Markenrecht contra Datenschutz

Die Kooperation von Ebay und Rechteinhabern wird immer enger

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Ein guter Name ist Gold wert. Das wissen nicht nur Marken-Inhaber wie Rolex, Gucci oder Tiffany. Auch clevere Ebay-Verkäufer profitieren vom Glanz der Markennamen. Zum Leidwesen von Rolex konnten Geschäftemacher jahrelang billige Imitate bei Ebay verkaufen. Noch im Dezember 2002 entschied das Landgericht Düsseldorf, dass das Auktionshaus Ebay nicht verpflichtet ist, die fraglichen Auktionen zu löschen, denn verantwortlich sei letztlich der jeweilige Verkäufer.

Inzwischen jedoch haben sich die Dinge geändert. Anders als früher unterstützt Ebay die Inhaber von Marken- und Urheberrechten tatkräftig im Kampf gegen Raubkopien, Imitate und Plagiate aller Art. Wer zum Beispiel sein Microsoft Office 97 Paket ohne Zertifikat und Handbuch weiterverkaufen will, muss damit rechnen, dass die Auktion vorzeitig beendet wird. Denn Software ohne dieses Zubehör könnte geklaut sein. Bereits seit Dezember 2002 kooperieren Microsoft und die deutschsprachigen Plattformen von Ebay, nun soll die Zusammenarbeit auch auf andere europäische Plattformen von Ebay ausgedehnt werden.

Ebays vorauseilender Gehorsam

Grundlage für die Löschung von fragwürdigen Auktionen ist das so genannte VeRI-Programm, das bereits 1997 ins Leben gerufen wurde. Hier können sich Rechteinhaber registrieren lassen und fortan gegen sämtliche Auktionen vorgehen, die ihrer Meinung nach gegen ihre Rechte verstoßen. Schon ein "Anfangsverdacht" reicht aus, um ein VeRI-Mitglied auf den Plan zu rufen. Die Folge: Ebay beendet die Auktion vorzeitig und übermittelt an das VeRI-Mitglied sämtliche Kontaktdaten des Verkäufers, also Klarname, Anschrift und – soweit hinterlegt – die Telefonnummer. Der betroffene Verkäufer erhält eine Mail, in der auf die vorzeitige Beendigung der Auktion hingewiesen wird. Auch Kaufwillige, die bereits auf den fraglichen Artikel geboten haben, werden von Ebay per Mail über das vorzeitige Ende der Auktion informiert. Erst wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass die Auktion durchaus rechtmäßig war, kann der Artikel erneut eingestellt werden.

Der Datenschutz bleibt bei dieser Vorgehensweise freilich auf der Strecke. Allerdings hat jeder Ebay-User in der so genannten "Datenschutzerklärung" eingewilligt, dass seine Daten im Zweifelsfall weitergeleitet werden. Und wer genau hinschaut, entdeckt auf nahezu jeder einzelnen Seite von Ebay folgenden Hinweis:

Ausgewiesene Marken gehören ihren jeweiligen Eigentümern. Mit der Benutzung dieser Website erkennen Sie die Ebay-AGB und die Datenschutzerklärung an. Ebay übernimmt keine Haftung für den Inhalt verlinkter externer Internetseiten.

Nun ist das Markenrecht eine knifflige Angelegenheit. Deshalb verweist Ebay ausdrücklich darauf, dass man sich im Zweifelsfall an einen Anwalt wenden soll. Auf den Hilfe-Seiten von Ebay ist lediglich "Grundsätzliches zu Marken und Domänennamen" zu finden, beziehungsweise sollten sich Verkäufer vor dem Hochladen ihrer Artikel auf der Seite mit dem Titel "Unzulässige Artikel" schlau machen, ob sie eventuell gegen die Rechte Dritter verstoßen. Das geht nämlich schneller, als so mancher denkt.

"Ähnlich Cartier" oder "im Gucci-Stil" wird abgemahnt

Genau genommen dürfen Verkäufer noch nicht mal auf Markenartikel verweisen, die ihrem Produkt ähnlich sind. Mit anderen Worten: Wer eine Jeans verkauft, die so ähnlich aussieht wie eine Jeans aus dem Hause Levi Strauss, darf seine Hose laut Ebay nicht mit Formulierungen wie "Jeans wie von Levi Strauss" anpreisen. Denn schon solch ein Vergleich wäre der Ebay-Seite über "Missbrauch von Markennamen" zufolge ein Verstoß gegen das Markenrecht. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Art von Formulierung in der Artikelbezeichnung oder in der Artikelbeschreibung auftaucht. Allerdings heißt es auf der Seite "Grundsätzliches zu Marken und Domänennamen", dass die Formulierung "Diese Uhr hat ein ähnliches Design wie Uhren von Tag Heuer" keine Markenrechtsverletzung darstellt. Wie man sieht, sind zwischen beiden Formulierungen nur geringfügige Unterschiede feststellbar. Es dürfte deshalb selbst für Linguisten schwierig sein, stets die richtigen Worte zu finden. Bislang werden solche verbalen Verstöße gegen das Markenrecht auf der deutschsprachigen Plattform zwar von Ebay nicht systematisch geahndet, aber möglicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch solche Formulierungen zum vorzeitigen Ende von Auktionen führen. Die gegenüber einer abgebrochenen Auktion noch viel unangenehmere Folge, ein teurer Marken- oder Urheberrechtsprozess (Das neue Geschäftsmodell der Plattenindustrie?), ist allerdings auch heute bereits oft die Folge.

In den Vereinigten Staaten geht die Kooperation zwischen Ebay und Rechteinhabern zum Teil noch weiter, wie das New Scientist-Magazin unlängst berichtete. Beispielsweise werden immer häufiger verdeckte Operationen ausgeführt, bei denen Ebay-Händler auf frischer Tat ertappt werden sollen. So ist in den Vereinigten Staaten der Verkauf der Ehrenmedaille des Kongress – die höchste Auszeichnung für Militärangehörige – verboten. Ein Ebay-Händler aus Ontario, der diese Medaille über die kanadische Plattform von Ebay anbot und damit nicht eindeutig gegen das Verkaufsverbot verstieß – es gilt nur innerhalb der Vereinigten Staaten –, wurde von einem V-Mann zu einer weiteren Transaktion überredet. Die Übergabe sollte auf US-Territorium stattfinden. Zwar zögerte der Händler, schließlich jedoch willigte er ein – und wurde festgenommen. Um den ermittelnden Behörden die Arbeit zu erleichtern, hatte Ebay vorab sämtliche User-Daten übermittelt. Für diese Datenweitergabe ist laut Ebay-Regeln noch nicht einmal ein richterlicher Entscheid notwendig. Datenschützer beobachten diese Praktik deshalb mit großer Sorge. Denn immer wieder stellt sich heraus, dass die Vorwürfe unbegründet waren.

Bei Grenzübertritt: Festnahme

Karen Dudnikov zum Beispiel fertigt auf Kundenwunsch Schürzen, Haarschmuck und ähnliches aus Stoffen, die unter anderem mit Comic- und Baseball-Motiven bedruckt sind. Bereits neun Mal wurden ihre Auktionen vorzeitig beendet. Weil sie durchaus berechtigt war, die Stoffe zu verwenden, hat sich Karen Dudnikov gewehrt und sowohl gegen Disney als auch gegen den amerikanischen Baseball-Verband geklagt. Mit Erfolg: Ihre Auktionen konnten wieder online gehen. Außerdem konnte Karen Dudnikov andere Rechteinhaber, die ihre Auktionen sperren ließen, davon überzeugen, ihre Ebay-Beschwerden zurückzuziehen.

Begünstigt wird das vorschnelle Vorgehen von Ebay durch den seit 1998 gültigen "Digital Millennium Copyright Act'". Darin enthalten ist eine Passage, die inzwischen unter dem Titel "notice and takedown" bekannt ist. Demnach ist der Inhaber einer Website nicht zu belangen, wenn er auf Hinweise auf Urheberrechtsverletzungen erstens unverzüglich mit Löschung der fraglichen Seiten reagiert und zweitens nachweisen kann, dass er keine Ahnung hatte davon, dass auf seiner Website etwas Unerlaubtes veröffentlicht wurde.

In den USA wächst der Widerstand

Dass es auch anders geht, zeigte der Fall Verizon: der Provider weigerte sich, die Daten jener User herauszurücken, die nach Meinung der Plattenindustrie an illegalen Tauschbörsen aktiv waren. Verizon gewann vor Gericht, allerdings aufgrund einer Art Gesetzeslücke. Das Gericht war der Meinung, dass sich der DMCA nur auf Websites, nicht jedoch auf Tauschbörsen anwenden lässt.

Für Nimrod Koslovski von der New York University School of Law geht es bei der vorzeitigen Beendigung von Ebay-Auktionen nicht immer nur um die Einhaltung von Marken- und Urheberrecht. Vielmehr würden die Abmahnungen durch VeRI-Mitglieder dafür missbraucht, neue Wettbewerber klein zu halten. Kevin Pursglove, Sprecher von Ebay.com, widerspricht dieser Einschätzung. Gesetz sei Gesetz. Deshalb sei für Ebay belanglos, wieviel Umsatz der jeweilige Händler pro Monat generiert.