Macron kontra Merkel
Seite 2: Die Mär vom "Gegen-Trump" Macron
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Eine andere paternalistische Lesart ist das Bild, das in den letzten Monaten vor allem von Liberalen aller Couleur von Macron als Gegen-Trump gezeichnet wurde. Schon als der wirtschaftsliberale Politiker in Frankreich sich anschickte, Präsidentschaftskandidat zu werden, wurde Macron als Alternative aufgebaut.
Später wurde seine Rolle noch ausgeweitet, Macron wurde zur Gegenfigur zum Populismus, der angeblich von links und rechts drohte. Besonders in der Taz wurde nun in jedem Land nach einem Macron gesucht, der dem französischen Vorbild nacheifert. Mit dieser paternalistischen Erzählung werden die kapitalistischen Interessen unsichtbar gemacht, die die französischen Eliten veranlassten, Macron so zu fördern, dass er in die Rolle wachsen konnte, die er nun hat.
Nun hat der Macron-Besuch in den USA zumindest für einige Zeit die Mär vom Gegen-Trump etwas angekratzt. Denn tatsächlich gibt es viele gemeinsame Interessen, die bei dem Besuch auch zum Ausdruck gebracht wurden, darunter eine interventionistische Außenpolitik, die in den Angriffen auf syrisches Territorium ihren Ausdruck gefunden hatten.
Hier wurde der Grundstein für die gute Arbeitsatmosphäre beim Besuch Macrons in den USA gelegt, der dann mit der Geschichte von der Männerfreundschaft mystifiziert wurde. Die Kreise, die monatelang die Mantra vom "Gegen-Trump" Macron aufbauten, konnten dann am Ende des Besuchs immerhin feststellen, dass ihr Idol bei einer Rede im US- Kongress einige Differenzen zur Trump-Administration in der Freihandels- und Klimapolitik angesprochen hatte.
Natürlich fiel auch ihnen nicht ein, dass hier unterschiedliche Interessen zum Ausdruck kommen. Von Interessen zu reden, ist in der deutschen Politik generell verpönt und besonders die Liberalen und Grünen tragen dieses reaktionäre Erbe romantischer und vorkapitalistischer Vorstellungen mit besonderem Stolz vor sich her.
Keine harte Haltung wegen fehlender Einigkeit
Dabei wissen die Wirtschaftskreise sehr wohl, was ihre Interesen sind und handeln entsprechend. So hat bereits vor Wochen eine Delegation aus Deutschland in den USA sondiert, welche Kompromisse möglich sind, um die EU von den Strafzöllen noch einmal auszunehmen. Schon wird kolportiert, damit werde eine einheitliche harte Haltung gegenüber den USA aufgeweicht. Dabei gibt es diese harte Haltung gar nicht.
Der FAZ-Kommentator bringt die unterschiedliche Gemengelage wie folgt auf den Punkt:
Stadtschloss und Humboldt-Forum entstehen nach fertigen Plänen - für Europa gibt es die nicht. Die Regierungen in Paris und Berlin haben jeweils eigene Vorstellungen, und selbst wenn sie sich einig werden, sind da noch 27 andere Mitgliedstaaten.
Thomas Gutschker, FAZ
Tatsächlich sehen einige dieser EU-Mitgliedstaaten ihr Interesse eher in einer von Deutschland dominierten EU gewahrt, wie sie in den letzten Jahren bestand. Andere Staaten, vor allem im Süden der EU wollen schon deshalb die französische Rolle in der EU stärken, damit Deutschland nicht mehr alleine schalten und walten kann.
Da wird auch schon mal Macron zugeschrieben, er stehe für eine demokratischere und sozialere EU ein. Tatsächlich geht es dabei aber nicht um Demokratie und Sozialstaat. Es gibt unterschiedliche Nuancen, aber gemeinsam wollen sie unter ihrer jeweiligen Hegemonie die EU fit für den kapitalistischen Weltmarkt machen.
"Gegen das Arbeitsgesetz und seine Welt"
Dafür müssen die Lohnabhängigen domestiziert, ihre kämpferischen Interessensvertretungen ausgeschaltet werden, was Macron aktuell im Inland versucht. Aus ihrer Perspektive gibt es keinen Grund, einem dieser Herrschaftsmodelle zu vertrauen oder auch noch freiwillig zu unterwerfen.
Denn ihre Maßnahmen bedeuten für sie immer Einschränkungen, Verzicht und Leid. Daher wird interessant sein, ob es den Lohnabhängigen in Frankreich gelingt, in ihrem Land Macrons Reformpläne zu konterkarieren. Dass könnte auch Einfluss auf die Lohnabhängigen in anderen Ländern haben, am Ende vielleicht auch in Deutschland.
"Gegen das Arbeitsgesetz und seine Welt", lautet der programmatische Titel einer vom Verlag Die Buchmacherei ins Deutsche übersetzte Schrift des prekären französischen Intellektuellen Davide Gallo Lassere, der sich 2016 am Kampf gegen das Arbeitsgesetz beteiligte.
In seiner kleinen Schrift macht er sich Gedanken, wie dieser Kampf auf neuer Grundlage fortgesetzt werden kann. Hätte diese theoretische Intervention Erfolg, dann würden in der Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen EU-Eliten und den USA auch die Lohnabhängigen ihre Stimme erheben. Das wäre dann ein ganz anderes Spiel.