Magenbakterien sortieren verbrannte Pfannkuchen

Forscher haben eine der am weitesten verbreiteten Bakterienarten dazu abgerichtet, ein mathematisches Problem zu lösen - ein Schritt auf dem Weg zum DNS-Computer

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Manchmal ist ein wissenschaftlicher Beitrag schon seiner Überschrift wegen eine Meldung wert. Ein Beispiel dafür ist der Artikel, den US-Forscher soeben unter dem Titel „Engineering bacteria to solve the Burnt Pancake Problem“ im Journal of Biological Engineering veröffentlicht haben. Wer sich ab und an in die Küche stellt, kennt das Verbrannte-Pfannkuchen-Problem ja vermutlich gut. Und wenn Bakterien bei seiner Lösung helfen sollen, umso besser. Dass ausgerechnet Einwohner des menschlichen Verdauungssystems gemeint sind, lenkt die Gedanken schon in eine etwas andere Richtung. Der ein oder andere wird ja das Verbrannte-Pfannkuchen-Problem auch schon mit Hilfe von Magen und Darm angegangen sein…

Tatsächlich muss man dazu wissen, dass es sich hier um eine mathematische Fragestellung handelt. Dabei geht es darum, einen Stapel von insgesamt n Pfannkuchen zu sortieren - mit der Einschränkung, dass man stets nur die oberste Lage von k Pfannkuchen mit Hilfe eines Schiebers umdrehen darf. So weit das allgemeine Pancake-Problem - nun soll als zusätzliche Einschränkung noch gelten, dass die Unterseiten aller Pfannkuchen verbrannt sind. Und damit der Kunde nichts bemerkt, ist der komplette Stapel derart zu sortieren, dass die verbrannten Unterseiten am Ende brav unten bleiben. Das Problem tritt nicht nur in der Küche auf - dafür entwickelte Algorithmen lassen sich zum Beispiel auch dafür einsetzen, in vernetzten Parallel-Prozessoren das Routing zu optimieren.

Außerdem interessiert sich auch die vergleichende Genetik für das Problem - wie sehr sich zwei Gensequenzen unterscheiden, lässt sich auch nach der Anzahl der nötigen Vertauschungen definieren. Kurioserweise treffen wir beim Burnt-Pancake-Problem auf zwei alte Bekannte: ein gewisser Bill Gates hat dazu 1979 seine so ziemlich einzige wissenschaftliche Arbeit verfasst. Und Futurama-Miterfinder David X. Cohen hat 1995 ebenfalls ein Paper zu diesem Problem veröffentlicht.

Nun schickt die Wissenschaft also statt Computer- und Science-Fiction-Guru eben Escherichia Coli an die Arbeit. Das ist auf Dauer sicher weit billiger. Und man stelle sich das Potenzial vor: Während das menschliche Gehirn gerade mal 100 Milliarden Nervenzellen beherbergt, hat unsere Darmflora zwischen 10 und 100 Billionen Insassen. Ein Prozent davon (also 100 Milliarden bis 1 Billion) sind der Spezies Escherichia Coli zuzurechnen, die die Forscher jetzt als Bausteine eines DNS-Computers verwendet haben.

Das Pfannkuchen-Problem eignet sich hier besonders, weil DNS-Sequenzen gewisse Ähnlichkeiten mit Pfannkuchen haben. Sie sind gerichtet, benötigen eine spezielle Anordnung ihrer Einheiten und lassen sich trotzdem von der zellulären Maschinerie umdrehen. Als molekularen Schieber verwendeten die Forscher einen Mechanismus, den sie beim Durchfallerkrankungen auslösenden Salmonella-typhimurium-Bakterium ausborgten. Die zu vertauschenden Genabschnitte entwarfen die Wissenschaftler derart, dass E. Coli bei richtiger Lösung des Verbrannte-Pfannkuchen-Problems Antibiotika-resistent wird. Jetzt muss man nur noch wissen, wie lange ein Tauschvorgang dauert - und schon ergibt der Zeitpunkt, zu dem das erste resistente Bakterium erscheint, die Anzahl der minimal nötigen Tauschvorgänge.

Erstmals, so die Forscher, gelang dies sogar am lebenden Objekt. Dass unser Darm demnächst zum Supercomputer wird, ist trotzdem nicht wahrscheinlich, denn die Technik hat die natürlichen Nachteile eines DNS-Computers: Sie arbeitet zwar sehr effizient (weil in hohem Maße parallel) und ist billig, sie kann aber immer nur ein einziges Problem lösen.