Matrix ist in Florida

In Florida wird von einer dubiosen Firma eine Datenbank namens "Matrix" mit persönlichen Informationen von Amerikanern entwickelt, die bundesweit eingesetzt werden soll

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Nicht nur bei der Darpa, im Weißen Haus oder im Heimatschutzministerium wird am Ausbau der Überwachung gearbeitet, indem mehr Daten gesammelt und angeblich im Dienst der Terroristenabwehr nach verdächtigen Mustern durchforstet werden. Die amerikanische Rasterfahndung hat nun im Bundesstaat Florida, dessen Gouverneur Bush-Bruder Jeb ist und der für den für George W. Bush erfolgreichen Ausgang der Präsidentschaftswahlen wesentlich mitverantwortlich war, einen vorläufigen Höhepunkt in dem auch noch Matrix genannten System gefunden.

Für Namen scheinen Behörden, die für Sicherheit sorgen und denen daher möglichst weitgehende Überwachung ein selbstverständliches Instrument ist, kein besonderes Gespür zu haben. Wo sie nur Positives sehen wie etwa beim einstigen "Total Awareness Information"-System, das man schnell zu Terrorist Information Awareness) umbenannt hat, sehen andere - berechtigt - die Vorstufen zu einer totalen Überwachung. Ungeschickt verhielt man sich auch im FBI, als man ein System zur Überwachung von Internetdaten Carnivore (Fleischfresser) nannte. Ausgerechnet eine landesweite Datenbank, in die Milliarden von Daten nicht nur von Kriminellen, sondern auch aller Bürger eingespeist werden, den Namen Matrix zu geben, spricht zwar dafür, dass man bei den Behörden in die Kinos geht, aber man hat wohl nicht berücksichtigt, dass im Film das umfassende Netz nicht gerade positiv besetzt ist.

Matrix ist, wie üblich, natürlich eine Abkürzung für Multistate Anti-Terrorism Information Exchange. Mit dem System, entwickelt von der Firma Seisint in Boca Raton, Florida, sollen, wie die Washington Post berichtet, Muster und Verbindungen zwischen Personen und Ereignissen schneller gefunden werden. Eingespeist werden in die Datenbank Informationen der Strafverfolgungsbehörden sowie persönliche Informationen von Amerikanern, die in käuflichen Datensammlungen verfügbar sind. Alles sei ganz harmlos, weil das System nur Daten benutze, die sowieso vorhanden und verfügbar seien. Wie der Name schon sagt, soll das System später nicht nur für Florida, sondern erst einmal in insgesamt 13 Bundesstaaten (Alabama, Connecticut, Florida, Georgia, Kentucky, Louisiana, Michigan, New York, Oregon, Pennsylvania, South Carolina, Ohio und Utah) eingesetzt werden und den Datenaustausch zwischen den Ländern verbessern. Für das Pilotprojekt sind Virginia, Maryland, Pennsylvania und New York vorgesehen.

Dabei geht das Matrix-Projekt gar nicht auf die Initiative von Behörden, sondern auf die eines Unternehmers zurück, der entweder meinte, sich um den Staat verdient machen zu wollen, oder aber glaubte, dass mit Sicherheitstechnik auch künftig gute Geschäfte zu machen sind. Hank Asher, der Gründer der IT-Firma Seisint, rief anscheinend kurz nach den Anschlägen vom 11.9. bei der Polizei in Floria an und versprach, er könne die Terroristen und andere finden, die verdächtig sind. Erst einmal kostenlos stellte Seisint dann Florida Matrix zur Verfügung. Dann wurde das System in anderen Staaten vorgeführt und wohlwollend aufgenommen. Dabei kam die Idee auf, die Datenbank mit einer Suchmaschine namens "Who" auszustatten, die im Zentrum des Projekts stehen sollte.

Das Justizministerium von Florida hat dann in das von Seisint entwickelte Programm Matrix weitere vier Millionen Dollar gesteckt, um es landesweit zu erweitern. Und auch für das angeblich kostenlos für Florida entwickelte System hat Seisint gerade 1,6 Millionen beweilligt bekommen. Das Heimatschutzministerium wird weitere 8 Millionen investieren. Offenbar wird das System bereits seit einem Jahr in Florida benutzt. Bislang sollen sich 135 Polizeibehörden angeschlossen haben. Matrix soll nach einem Dokument des Justizministeriums "den Austausch von Informationen über Terrorismus und andere kriminelle Aktivitäten erweitern und verbessern". Abgesprochen wurde das System offenbar auch mit dem demokratischen Senator Bob Graham, während dieser Leiter des Geheimdienstausschusses war. Graham und die Demokraten hatten übrigens hohe Spenden von Seisint erhalten.

Update

Neben Virginia, Maryland, Pennsylvania und New York nimmt auch Washington D.C. an der geplanten Matrix-Datenbank oder dem weniger monströs klingenden internetbasierten Justice Information System teil. Der demokratische Bürgermeister Anthony Williams von Washington D.C. wies noch einmal darauf hin, dass es dabei nicht nur Informationen zur Vorbereitung auf Notfälle, sondern auch zur Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität handelt. Man würde die Informationen auf die Daten der Strafverfolgungsbehörden beschränken und nicht alle verfügbaren Daten aller Amerikaner in einer zentralen Datenbank speichern.

Das System soll es, wie Margret Nedelkoff Kellems, die in Washington für öffentliche Sicherheit zuständig ist, beispielsweise ermöglichen, in Kraftfahrzeug-Daten nach Fotografien und Informationen über rothaarige Besitzer von roten Hondas im Umkreis von 30 Kilometern um einen bestimmten Ort zu suchen. Das hieße dann aber doch, dass Informationen über alle Bürger zumindest der beteiligten Bundesstaaten verfügbar sein würden. Kellems war offenbar bemüht, das mit staatlichen Geldern weiter entwickelte System von der Matrix-Datenbank in Florida abzugrenzen, die mehr Daten enthalten soll.

Und wie schon im Fall von Poindexter bei TIA ist auch der Asher eine dubiose Gestalt. 1999 beendete die DEA und das FBI einen Vertrag mit einer Asher-Firma, weil bekannt wurde, dass er von einem Zeugen als Pilot und Drogenschmuggler identifiziert worden ist und als Informant fungiert hat. Von der Drogengeschichte wisse man im Justizministerium, aber schließlich sei er weder angeklagt noch verhaftet worden. Seit 1993 arbeitet Asher zusammen mit den Strafverfolgern in Florida, dem Florida Department of Law Enforcement (FDLE) - unbeschadet dessen, dass das FBI und die DEA 1999 die Verträge mit seiner alten Firma DBT Online wegen seiner Verbindungen mit dem Drogenschmuggel beendeten, woraufhin Asher die Firma verkauft hatte. Trotzdem erhielt seine neue Firma Seisint in Florida zwei Verträge, ohne dass dabei eine Ausschreibung stattfand. Mit dem ehemaligen Direktor des FDLE, der gerade pensioniert wurde, ist Asher eng befreundet. Der neue Direktor hat inzwischen eine Hintergrundüberprüfung von Asher angeordnet.

Asher hat auch für andere Behörden wie dem FBI oder dem Secret Service kostenlos gearbeitet. Angeblich habe die Firma tatsächlich dabei geholfen, Verbindungen zwischen den Flugzeugentführer vom 11.9. herzustellen. Bekanntlich haben einige der Flugzeugentführer unter immer noch mysteriösen Umständen in Florida Flugunterricht genommen. Auch hier gibt es Verbindungen zum Drogenschmuggel (Der Handel mit dem Feind).

Interessant ist auch, dass Florida 1998 mit der DBT, der damals noch Asher gehörenden Firma, einen Vertrag über 4 Millionen Dollar abschloss, um eine Wählerliste zu erstellen, auf der sich diejenigen befanden, die von der Wahl ausgeschlossen werden können. DBT wurde später zu ChoicePoint. Für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 wurden aufgrund der Informationen von ChoicePoint von der Innenministerin Katherine Harris einige Zehntausend Menschen - vornehmlich Schwarze, Latinos und arme Weiße, also eher Gore-Wähler - von der Wahl ausgeschlossen, die angeblich in anderen Staaten Vorstrafen hatten. In den meisten Bundesstaaten dürfen Straftäter aber nach Verbüßung ihrer Strafe wieder wählen. Manche der Straftäter wurden auch erst in der Zukunft verurteilt, wie Greg Palast berichtet. Die Liste der angeblich Vorbestraften ist angeblich aus Texas gekommen. Zwar wurde die Liste von Harris korrigiert, aber Tausende blieben weiterhin von der Wahl ausgeschlossen. Die Wahl in Florida ging gerade einmal mit 500 Stimmen Mehrheit für Bush aus. In Florida wurden zudem über 170.000 abgegebene Stimmen für ungültig erklärt. Eine Nachzählung wurde vom Obersten Gericht als nicht für notwendig befunden, das Bush daher als Sieger der Wahl anerkannte. Eine Nachzählung ergab allerdings, dass bei einer Nachzählung Al Gore der Gewinner und Florida und damit auch in den USA gewesen wäre (George W. Bush ist rechtlich, aber wahrscheinlich nicht faktisch der von der Mehrheit gewählte US-Präsident).