MH17: Zemak hat nach Anwalt Klage gegen die Ukraine und die Niederlande beim EuGH eingereicht
Die niederländische Staatsanwaltschaft beschwerte sich über Russland, den vom ukrainischen Geheimdienst verschleppten Verdächtigen nicht ausgeliefert zu haben, die Ukraine hat ihn auf die Fahndungsliste gesetzt
Wladimir Zemak (Tsemakh) entwickelt sich zu einer zentralen Person im MH17-Fall. Er war während der Zeit, als das malaysische Passagierflugzeug über der Ostukraine abgeschossen wurde, bei der Luftabwehr der Separatisten in Snischne (Snizhne). Die ukrainische Regierung hatte zuvor nicht nur eine "Antiterroroperation" gegen die Separatisten gestartet, sondern ist gegen diese Anti-Maidan-Bewegung, die sie zuerst war, schnell mit Militär und Luftangriffen vorgegangen, was kaum problematisiert wurde und wird. Zemak soll in einem Video nach dem Abschuss gesagt haben, dass er mithalf, das Buk-System zu verstecken.
Allerdings wurde die Audioaufzeichnung von Frage und einem Teil der Antwort gelöscht, aus den Lippenbewegungen will Bellingcat erkennen, dass Tsemakh von einem Buk-System gesprochen hat. Geschickt wird von Bellingcat unterstellt, dass eine Rakete aus dem von den Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen wurde, obgleich Tsemakh etwas ganz anderes erzählt, worauf die "investigativen" Bellingcatler freilich überhaupt nicht eingehen, obgleich sie die Äußerungen zitieren. Tsemak spricht nämlich von einem ukrainischen Kampfflugzeug, das abgeschossen worden sei, ein zweites habe dann MH-17 abgeschossen. Bestenfalls ist die Rede davon, dass Tsemakh mithalf, das Buk-System zu verstecken, das das erste Kampfflugzeug abgeschossen hat. Es kann aber auch ein anderes Luftabwehrsystem gewesen sein. Unklar ist auch, wer die Tonspur manipuliert hat.
Ob Tsemakh, der zuvor nie erwähnt wurde, aufgrund dieses Videos am 27. Juni aus der "Volksrepublik Donetz" von einem Kommando des ukrainischen Geheimdienstes SBU verschleppt (MH17: Spektakuläre Geheimdienstaktion) wurde, ist nicht bekannt. Der SBU hat auch die Telefonmitschnitte geliefert, die vom Gemeinsamen Ermittlungsteam JIT weiterhin als Beweismittel verwendet werden, obgleich nach Untersuchungen der Verdacht geäußert wurde, dass sie manipuliert seien. Und der SBU hat u.a. die Ermordung eines Journalisten fingiert, was peinlicherweise schnell aufflog und einen Blick darauf wirft, wie vorsichtig man gegenüber den Informationen des Geheimdienstes sein sollte.
Zemak wurde in Kiew inhaftiert und u.a. auch von der niederländischen Polizei verhört, die offenbar kein Federlesen machte, dass da ein Mensch gewaltsam verschleppt und dabei gedopt wurde. Zunächst galt er als Zeuge. Nachdem er von Russland in den Austausch von Gefangenen in der Ukraine und Russland aufgenommen wurde und die ukrainische Regierung dem zugestimmt hatte, erhob ihn das JIT plötzlich zum Verdächtigen und verlangte, dass er in ukrainischem Gewahrsam verbleiben und an die Niederlande überstellt werden sollte (Ukraine lässt gegen den Willen des JIT MH17-Zeugen frei). Nähere Begründungen dafür wurden nicht mitgeteilt. Kurz vor der Auslieferung konnte er nochmals befragt werden.
Die russische Regierung reagierte ebenso wie die ukrainische Regierung nicht auf den Druck (Niederlande verlangt von Russland die Auslieferung von Tsemakh). Zemak kam nach Russland und kehrte gleich wieder in die "Volksrepublik" zurück, was so ausgelegt wurde, dass Russland den jetzt Verdächtigen aus dem Verkehr ziehen wollte, weil nach dem JIT Moskau das Buk-System in die Ostukraine geliefert hatte, das die MH-17 abgeschossen und das Zemak irgendwie "versteckt" haben soll. Angeblich soll das Buk-System am Tag des Abschusses gebracht und am Abend wieder zurück nach Russland transportiert worden sein. Was gab es da zu verstecken?
Für Aussage soll Zemak die niederländische Staatsbürgerschaft angeboten worden sein
Zemak sagte in einem Interview, niederländische und australische Beamte hätten ihm für eine Aussage die niederländische Staatsbürgerschaft und ein Haus in den Niederlanden angeboten. Wenn dies zutreffen sollte, scheint der politische Druck hoch zu sein, den Prozess in den Niederlanden zu einem "guten" Ende zu führen, d.h. Russland als verantwortlich zu präsentieren. Bekanntlich haben die australische und die niederländische Regierung Russland für den Abschuss verantwortlich gemacht.
Der Versuch, Zemak als Zeugen zu gewinnen, bedeutete allerdings auch, dass die Beweislage des JIT noch sehr schwach zu sein scheint. Er behauptet, die Ermittler würden nicht viel wissen und wundert sich, wie sie darauf kommen, dass er und seine Einheit mit alten Flugabwehrgeschützen überhaupt in den Verdacht gerieten, etwas mit dem Abschuss zu tun zu haben. Es habe in der Umgebung keine Buk-Systeme gegeben. Und er erzählt noch, die Ermittler hätten ihn auch aufgefordert, nach Lieferung von Beweisen seinen Namen zu ändern und unterzutauchen. Nachprüfen lässt sich das durch uns nicht.
Klage vor dem EuGH
Zemak verkriecht sich aber nicht, sondern hat, wie er selbst und sein Anwalt Anatoly Kucherena sagte, eine Klage gegen die Ukraine und die Niederlande beim EuGH eingereicht. Das mache er auch zu seinem eigenen Schutz. In dem Schreiben wird auf die Umstände seiner Verschleppung, seine Inhaftierung und den Einsatz von Psychopharmaka in der Zelle verwiesen. Das seien offene Menschenrechtsverletzungen. Unklar ist, ob die Verschleppung mit der neuen Regierung in Kiew abgesprochen worden war, allerdings ist der mächtige Innenminister Awakow noch weiter im Amt. Unklar ist auch, ob womöglich die Verschleppung durch das JIT oder die niederländische Polizei angestoßen wurde. Der neue ukrainische Präsident Selenskyi hat jedenfalls das Führungspersonal im SBU ausgetauscht.
Nach Zemaks Anwalt, der u.a. auch Edward Snowden vertritt, sei er auch zu einer Vernehmung durch ukrainische und niederländische Ermittler bereit, aber nur, wenn sie auf dem Boden der "Volksrepublik Donezk" stattfindet.
Ukraine setzte Zemak auf Fahndungsliste
Am 3. Dezember hat der SBU Zemak auf die Fahndungsliste gesetzt. Der mittlerweile zum Hauptverdächtigen erklärte Zemak soll am 23. September untergetaucht sein, heißt es in einer Mitteilung des Innenministeriums. Zemak wird der Beteiligung an einer Terrorgruppe und von Terrorakten beschuldigt, bei denen Menschen gestorben seien. Auf die Fahndungsliste wurde er gesetzt als Person, die sich den Ermittlungsbehörden entzieht.
Zuvor hat die niederländische Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie die russischen Behörden im September aufgefordert hat, Zemak festzunehmen. Russland könne ihn ausliefern, weil er ukrainischer Staatsbürger ist. Die Staatsanwaltschaft betrachte ihn als Verdächtigen, habe aber noch nicht entschieden, ob gegen ihn Klage erhoben wird. Dazu seien weitere Informationen notwendig. Klar ist, dass die Staatsanwaltschaft Zemak hier auch das Angebot macht, gegen eine Aussage nicht gegen ihn zu ermitteln.
Bearbeitet war Russland von der Staatsanwaltschaft und der Regierung. Moskau habe am 23. September weitere Informationen angefordert, die aber nichts mit dem Auslieferungsbegehren zu tun hätten. Am 19. November habe aus Russland geheißen, man könne Zemak nicht festnehmen, da man seinen Aufenthaltsort nicht kenne. Da war er schon längst wieder in der Ostukraine, die Ukraine kann ihn aufgrund der Verfassung nicht ausliefern.
Die Staatsanwaltschaft wirft Russland vor, "absichtlich zugelassen zu haben, dass Herr Zemak die Russische Föderation verlässt, und sich verweigert hat, das niederländische Gesuch auszuführen". Nach dem Europäischen Auslieferungsabkommen sei Russland dazu verpflichtet gewesen. Beruhigend wird versichert, dass auch ohne Auslieferung von Zemak der Prozess seinen Gang nehmen wird (was auch Bellingcat schon erklärt hat). Das könnte man auch so deuten, dass er von der Staatsanwaltschaft schon als zentral gesehen wird.