Männchen in the Middle

Das Leben der Anderen - im Westen

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Über vier Jahrzehnte prägte der Abhörspezialist Horst Männchen die DDR-Lauschabteilung Richtung Westen - kurz vor dem Mauerfall arbeitete er an der automatisierten Überwachung

Anfang der 1960er Jahre zeichnete sich mit dem technischen Fortschritt auch im Osten ab, dass die Bedeutung der Fernmeldeaufklärung langfristig die Arbeit mit menschlichen Quellen nahezu verdrängen würde. Insbesondere das strategische Anzapfen von Telefonleitungen erwies sich als effizient, vor allem bei der politischen Aufklärung des Westens. Namhaftester Abhörer des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) wurde der umtriebige Horst Männchen (1935-2008). Er hatte bereits 1953 beim MfS bei der Funkaufklärung angefangen, wo man vor allem funkende Westspione innerhalb der DDR anpeilte. 1960 begann er ein Fernstudium zum Ingenieur für Hochfrequenztechnik.

Erich Mielke (1976). Bild: Deutsches Bundesarchiv (183-R0522-177). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Männchen war von Anfang an Günstling des zwielichtigen MfS-Karrieristen Bruno Beater (1914 - 1982), der im Zweiten Weltkrieg die Fronten zur Roten Armee gewechselt hatte. Als Scharfschütze tötete Beater seine vormaligen Kameraden und erwarb sich das Vertrauen der Russen bei Folterverhören von Gefangenen. Unter russischer Patronage penetrierte Beater das MfS, wo er Dutzende Familienmitglieder unterbrachte.

Da Beater sich gut mit MfS-Zar Erich Mielke verstand und seit 1955 einer dessen Stellvertreter war, gewann Beater Machtkämpfe gegen seinen Rivalen Markus Wolf, Chef des Auslandsgeheimdiensts "Hauptverwaltung Aufklärung" (HV A), die mit konventionellen Geheimagenten aufklärte. Mehrfach hatte Wolf, ebenfalls im Rang eines Mielke-Stellvertreters, erfolglos versucht, die Auslandsabhörer unter sein Dach zu bekommen, blieb jedoch vorerst Bittsteller, wenn er an Informationen wollte.

Man in the Middle

Die Freundschaft zu Beater ermöglichte Männchen etliche Privilegien, sodass der Lauscher das Leben in vollen Zügen genießen konnte. Offenbar bei einer Trunkenheitsfahrt verlor Männchen bei einem Autounfall seinen linken Arm und wurde aus disziplinarischen Gründen aus dem MfS entfernt. Doch Männchens Fähigkeiten und seine Freundschaft zu Spezi Beater führten nach einer Schamfrist von zwei Jahren zu seiner offiziellen Wiedereinstellung.

Aus der 1966 gebildeten "Koordinierungsgruppe Funk" wurde 1971 die Männchen unterstellte "Diensteinheit des funkelektronischen Kampfes" und dann die "Hauptabteilung III" (HA III), die schließlich 2.400 Lauscher beschäftigte. Diese hörten zunächst die westliche Kommunikation über Kurzwelle ab, dann den Richtfunk, über den die damalige Bundespost zwei Drittel aller Telefonverbindungen übertrug. Etliche Richtfunkstrecken im Grenzgebiet ließen sich von der DDR aus auffangen, am bekanntesten war die Station auf dem Brocken, der höchsten Erhebung im Norden.

Das hohe Kommunikationsaufkommen zwischen Westberlin und der Bundesrepublik, vor allem der Hauptstadt Bonn, erwies sich für die Lauscher auf dem Gebiet der DDR als Glücksfall. Beim Erfassen des Südens kooperierte man mit der ČSSR. Die HA III verfügte über Flugzeuge und Helikopter, die schwache Signale in der Höhe besser auffangen konnten, ein Schiff sowie über einen Fuhrpark an LKWs und Diplomatenfahrzeugen, die vor allem in Westberlin die Funkaktivitäten der Westmächte erfassten.

Sendeanlagen auf dem Brocken im Sommer 1991. Unter der rechten Kuppel befand sich die Abhörtechnik. Bild: Uwe Ritzel. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Als die westlichen Fernschreiber etc. schließlich über Satelliten verbunden wurden, folgten ihnen die Antennen der HA III auch ins All. Männchen überwachte im Westen an die 25.000 Anschlüsse. Geheimnummern waren kein ernst zu nehmendes Hindernis. Dem sozialistischen Bruderstaat Kuba half Männchen beim Abhören der US-Basis Guantánamo Bay, Funktechnik aus der DDR erhielt die Freundschaft auch in afrikanischen Staaten und bei der PLO.

In den Staaten des Warschauer Pakts war Männchen ohnehin ein gern gesehener Gast. Daneben schloss Männchen ein Fernstudium zum Diplom-Juristen ab und promovierte sogar. Seine Dissertation "Probleme des Einsatzes spezifischer technisch-physikalischer Mittel und Methoden durch das MfS bei der Abwehr und Aufklärung des "elektronischen Kampfes" in der Klassenkampfauseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus" von 1973 ist noch heute als E-Book erhältlich.

Während Wolfs Spion Günther Guillaume im Bundeskanzleramt saß, aber außer einem Skandal und dem hieraus resultierenden Rücktritt des eigentlich von der DDR favorisierten Kanzlers Willy Brandt wenig lieferte, waren seinerzeit die Informationen von Wolfs Rivalen Beater/Männchen ergiebiger. So erfuhr das Ministerium beim Abhören unbedarfter westlicher Plaudertaschen neben deren politischen Plänen etliche Details über deren mitunter delikates Sexualleben, Schulden und Intrigen. Waren die eigentlichen Zielpersonen ausnahmsweise einmal am Telefon zurückhaltend, so überwachte man eben das geschwätzige Vorzimmerpersonal. Auch von Spitzensportlern, Künstlern und Geistlichen versprach man sich politisch verwertbare Informationen.

In den diplomatischen Vertretungen der DDR im Westen richtete Männchen in den 1980ern Abhörbasen ein, die dem MfS unter anderem Zugang zur Fernkommunikation von Verfassungsschutz (BfV), Militärischem Abschirmdienst (MAD), dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesgrenzschutz (BGS) verschafften. Das MfS hatte auf nichts weniger Zugriff als auf die Datenbanken der deutschen Ermittlungsbehörden, so etwa ab 1982 auf das Datenfunksystem INPOL, wobei man sogar die Abfragen mitschnitt.

Bei Fernabfragen tarnten sich die Lauscher mit den Kennungen anderer Behörden, denen dann auch noch die Kosten für die Schnüffelei berechnet wurden. Die HA III überwachte die westlichen Sicherheitsbehörden so effizient, dass für die in Westdeutschland eingesetzten Spione die Gefahr einer Entdeckung gegen Null tendierte, etwa bei heimlichen Grenzübertritten. Umgekehrt brachte es das MfS insgesamt auf etwas über 100.000 Namen von Personen, die irgendwie mit westlichen Geheimdiensten zu tun hatten.

Nachdem die Bundesrepublik 1978 begann, sensiblen Sprechfunkverkehr mit automatisch funktionierenden Sprachchiffriergeräten zu verschlüsseln, erhielt Männchen 1982 von einem Schweizer Embargobrecher zwei Originalgeräte, von denen er bis Ende 1983 bereits 60 Stück nachbauen konnte. In die Codes etwa des BND vermochte Männchen wegen fehlerhafter Anwendung von Chiffrierunterlagen durch den BND einzudringen. Das Wissen um die Schlapphut-Schlamperei der Pullacher erklärte er zur Geheimsache.

Um den BND möglichst gründlich aufzuklären, ging Männchen sogar in den Untergrund. So fand man eines Tages bei Bauarbeiten in Pullach unterirdisch angezapfte Kabel. Der Ertrag der hausinternen Kommunikation hielt sich allerdings in Grenzen. Über das Treiben der bayrischen Schlapphüte war das MfS allerdings aufgrund hochrangiger Doppelagenten ohnehin bestens informiert.

Ministerium für Staatssicherheit der DDR: Zentrale der Hauptabteilung III (HA III). Bild: Bettenburg. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Als nach Beaters Tod 1982 dessen Korruption bekannt wurde, verurteilte MfS-Chef Mielke den Vertrauensbruch des Opportunisten scharf. Beaters Spezi Dr. Horst Männchen, inzwischen zum Generalmajor befördert, war im wahrsten Sinne des Wortes so gut verdrahtet, dass ihm die Nähe zum verblichenen Beater und seinem Clan nicht mehr schaden konnte. Selbst Beaters Sohn durften unter Männchens Protektion weiterlauschen. HV A-Chef Markus Wolf vermochte sich nach Beaters Verschwinden mit Männchen zu arrangieren. Die HA III ermöglichte auch die konspirative Kommunikation von im Westen eingesetzten Agenten mit dem MfS. Diese erfolgte besonders dreist über die Autotelefone im damaligen B- und C-Netz, u.a. mit gekaperten Identitäten von Netzteilnehmern, die für die Verbindung in den Osten die Rechnung zahlen durften. Auf diese Weise kommunizierte u.a. der Doppelagent Oberst Joachim Krase - Vizechef des MAD.

Das Leben der westlichen Anderen

Die DDR-Überwacher staunten permanent über die naive Unbedarftheit der westlichen Kollegen. Die Telefonate von BND-Chef Klaus Kinkel mit seinem Parteifreund Hans-Dietrich Genscher, dessen Reden Kinkel redigierte, landeten ebenso auf den Schreibtischen wie familiäre und privateste Angelegenheiten deutscher Spitzenpolitiker. Die HV A ließ gezielt das Privatleben von SPD-Politikern ausspähen, die langfristig für eine Kanzlerschaft infrage kamen, etwa den nordrhein-westfälischen Minister Friedhelm Fahrtmann.

Auch Helmuth Kohl war bereits als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident bei einem DDR-Besuch mit seiner aus dem Osten stammenden Frau bis hin zur Länge von Pinkelpausen überwacht worden. Obwohl ihm Wolf keine Chance gab, wurde der Pfälzer Staatschef. Selbst zwischen Bundeskanzleramt und dem auf dem gleichen Gelände befindlichen Kanzlerbungalow war Horst Männchen stets in der Leitung und nahm an Privatestem des Kanzlers teil. Aus dem Abgehörten lancierte das MfS eine Delikatesse an den SPIEGEL, der sich zu einer süffisanten Anspielung hinreißen ließ. Diese Indiskretion gilt Insidern als Grund, warum Kohl mit dem SPIEGEL nichts mehr zu schaffen haben wollte. Die Kandidaten für den Regierenden Bürgermeister von Berlin fanden ebenfalls das Interesse der Lauscher, jedoch scheiterten Wolfs Manipulationsversuche im Machtkampf zwischen Lummer und Diepgen.

Wenn es im Westen Stress gab, tagte zeitgleich auch ein Krisenstab im Osten. Die Spione sorgten sich um die Alkoholprobleme von Bonner Spitzenpersonal, registrierten Homosexualität von Konservativen, Spielsucht und andere menschliche Schwächen. In den Dossiers hielten die Horcher auch den Grad der Schwatzhaftigkeit fest, sowie Unzufriedenheit mit Situation und Vorgesetzten. Aber auch andere politischen Nachrichtensammler wie die Redaktion von Zeitungen und Rundfunkhäusern versprachen interessante Insiderinformationen. Den östlichen Geheimdienstchefs hatten es besonders die Sex-Geschichten der Bonner Politik angetan, und auch auf MfS-Partys waren entsprechend informierte Lauscher gern gesehen, um die Gäste mit ihrem Klatsch zu unterhalten.

Nicht all seine Erkenntnisse wollte Männchen mit seinem Vorgesetzten Mielke teilen, war jedoch berichtspflichtig. Dieser Berichtspflicht konnte Männchen alternativ formal direkt gegenüber Honecker genügen. Wenn Männchen Informationen beerdigen wollte, die er jedoch weder bei Mielke und Honecker sehen wollte, vergrub er sie jeweils in einem umfangreichen Dossier für Honecker, an dessen Beginn er die neuesten Sex-Geschichten westlicher Politiker heftete. Wie Männchen richtig eingeschätzt hatte, war Honecker nach der Lektüre über den Matratzensport seiner westlichen Kollegen befriedigt, so dass er die Dossiers nie zu Ende las.

Schatten auf dem Schattenmann

Anfang der 1980er Jahre befasste sich das MfS mit Fluchthelfern und erwog den Einsatz von Giftmorden und Bombenanschlägen. Tatsächlich bereitete das MfS auf Julius Lampl ein Sprengstoffattentat vor ("Operation Parasit"), das jedoch nie ausgeführt wurde. Männchen war mit den Bauteilen für eine entsprechende Fernzündung befasst gewesen.

Markus Wolf. Bild: Elke Schöps, Deutsches Bundesarchiv (183-1989-1208-420). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

So sehr sich Generaloberst Markus Wolf für die Sexgeschichten westlicher Politiker interessierte, so wenig war auch der Spionagechef selbst vor der Neugierde seiner lauschenden Kollegen gefeit. So hörten die argwöhnischen Spione Wolf bei dessen außerehelichen Aktivitäten sowie auch dessen gehörnte Ehefrau ab, die ausgerechnet in den Armen eines BND-Zuträgers Trost fand. Es waren die konservativen Moralvorstellungen im MfS und Wolfs eigene Arglosigkeit gegenüber Überwachung, welche die Karriere des legendären Markus Wolf 1986 diskret wie unrühmlich beendeten. Verständlich, dass in Wolfs Memoiren die Abhörer, denen die DDR den Großteil ihres Herrschaftswissens zu verdanken hatte, keinen allzu breiten Raum einnahmen.

Männchens Auftrag beschränkte sich jedoch nicht nur auf das Horchen. So ergriff man zu Zeiten der Solidarność-Bewegung auch aktive Maßnahmen und schüchterte bei Verbindungen nach Polen mitunter die Teilnehmer durch Hineinrufen in Gespräche ein. Für den Spannungsfall vorbereitet wurden Deaktivierungen und Störungen

High-Tech

Männchen behielt stets den technologischen Fortschritt im Auge. Aufgrund kompromittierender Abstrahlung von Computern konnte die HA III auf selbige zuzugreifen ohne unmittelbaren Kontakt zugreifen. Die Abhörtechnik passte locker in einen VW-Bus, mit dem man vor den entsprechenden Gebäuden parkte. Technischen Support leistete ausgerechnet der Westen. So durfte der Geheimdienst ganz legal einen 1,5 Millionen D-Mark teuren Rechner von Siemens kaufen, den die Siemens-Techniker ab und an sogar vor Ort warteten.

Als zwischen Frankfurt am Main und Westberlin eine Glasfaserleitung für Transit gelegt und die Kommunikation digitalisiert wurde, nahm Männchen die Herausforderung an. Noch vor Inbetriebnahme des Kabels gelang es, die Kommunikation optisch zu splitten, so dass den Horchern Tausende weitere vermeintlich sichere Kanäle offen standen. Schließlich belauschte Männchen auch Datenübertragungsstrecken der Bundespost Standleitungen für Datex-L- und Datex-P. Sorgen bereitete Männchen jedoch die Umstellung des Systems der C-Netz-Autotelefone von Großraum- auf auf Kleinfeldzellen-Struktur, was eine Vielzahl an Empfängern erfordert hätte.

Mitte der 1980er stellte sich Männchen einer neuen Herausforderung. Die Mitbewerber der NSA hatten eine neue Technologie entwickelt: Stimmenanalyse. So war es der NSA möglich, anhand Stimmproben von Zielpersonen deren Signatur zu erkennen und aus der überwachten Masse an Daten auszufiltern. Da die erforderlichen Bauteile nicht beschafft werden konnten, ließ Männchen die Elektronik selbst entwickeln. Ab 1988 war auch diese Überwachungstechnologie einsatzbereit. Hatten sich bislang die MfS-Lauscher manuell in die Fernkommunikation ihrer Mitmenschen eingestöpselt und die Kapazitäten durch Personal eng begrenzt, war das MfS nunmehr in der Lage, automatisiert auszuwerten. 1989 hatten Männchens Lauscher 40.000 Anschlüsse im Westen unter permanenter Beobachtung.

Wäre diese Technologie früher in großem Stil eingeführt und zur flächendeckenden Überwachung der eigenen Bevölkerung eingesetzt worden (wie dies heute geschieht), vielleicht wäre die Geschichte anders verlaufen. Doch Männchens schließlich 4.200 Untergebene wurden unverhofft arbeitslos.

Wendehals

Nach der Wende lief Generalmajor Dr. Horst Männchen bereits nach seiner Entlassung im Dezember 1989 zum Klassenfeind über. Dort verriet an den späteren Verfassungsschutzpräsidenten Eckart Werthebach nicht nur sein technologisches Wissen, sondern lieferte auch Agenten der HV A ans Messer, sowie den Schweizer Händler, der ihm stets mit Embargogütern wie Chiffriermaschinen und Bauteilen ausgeholfen hatte. Männchen brachte zudem Zehntausende Tonbänder mit, deren Inhalt ein westlicher Geheimdienstchef als so schrecklich bezeichnete, dass man ihn - so heißt es - vernichtete. Der wendige General ließ sich sogar auf ein Doppelspiel ein, indem er seinen neuen Dienstherrn über den Anwerbeversuch durch das KGB auf dem Laufenden hielt. Neben Männchen liefen auch diverse Lauscherkollegen aus der HA III über.

Die von Werthebach damals erhoffte Welle an Überläufern auch aus der HV A blieb aus, denn die Spionageführer bewahrten sich ganz überwiegend ihren Stolz und schützten ihre Quellen. Männchen riet den Verfassungsschützern dringend, die Mitbewerber im Osten abzuhören und neue getarnte Horchposten etwa in östlichen Ländern einzurichten.

Die Kollegen im Westen waren von Ausmaß und technologischem Können schockiert. Wenigstens die westdeutsche Chiffriertechnik, mit denen die Geheimdienste inzwischen ihre Kommunikation abschirmten, hatte Männchens Lauschern zunehmend Kopfzerbrechen bereitet. Da allerdings Wolfs menschliche Spione an sensiblen Positionen platziert waren, war man im Osten über die westlichen Brüder dennoch hinreichend im Bild. Die Geschichte der H III wurde durch den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes umfassend dokumentiert (Andreas Schmidt: Hauptabteilung III: Funkaufklärung und Funkabwehr (Handbuch). Hg. BStU. Berlin 2010).

Als Motiv für Männchens frühen Frontenwechsel vermutet der Geheimdienst-Experte Andreas Förster, dass sich Männchen von seiner eifrigen Kooperation Straffreiheit wegen möglicher Verwicklungen in "nassen Sachen" versprach. So plagten den Geheimdienstgeneral a.D. Erinnerungslücken, was das vorbereitete Sprengstoffattentat Anfang der 1980er Jahre betraf. Seine weiteren Erinnerungslücken - etwa über die Geheimnisse der Bonner Politik - zahlten sich aus. Historiker hätten an den "man in the middle", der etwa rund um die Uhr das Autotelefon von Uwe Barschel überwachte, viele Fragen gehabt. Als sich Kohl über den Umgang mit seiner Stasi-Akte beschwerte, kommentierte Männchen lässig: "Die Spendenaffäre ist doch nur der Anfang. Da könnten noch ganz andere Dinge rauskommen." Wie viele Informationen das MfS mit Moskau teilte, kann nur gemutmaßt werden. Statt sich an der Geschichtsschreibung zu beteiligen, verbrachte Männchen (wie manch anderer DDR-Geheime) einen geruhsamen Lebensabend in Freiheit. Die dunklen Geheimnisse der Bonner Republik 2008 nahm der Elektrospion mit ins Grab.

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