Marsch auf Hamburg

Hooligans wollen am 15. November in Hamburg demonstrieren. Nach den Ausschreitungen in Köln werden jedoch Verbote diskutiert

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Die "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) wollen nach den Ausschreitungen von Köln (Ausschreitungen und Fremdenhass) Mitte November in Hamburg erneut gegen radikale Islamisten auf die Straße gehen. Während in der Politik über ein Verbot weiterer solcher Aufmärsche diskutiert wird, feiern große Teile der rechten Szene und die HoGeSa ihren Auftritt mit fast 5.000 Hooligans, Neonazis und Islamfeinden als Erfolg. Zugleich kursieren Verschwörungstheorien, wonach die Polizei, Gegendemonstranten und Migranten die eigentlichen Schuldigen für die Ausschreitungen sein sollen.

Unsicherheiten gab es in den letzten Tagen darüber, wo der nächste Aufmarsch stattfinden soll. Nachdem der Verschwörungsideologe Jürgen Elsässer die Hooligans eingeladen hatte, am 9. November eine "Mahnwache" aus dem Spektrum der "Montagsdemonstranten" (Montagsdemos unter Feuer) zu besuchen, kursierten später Infos zu Aufmärschen in Berlin und Hamburg. Unterdessen scheinen sich die HoGeSa - obgleich Hamburger Hooligans auf Distanz gingen - für den 15. November auf die Hansestaat zu konzentrieren. Alle anderen Verlautbarungen zu ihren Treffen nannte ein Sprecher in einem HoGeSa-typischen Video "totale Grütze".

In Hamburg wollen die Hooligans im Umfeld des Hauptbahnhofes demonstrieren. Zu den Hinweisen, die HoGeSa werde in Berlin am Brandenburger Tor aufmarschieren, hatte der Innensenator der Hauptstadt, Frank Henkel (CDU), angekündigt, die Versammlungsbehörde werde ein Verbot prüfen. "Die neue Dimension der Straßenmilitanz, die wir in Köln erlebt haben", dürfe sich nicht wiederholen. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht gute Möglichkeiten für ein Verbot solcher Demonstrationen, wenn von vornherein klar sei, dass "die Politik nur ein Vehikel ist, um eine Massenschlägerei anzuzetteln". Der Versammlungsrechtler Dirk Heckmann von der Universität Passau glaubt allerdings nicht, dass ein solches Verbot vor Gericht durchzusetzen ist.

Der Verfassungsschutz befürchtet eine Eskalation der Gewalt bei Protesten gegen Salafisten. "Es besteht Anlass zur Sorge, dass sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Extremisten auf unseren Straßen weiter aufschaukeln", sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. In Köln sichtet zwar die Polizei umfangreiches Foto- und Videomaterial, um weitere Tatverdächtige zu finden, indes wird die Kritik an einem völlig falschen Einsatzkonzept der Polizei immer lauter. Auch steht der Vorwurf im Raum, die Polizei habe Hinweise auf die zu erwartenden Ausschreitungen offenbar ignoriert. Darüber hinaus wurden etwaige Auflagen - beispielsweise das Alkoholverbot - nicht kontrolliert und das Zeigen des Hitler-Grußes oder verbotene Naziparolen, geäußert auf Kleidungsstücke oder in den Parolen, nicht verfolgt.

Laut WDR war die Bundespolizei, anders als etwa bei der An- und Abreise der Problemfans zu Fußballspielen, personell nicht in der Lage, Züge und Bahnen zu begleiten, "um Reisende zu schützen oder Straftaten zu verhindern. Reisende hatten berichtet, dass es in Zügen vor und nach der Hooligan-Demo zu Angriffen auf ausländische Mitbürger gekommen sei. Es habe rassistische Äußerungen und Pöbeleien gegen Reisende gegeben." Auch das ZDF-Magazin "Frontal" berichtete über solche Vorfälle. Die Opferberatung im Rheinland, zuständig für die von rechter Gewalt Betroffenen, wies sowohl jene Opfer als auch solche von Über- und Angriffen am Rande des HoGeSa-Aufmarsches darauf hin, dass sie bei der Beratungseinrichtung Hilfe finden können.

Pro NRW und AfD in Schwierigkeiten

Umstritten scheint noch, inwiefern und wie stark Neonazis und Rechtsextremisten an den Organisationsstrukturen der HoGeSa beteiligt sind. Hält mancher sie nur für "Mitläufer bei Hooligans", glaubt der Fachjournalist Olaf Sundermeyer, dass Rechtsextremisten und Neonazis sehr wohl stark im HoGeSa-Netzwerk mitmischen und sich nun durch den "Aufstand der Unanständigen" bestärkt fühlen. Neonazis und Hooligans seien "wie im Rausch".

Andererseits dürfte der Anmelder des Kölner Aufmarsches, Dominik Roeseler aus Mönchengladbach, seiner Partei "Pro NRW" einen Bärendienst erwiesen haben. Zwar distanzierte sich die islamfeindliche und rechtsradikale Splitterpartei von den Hooligans und pfiff Roeseler, immerhin einer von mehreren stellvertretenden Vorsitzenden von "Pro NRW", zurück aus der HoGeSa-Leitung (Ausschreitungen und Fremdenhass). Doch in Köln dirigierte und animierte der junge Mann mit einem Megaphon bei der Demonstration die Hooligans zu Sprechchören und Liedern. "Pro NRW" distanzierte sich nach den Ausschreitungen hingegen erneut von den Hooligans und will nun "alsbald zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über Konsequenzen aus den Kölner Ereignissen zu beraten". Gemeint sein dürften damit besonders die parteiinternen Konsequenzen.

Denn immerhin war neben Roeseler auch ein weiteres Vorstandsmitglied von "Pro NRW", Jörg Uckermann aus Köln nämlich, zeitweise Teilnehmer der HoGeSa-Versammlung. Ein weiterer stellvertretender Chef von "Pro NRW" ist Wolfgang Palm aus Aachen, ein vom Dienst suspendierter Polizist, von dem sich die Splitterpartei erhofft, nach außen besonders seriös auftreten und weitere Polizisten ansprechen zu können. Roeseler dürfte dieses Vorhaben erheblich torpediert haben, immerhin wurden in Köln bei den Ausschreitungen fast 50 Polizisten verletzt. Offenkundig nutzt der mediale HoGeSa-Hype derzeit also nicht allen Parteien und Gruppen, die sich am rechten politischen Rand tummeln.

Auch innerhalb der "Alternative für Deutschland" (AfD) sorgten die Ausschreitungen für Verwirrungen. Während die Hamburgerin Tatjana Festerling, deren Mitgliedschaft bei der AfD sich möglicherweise dem Ende zuneigt, die Hooligans lobte und "in keinster Weise rassistisch[e], rechtsextrem[e] oder gewaltauffordernd[e]" Parolen in Köln gehört haben will, teilte der stellvertretende AfD-Bundessprecher Alexander Gauland mit, die "Gewaltexzesse in Köln" seien "absolut inakzeptabel".