Maximal 30 Prozent für die Miete per Gesetz – prima Idee oder Aktionismus?

Nicht selten werden für schließfachähnliche Appartements Gehaltszettel erwartet, von denen Wohnungssuchende nur träumen. Foto: Alexander Jungmann auf Pixabay (Public Domain)

Die meisten Vermieter bevorzugen ohnehin Besserverdienende. Ein Vorschlag vom Berlins Regierender Bürgermeisterin nährt Befürchtungen, dass dies zementiert werden könnte

Vermieter dürfen Wohnungssuchende nach Einkommen diskriminieren – kein Gesetz verbietet das, denn wer realistisch gesehen die Miete nicht zahlen kann, ist aus dem Rennen. Logisch. Die Vorstellungskraft von Vermietern reicht aber mangels Übung nicht immer, um sich auszumalen, wie andere Menschen mit einem Nettolohn von 1500 Euro oder weniger auskommen. Einige schaffen das aber notgedrungen. Auch wenn Großstadtmieten selbst für Ein-Zimmer-Appartements bei Neuvermietung mehr als die Hälfte ihres Einkommens auffressen können.

Letzteres findet auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nicht schön. Sie möchte sozial sein – und nicht so, wie sie von mietenpolitischen Initiativen in der Hauptstadt gesehen wird, weil sie und ihr Senat den erfolgreichen Volksentscheid für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen im Sand verlaufen lassen und erst einmal eine Kommission darüber beraten soll.

Der Handlungsdruck ist nicht zu leugnen

Klar ist: Die Initiativen geben keine Ruhe – und dass sich auf dem Wohnungsmarkt etwas ändern muss, ist Mehrheitsmeinung in Berlin. Schon der 2020 vom Vorgängersenat eingeführte Mietendeckel war ein Ergebnis dieses politischen Handlungsdrucks. Doch diesen "Deckel" hat im vergangenen Jahr das Bundesverfassungsgericht abgeschraubt – wegen formeller Unzuständigkeit des Landes Berlin – und weil der Bund mit der "Mietpreisbremse" angeblich schon die Thematik abschließend geregelt habe.

Dieses Instrument greift aber gerade nicht flächendeckend, sondern es bleibt per Bundesgesetz den Ländern überlassen, Gebiete mit besonders angespannten Wohnungsmärkten auszuweisen, in denen die Preisbremse ein Limit von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete setzt – allerdings nicht für Neubauten und auch nicht bei Erstbezug von Altbauten nach einer umfassenden Sanierung. Unter dem Strich empfanden viele Mieterinnen und Mieter die Bremswirkung als ungenügend.

Als neues Instrument haben Giffey und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) nun eine Belastungsgrenze für Mieterinnen und Mieter vorgeschlagen: "Stellen Sie sich vor, dass niemand in Berlin mehr als 30 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete zahlen muss. Das wäre fair und eine nachvollziehbare Lösung für alle", sagte Giffey in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Dazu könne eine "öffentliche Mietpreisprüfstelle, die die Höhe der Überschreitung feststellt", eingerichtet werden.

Zweierlei Kritik

Damit schaffte es die Regierende Bürgermeisterin, sich sowohl Kritik aus den Reihen der CDU als auch aus denen der Linkspartei einzuhandeln – wobei letztere oft genug selbst bemängelt, dass fast jeder zweite deutsche Großstadthaushalt ohne Wohneigentum real mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete ausgibt.

Wer aber mit vergleichbarem Einkommen eine Wohnung sucht, könnte sich über eine gesetzliche Belastungsgrenze aber nicht freuen, solange Vermieter die Vorlage von Gehaltsabrechnungen oder Kopien von Kontoauszügen verlangen dürfen. Ärmere Wohnungssuchende würden dann wohl von einigen Vermietern nur noch rigoroser aussortiert, denn sie könnten ja zur Prüfstelle gehen.

Giffeys Vorschlag werde "dazu führen, dass Vermieter künftig hauptsächlich an Menschen mit hohem Einkommen vermieten wollen und arme Haushalte kaum mehr eine Wohnung finden", sagte die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Caren Lay, der Zeitung Die Welt.

Der wohnungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), hat andere Bedenken: Neben dem Verdacht, dass dieser Vorschlag nur "Druck aus der Enteignungsdebatte nehmen" solle, die die "rot-grün-rote" Berliner Koalition zu spalten drohe, äußerte Luczak, dies sei "der erste Schritt zu einem vollständig durchregulierten und behördlich überwachten Mietmarkt".

Nur mit Wohnberechtigungsschein

Nach Informationen der Berliner Zeitung soll die 30-Prozent-Regelung allerdings nur Haushalten zugute kommen, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben. Hierfür darf abhängig vom Bundesland eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschritten werden. Grundlage dieser Festlegung durch die Länder ist das Wohnraumförderungsgesetz. Zudem sollen für die vorgeschlagene Berliner 30-Prozent-Regelung die Wohnflächengrenzen des sozialen Wohnungsbaus gelten.

Wohl auch unter dem Druck des Volksbegehrens hat die Deutsche Wohnen SE in Berlin bereits 2019 eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben, "künftige Mieterhöhungen nach Mietspiegel so zu begrenzen, dass ein Haushalt maximal 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden muss" und "jede vierte neu zu vermietende Wohnung an Mieter zu vergeben, die einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben".