MH17: Russland wirft der JIT-Ermittlung Voreingenommenheit vor
Der stellvertretende Generalstaatsanwalt machte klar, dass man die als Verdächtige von Bellingcat und Co. genannten Russen nicht befragen werde und dass alle russischen Informationen authentisch seien
Gerade wurden wieder im Rahmen der Maßnahmen gegen die Verwendung und Verbreitung von Chemiewaffen neue Sanktionen gegen Russland von der EU wegen des Anschlags auf Julia und Sergei Skripal angeordnet. Gerichtsfeste Beweise gibt es wohl noch nicht, aber die politische Dynamik scheint auf weitere Verschärfung des Konflikts zu zielen. Der Chef und der Vizechef des russischen Geheimdienstes, der für den Sripal-Fall von Großbritannien verantwortlich gemacht wird, werden einem Reiseverbot und dem Einfrieren möglicher Vermögen in der EU unterworfen. Auch die beiden angeblichen GRU-Agenten Ruslan Boshirov and Alexander Petrov, die des Anschlags verdächtigt werden, wurden mit diesen Sanktionen belegt.
Daneben wurden, offensichtlich um einen Zusammenhang zu stiften, das syrische Scientific Studies and Research Centre (SSRC) und fünf syrische Regierungsangehörige sanktioniert, die für die Entwicklung und Produkton von Chemiewaffen verantwortlich gemacht werden. Nach der EU-Außen-Beauftragten Federica Mogherini sei die Entscheidung auf einer fundierten rechtlichen Bewertung erfolgt. Das erfreute den britischen Außenminister Jeremy Hunt, der sagte, man müsse hart gege den GRU vorgehen. Das Vorgehen gegen den Feind erzeugt bei allem Brexit-Gezänke wieder eine Einheit.
Ähnlich umstritten ist der Abschuss der MH17 über der Ostukraine 2014. Noch immer ist das Gemeinsame Ermittlungsteam (JIT) nicht mit einer Anklage vorgetreten, auch wenn es das russische Militär für die Lieferung der Buk-Rakete und den Abschuss verantwortlich machte. Harte Kritik kam nun von russischer Seite, was bislang aber nur niederländische Medien berichten. Entrüstet ist man auch deswegen, weil die Ukraine Mitglied des JIT ist, die die Ergebnisse beeinflussen könne. Die Niederlande würden ein besonderes Verhältnis offenbaren, weil sie akzeptieren, dass von der Ukraine wichtige Daten nicht geliefert werden werden, während Russlands angebliche Belege, dass die Buk, die MH17 getroffen hat, nicht im Besitz Russlands gewesen sind, nicht einbezogen würden.
Der Stellvertretende Generalstaatsanwalt Nikolay Vinnichenko erklärte in einem längeren Interview gegenüber Ria Novosti, dass Russland die Mitarbeit am JIT verwehrt wurde. Offenbar sieht man in Russland die Notwendigkeit zu intervenieren, nachdem angeblich die Klageschriften bereits fertiggestellt worden seien (MH17-Prozess soll angeblich bald beginnen). Zuvor hatte Russland bereits vorgeschlagen, mit den Niederlanden und Australien in einen Dialog einzutreten. Deren Regierungen hatten Russland direkt beschuldigt, für den Abschuss verantwortlich zu sein.
Russland garantiert für die Authentizität der Daten
Dennoch habe man alle Anfragen beantwortet, man wisse aber nicht, inwiefern die russischen Informationen in die Berichte eingegangen seien, man habe schon 2016 eine vorurteilsbeladene Haltung feststellen können, weil die von Russland gelieferten primären Radardaten nicht berücksichtigt worden seien. Zuerst habe man die verschwiegen, dann erklärt, dass man sie nicht verarbeiten könne, und schließlich, dass es nichts bedeute, wenn hier keine Buk-Rakete zu sehen ist, weil sie für das Radar zu schnell fliege - was die russische Seite bestreitet.
Der Generalstaatsanwalt fragt jedoch, wo die entsprechenden ukrainischen und amerikanischen Daten seien, warum sie nicht angefordert wurden und warum sie nicht veröffentlicht wurden. Bekanntlich sagt die Ukraine, just zu dem Zeitpunkt seien alle Radarstationen ausgefallen gewesen, von amerikanischer Seite hört man nichts, allerdings hatte der damalige Außenminister Kerry behauptet, man habe Bilder, die die Schuld Russland belegen würden.
Dass Russland zunächst verschiedene Theorien und Vermutungen wie die angebliche Anwesenheit eines ukrainischen Kampfflugzeugs verbreitet hat, erklärt der Generalstaatsanwalt damit, dass Russland bei der Aufklärung helfen wollte, indem alle Informationen weitergegeben wurden. Später habe sich dann das "Szenario einer Boden-Luft-Rakete" verdichtet und zu dem Experiment von Almaz-Antey geführt, dessen Ergebnis schließlich von den Radardaten und der Seriennummer bestätigt wurde, also dass nach russischer Sichtweise die Buk-Rakete schon lange in der Ukraine war und von der Ukraine abgefeuert wurde.
Auf die vom JIT vorgelegten Belege, dass das Buk-System von der 53. Luftabwehrbrigade der russischen Streitkräfte in Kursk nach Donezk gebracht und nach dem Abschuss wieder zurück nach Russland transportiert wurde, geht Vinnichenko nicht näher ein. Nach russischen Experten seien die aus dem Internet stammenden Bilder aus dem JIT-Video gefälscht. Das Bild der Buk sei eingefügt worden, das habe man auf der Pressekonferenz im September 2018 belegt und die Unterlagen dem JIT übergeben, wo man dafür aber kein Interesse gezeigt habe (Russisches Verteidigungsministerium beschuldigt wieder die Ukraine). Russland garantiere für die Echtheit der Daten, die man übergeben habe. Aber das JIT weise alle übermittelnden Informationen ab, weil sie für die Ermittlung unerheblich seien, werfe aber gleichzeitig Russland vor, nicht wirklich zu kooperieren.
Überdies arbeite hier das JIT mit den "Pseudo-Investigatoren von Bellingcat" zusammen, die seien "allgemein bekannt für ihre falschen Berichte". Bellincat antwortet darauf: "The Russian authorities don't like the fact that we have pointed all of this out. No one likes being caught in a massive lie. No one likes to realize that their spies have been compromised in the most banal ways possible. But this is the 21st century. Data, uh, finds a way."
Niederländische Medien heben hervor, dass der Generalstaatsanwalt klar gemacht hat, dass namentlich nicht von JIT, sondern von Bellingcat genannte angebliche Verantwortliche nicht von russischer Seite oder vom JIT befragt werden. Es handelt sich um den Generaloberst Nikolai Tkatschow, der 2014 Generalinspekteur des Zentralen Militärbezirks war, und Oleg Iwannikow, einen leitenden GRU-Offizier. "Bislang gibt es keinen wirklichen Beweis für eine Beteiligung irgendeines Russen in die Boeing-Tragödie", stellt Vinnichenko kurz und knapp fest. "Daher gibt es keinen Grund, irgendeinen von unseren Bürgern als Teil dieses Falls zu befragen."
Ein Vertreter der niederländischen Staatsanwaltschaft sieht nichts Neues in dem Interview. Die russischen Behörden hätten nicht alle Anfragen des JIT beantwortet. Nachdem Russland aber nun erkläre zu kooperieren, freue man sich auf die Beantwortung der offenen Fragen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.