Malaysia: Das Ende eines autoritären Systems?
Seite 2: Ethno-Politik
Aber zurück zu Malaysia: Trotz des Rauswurfs Singapurs hatte die UMNO und ihre Bündnispartner bei den Wahlen 1969 einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Vor allem neugegründete chinesische Oppositionsparteien hatten zugelegt. Seinerzeit machten Chinesen noch rund 40 Prozent der Bevölkerung aus.
Im Anschluss an die Wahlen kam es in der Hauptstadt Kuala Lumpur zu mehrtägigen antichinesischen Pogromen, die nach einem zeitgenössischen Bericht des Magazins Times an die 600 meist chinesische Todesopfer gefordert haben könnten. Die später veröffentlichten offiziellen Zahlen lagen knapp unter 200.
Im Anschluss an die Pogrome konnte die Regierungsallianz um UMNO ihre Position zementieren. Die Malaien wurden mit der oben beschriebenen Privilegierung bedient und die chinesische Bevölkerungsgruppe war für Jahrzehnte eingeschüchtert, so dass sie künftig nur die mit UMNO verbundenen chinesischen Organisationen unterstützte. Ein Mehrheitswahlrecht, in dem der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt ist, tat ein Übriges, um das Aufkommen neuer Parteien zu erschweren.
Zudem wurde die Linke völlig an den Rand gedrängt. Die Kommunistische Partei, die im zweiten Weltkrieg einen Partisanenkrieg gegen die japanischen Besatzer geführt hatte, war schon von den Briten in den Dschungel zurück getrieben worden, und auch die konservativen und monarchistischen Kräfte - Malaysia ist eine konstitutionelle Monarchie, dessen Königskrone alle fünf Jahre unter den neun lokalen Monarchen einzelner Bundesstaaten weitergegeben wird - hatten kein Interesse an einem Friedensabkommen.
Entsprechend dauerte der Dschungelkrieg mit der Guerilla bis zu einem 1989 unter thailändischer Vermittlung abgeschlossenen Abkommen an. In den 1970er Jahren flammte er, wie auch ein ganz ähnlicher Konflikt im benachbarten Thailand, besonders auf und lieferte der UMNO-Regierung zugleich den Vorwand, Linke und Gewerkschaften zu unterdrücken.
Die Veränderung: Auflösung der ethnisch-politischen Lager
Dieses System steht nun vor der Auflösung, aber die Chancen stehen leidlich gut, dass es ein relativ sanfter Übergang werden wird. Der neue Ministerpräsident ist nämlich Mahathir Mohamad, der bereits von 1981 bis 2003 für die UMNO regiert hatte.
Die Beteiligung der von ihm geleiteten Parti Pribumi Bersatu Malaysia (Vereinigte Partei der Indigenen Malaysias) am ungewöhnlichen Oppositionsbündnis hat erst die Übernahme zahlreicher Wahlkreise möglich gemacht, die bisher sichere UMNO-Hochburgen waren. Während diese rund 40 Prozent ihrer Sitze einbüßte, sind ihre chinesischen Partner fast vollständig verschwunden. Nur noch ein chinesischer Abgeordneter, der für die "Nationale Front" kandidierte, schaffte den Einzug in das Parlament.
Der 92-jährige Mahathir ist inzwischen bereits als neuer Premierminister vereidigt und hat auch schon sein Kabinett vorgestellt, wie die malaysische Zeitung The Star berichtet. Vor allem hat er aber dafür gesorgt, dass Anwar Ibrahim, der eigentliche Führer des Oppositionsbündnissesbegnadigt und aus der Haft entlassen wurde. In spätestens zwei Jahren, so die Absprache, soll Anwar Mahathir im Amt folgen.
Die Rivalen
Das Besondere an dem Vorgang: Die beiden Männer verbindet eine langjährige politische Feindschaft. Anwar war einst von 1993 bis 1998 Mahathirs Stellvertreter gewesen und als dessen Nachfolger auserkoren. Doch dann schlug er sich auf die Seite der Demokratiebewegung, die Ende der 1990er einen ersten Höhepunkt erreichte und die repressiven Verhältnisse aufbrechen wollte.
Anwar hatte Aussichten, mit einer neuen Partei UMNO ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten. Mahathir ließ ihn daher verfolgen und mit Gerichtsverfahren wegen Sodomie überziehen. Zweimal saß er seither deswegen im Gefängnis.
Seine politischen Ambitionen hat das allerdings nicht aufhalten können. Die von ihm geführte Parti Keadilan Rakyat (Volkspartei für Gerechtigkeit) ist die stärkste Kraft im Oppositionsbündnis Haparan, das Organisationen aus allen Nationalitäten einschließt und unter anderem auch laizistische mit religiösen Kräften verbindet.
Neben dem Wunsch nach Demokratisierung, der bei Mahathir sicherlich weniger ausgeprägt sein dürfte, verbindet die ungleiche Allianz vor allem das Anliegen, die Korruption bekämpfen zu wollen. Vor allem die Bereicherung des nun abgewählten UMNO-Premierminister Najib Razak hat viele aufgebracht. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, dass Überweisungen aus einem staatlich Fonds auf seinem Privatkonto gelandet sind.
Neben anderem geht es um einen Betrag von 681 Millionen US-Dollar, der offiziell als Spende des saudi-arabischen Königs zu Bekämpfung des Islamismus deklariert worden sei, wie der Fischer Weltalmanach schreibt.