebrovaskuläre Erkrankungen vorliegen. Männer sind gefährdeter. Covid-19-Patienten haben oft Atembeschwerden und können schließlich an einer Lungenentzündung erkranken, die zu einem Akuten Lungenversagen führt.
Höhere Feinstaubbelastung - mehr Covid-19-Tote in den USA
Eine Studie von Biostatistikern der Harvard-Universität stellt nun für die USA ebenfalls eine Verbindung von Luftverschmutzung und der Zahl der Menschen her, die an oder mit Covid-10 sterben oder schwer erkranken. Ausgangspunkt ihrer Studie ist, dass die Vorerkrankungen, die das Todesrisiko von Menschen mit einer Covid-19-Infektion erhöhen, typischerweise eine Folge der langen Belastung mit Feinstaubpartikeln mit einem maximalen Durchmesser von 2,5 Mikrometer (PM2,5) sind. Partikel dieser Größe können direkt in die Bronchien und Lungenbläschen eindringen. Luftverschmutzung soll für jährlich 5,5 Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich sein. Eine vorhergehende Studie der Harvard-Wissenschaftler hat bereits einen Zusammenhang zwischen der langfristigen Feinstaub- und Ozon-Belastung und einem erhöhten Risiko für Akutes Lungenversagen in den USA belegt.
Für die nationale Studie wurde die Feinstaubbelastung der 3080 Landkreise bis zum 4. April analysiert und mit den Covid-19-Todesfällen korreliert. Die Auswertung berücksichtigte u.a. die Bevölkerungsgröße, die Zahl der Krankenhausbetten, der Covid-19 getesteten Personen und der Über-65-Jährigen, Wetterbedingungen und sozioökonomische und verhaltensbedingte Variablen wie Fettleibigkeit und Rauchen verbunden. Es wurde auch danach gesucht, ob Landkreise in einem Bundesstaat ähnliche Werte zeigen.
Es zeigte sich statistisch signifikant, dass auch nur eine kleine Zunahme der langfristigen Belastung mit PM2.5 um 1 Mikrogramm pro Kubikmeter zu einer großen Zunahme der Covid-19-Todesrate von 15 Prozent führt. Wenn, so führen die Wissenschaftler aus, die langfristige PM2,5-Belastung in Manhattan um ein Mikrogramm pro Kubikmeter (1 μg/m3) gesenkt würde, hätte es bis zum 4. April statt der 1905 Covid-19-Todesfälle 248 weniger gegeben. In einer früheren Studie an über 60 Millionen Amerikanern, die 65 Jahre und älter waren, habe man entsprechend festgestellt, dass 1 μg/m3 mehr an langfristiger PM2,5-Belastung mit einer Zunahme von 0,73 Prozent der Mortalität verbunden ist.
Die langfristige Belastung durch PM2,5-Feinstaub schädigt das Atem- und Kreislaufsystem, was durch viele Studien belegt sei, und kann die Schwere der Covid-19-Symptome sowie das Sterberisiko von Covid-19-Patienten erhöhen. Das zeigt, dass auch Umweltbedingungen die Schwere der Coronavirus-Pandemie beeinflussen. Eine Folge des nachgewiesenen Zusammenhangs müsste sein, dass Landkreise mit erhöhter Feinstaubbelastung auch besser mit Intensivbetten, Schutzkleidung für das Personal und Beatmungsgeräten ausgestattet werden sollten, weil es hier mehr Einweisungen in die Krankenhäuser und mehr Tode geben wird.
Auch ein Aufmerksamkeitsproblem
Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass am 26. März das US-Umweltministerium in Reaktion auf die Coronavirus-Epidemie ausgerechnet Kraftwerken, Fabriken und anderen Einrichtungen selbst die Entscheidung überlassen hat, ob sie in der Lage sind, die legalen Verpflichtung zu Berichten über Luft- und Wasserverschmutzung zu leisten. Sie können also nun mehr Dreck in die Luft auspuffen, was möglicherweise das Covid-19-Risiko erhöht. Ihre Studie unterstreiche aber die Wichtigkeit, sagen die Wissenschaftler, die Luftreinhaltungsgesetze durchzusetzen, um die menschliche Gesundheit während und nach der Covid-19-Krise zu schützen.
Wenn es stimmt, dass etwa 15,5 Millionen Menschen jährlich (!) aufgrund von Luftverschmutzung vorzeitig sterben, dann ist eigentlich nicht die Virus-Pandemie das wirkliche Drama, sie beleuchtet durch vermehrte Aufmerksamkeit auf die Ausbreitung von Todesfällen ein nicht biologisches, sondern anthropogen gemachtes Todesrisiko, das kontinuierlich und nicht in Epidemiewellen Opfer fordert. Das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken würde hier allerdings nicht viel helfen, zumal die Menschen auch in ihren Wohnungen, wenn sie nicht Klimaanlagen mit Feinstaubfiltern besitzen, dem Feinstaub nicht entgehen.
Plötzlich sich vermehrende Erkrankungs- und Todesfälle wie Epidemien ziehen das Warnorgan der Aufmerksamkeit auf sich - die Medien sind die kollektiven Aufmersamkeitssysteme -, kontinuierlich sich ereignende Bedrohungen gehen dagegen unter, auch wenn sie sehr viel mehr Opfer fordern. Jetzt haben die Menschen Angst vor einer Covid-19-Infektion, aber sie setzen sich in der Regel ruhig und sorglos in ihr Auto. Zwar starben nach dem Statistischen Bundesamt an Autounfällen 2019 "nur" etwas mehr als 3000 Menschen, aber 384.000 wurden mehr oder weniger schwer bei 2,7 Millionen Unfällen verletzt.
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