Magical Mystery Mom
Ein Zwischenruf zum Muttertag
Mütter sind etwas ganz Besonderes. Sie leisten Unvorstellbares. Unbezahlbares. Übermenschliches. Mutter zu sein, ist der härteste Job der Welt. Das sollten wir nie vergessen. Und damit wir es nie vergessen, machen uns unzählige Kampagnen via Plakat oder Werbefilm darauf aufmerksam. Danke, Mama. Blümchen, Pralinen, Grußkarten oder schicke Essenseinladungen können nie aufwiegen, was du für uns getan hast. Du bist die Größte.
Und dann kommen die Aufzählungen, was so ein Mama-Job alles mit sich bringt: schlaflose Nächte. 24-Stunden-Rundum-Service für die Familie. Ständiges Zurückstecken. Man braucht kulinarische, medizinische, betriebswirtschaftliche Kompetenzen. Muss als Mediator fungieren, als Lebensberater, Psychologe. Immer ein offenes Ohr haben. Einen engen Terminkalender managen. Chauffeurdienste leisten. Und ständig zurückstecken.
Mütter haben keine Ferien. Mütter dürfen nicht krank werden, sonst bricht das Chaos aus. Mütter müssen stressresistent sein und höchst belastbar. Mütter halten alles zusammen. Und falls ich es noch nicht erwähnt habe: Sie müssen ständig zurückstecken. Quillt Ihnen jetzt schon die Träne im Auge? Mir auch. Vor Zorn.
Es wird Zeit für Widerspruch, und zwar für massiven. Damit setze ich mich jetzt splitternackt in die Nesseln. Die Mütter-Apotheose ist unanfechtbar. Gegen Mütter darf man nichts Negatives sagen. Sie sind die Tollsten. Wonderwomen. Und genau das regt mich auf. Gegen ehrliche Wertschätzung ist ja nichts einzuwenden. Es ist gut und richtig, wenn die Leistung von Müttern anerkannt wird. Aber die Mutterschaft zum Härtefall des Menschenmöglichen zu erklären, schießt über das Ziel hinaus. Damit tut man am Ende niemandem einen Gefallen. Den Müttern nicht, die damit zu surrealen Wunderwesen stilisiert werden. Und dem ganzen Rest erst recht nicht.
Vätern wird mit der Mütter-Beweihräucherung suggeriert, dass ihr gesellschaftlicher Beitrag ein vernachlässigbarer sei. Als ob Väter nicht trösten, nicht wachen, nicht Anteil nehmen würden. Kinderlose Menschen sind ohnehin gesellschaftliche Randfiguren, denen Egoismus unterstellt wird. Egal, was sie tun (Krankheiten erforschen und bekämpfen, Wohnviertel planen, selbstfahrende Autos entwickeln, Kunstwerke erschaffen oder was sonst an Sinnlosem übrig bleibt), es kann nie so wichtig und wertvoll sein wie Mamas Job. Gerechterweise kriegen sie daher keine Wertschätzung, sondern nur schnödes Geld. Das bleibt Mama zum Glück erspart.
Und damit wären wir schon beim letzten Punkt: Mama hat nicht nur den tollsten, schwersten, übermenschlichsten Job - sie hat auch den finanziell unattraktivsten. Und daran ändern auch all die wohlmeinenden Danke-Mama-Videos nichts. Deswegen glaube ich auch, dass diese Kampagnen vor allem eines erreichen: Sie jagen jungen Frauen Angst ein. Je mehr die Mutterschaft zur größtmöglichen menschlichen Leistung aufgebauscht wird, desto unattraktiver wird sie letztendlich. 24 Stunden am Tag perfekt sein müssen? Für umsonst? Da wird' ich doch lieber Ernährungsberaterin.
Wer sich heute mit dem Gedanken trägt, eine Familie zu gründen, der wird zuallererst einmal mit erhobenem Zeigefinger ermahnt. Bist du bereit dafür? Kannst du dir das überhaupt leisten? Und ist dir schon klar, dass du dir damit die Hölle auf Erden bereitest? Denn natürlich ist es schön und gut, ein Kind zu haben. Aber es ist auch sauhart.
Verabschiede dich von jeglichem Privatleben. Von Spontanität und Gemütlichkeit. Das ist dann vorbei, und zwar vorläufig für immer. Sobald du ein Kind hast, lebst du in einem ununterbrochenen Frondienst. Und egal, wie du es anstellst, du wirst dich dabei mies fühlen. Gehst du nicht mehr arbeiten, reduzierst du dich damit freiwillig zur Nur-Hausfrau. Gehst du wieder arbeiten, bist du eine Rabenmutter. Deine Entscheidung.
Recht machen wirst du es uns, deinen dich unablässig und unerbittlich beäugenden Mitmenschen, nie. Wenn dein Kind herumheult, hast du was falsch gemacht. Wenn es nicht herumheult, unterdrückst du es wahrscheinlich. Wenn du es wagst, auch einfach mal was ohne Kind zu unternehmen, lässt du es verwahrlosen. Dein eigener Anspruch und wir werden dafür sorgen, dass du nie wieder zur Ruhe kommst. Das schlechtes Gewissen und das nagende Gefühl der Unzulänglichkeit werden deine ständigen Begleiter.
Als Vater kannst du dich vielleicht noch irgendwie rausschlängeln. Aber als Mutter wirst du einfach nur versagen, und zwar auf der ganzen Linie. Denn das, was wir Müttern unterstellen, kann in Wirklichkeit kein normaler Mensch auf die Reihe kriegen. Und jetzt kommt's: Das musste auch nie ein Mensch auf die Reihe kriegen. Die Multitasking-erprobten Übermütter ohne Verschnaufpause sind eine Phantasie der letzten Jahrzehnte.
In der Geschichte der Menschheit lief Kindergroßziehen fast nebenbei. Die Mütter spielten zwar eine zentrale, aber nicht die einzige Rolle. Für die Kinder waren alle da, neben den Eltern auch die Geschwister, die Großeltern, die Onkel und Tanten, die ganze Sippschaft. Mütter wurden mit der Bürde nicht allein gelassen - und es war keine derartige Bürde, wie uns heute weisgemacht wird. Mit der Mystifizierung der Mutterschaft wird ein Familienbild zementiert, das uns nicht gerecht wird - und das nicht dazu angetan ist, junge Menschen zur Familiengründung zu ermutigen.
Natürlich stimmt es, dass Eltern eine große Verantwortung tragen. Aber statt ihnen diese große Verantwortung ständig um die Ohren zu hauen, sollte man dafür sorgen, dass sie damit nicht alleine dastehen. Das wäre wertvoller als sämtliche tränentreibenden Danke-Mama-Kampagnen zusammen. Aber natürlich nicht annähernd so rührselig. Schade.