May will trotz Verlust der absoluten Mehrheit nicht zurücktreten

Bild: DonkeyHotey. Lizenz: CC BY 2.0

Die britische Premierministerin möchte mit den nordirischen Protestanten weiterregieren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Informationen der BBC nach will die britische Premierministerin Theresa May trotz ihrer relativen Wahlniederlage nicht zurückzutreten. Vorher hatten Kommentatoren wie Fraser Nelson befunden, nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit sei es "eher eine Frage wann, als eine Frage, ob sie zurücktritt". In Sozialen Medien hatte Nutzer in der Nacht massenhaft Witze vom "Lifespan of a Mayfly" bis hin zur Feststellung: "On June 9th you can definitely say: MAY is gone" gemacht.

Stattdessen will die Premierministerin um 13 Uhr 30 Mitteleuropäischer Sommerzeit zur Königin gehen, um ihr ein Weiterregieren mit Unterstützung der nordirischen Protestantenpartei DUP anzukündigen, deren Führer sich der BBC zufolge bereit erklärten, May informell und ohne Koalitionsvereinbarung zu dulden. Die DUP-Abgeordneten stimmten bereits in der Vergangenheit meistens mit den Tories und wollen am Nachmittag eine Presserklärung abgeben. Der BBC gegenüber erklärten einzelne Parlamentarier der Partei, von einer "Einigung" mit den Tories zu sprechen wäre zwar "verfrüht", aber man habe miteinander geredet und sich verständigt.

Nach Auszählung von 649 der insgesamt 650 Wahlkreise liegen die Tories nach einem Verlust von elf Mandaten jetzt bei 318 Sitzen, gewinnen sie - wie prognostiziert - auch noch Kensington, kommen sie auf 319. Bei ihnen büßte unter anderem Ben Gummer, der das umstrittene Wahlmanifest mit der "Demenzsteuer" verfasst hatte, seinen Wahlkreis ein. Auch die Kabinettsmitglieder Rob Wilson, Jane Ellison, Gavin Barwell und James Wharton wollten die Wähler nicht mehr im Parlament sehen. Innenministerin Amber Rudd behielt ihren Wahlkreis in Hastings ganz knapp mit nur etwa 300 Stimmen Vorsprung.

Parteilandschaftsbereinigung in Nordirland

Zusammen mit den Abgeordneten der DUP (die auf Kosten ihrer etwas moderater protestantischen und jetzt nicht mehr im Parlament vertretenen Konkurrenz UUP um zwei Mandate auf zehn zulegte) hätten die Konservativen mit 328 oder 329 Sitzen zwei oder drei mehr als die theoretische und sechs oder sieben mehr als die praktische absolute Mehrheit. Die theoretische und die praktische Mehrheit weichen voneinander ab, weil die katholischen Separatisten der nordirischen Sinn Féin (die die Zahl ihrer Mandate auf Kosten der ebenfalls ausgeschiedenen labournah-katholischen SDLP von vier auf sieben fast verdoppelte) ihre Sitze generell nicht einnehmen, da sie der Königin keinen Eid schwören wollen (vgl. UK: Debatte um Labour-Duldung durch Sinn Féin).

Labour verbesserte sich mit einem Zugewinn von 9,6 Punkten auf 40 Prozent Stimmenanteil und von 232 auf 261 oder 262 Sitze, was Jeremy Corbyns Position als Parteichef stabilisiert. Größter Verlierer der Wahl ist die schottische Regionalpartei SNP, die nach einem Verlust von 21 Sitzen nur mehr 35 Separatisten nach Westminster entsenden darf. Auch ihr Fraktionschef Alex Salmond büßte seinen Wahlkreis ein. Britische Medien sehen die Wahrscheinlichkeit eines zweiten schottischen Unabhängigkeitsreferendums dadurch deutlich gesunken.

UKIP: Anti-Establishment-Anziehungskraft von Corbyn unterschätzt

Die Liberaldemokraten, die 2015 fast ausgelöscht wurden, legten dieses Mal wieder leicht von acht auf zwölf Sitze zu. Ihr Ex-Parteichef Nick Clegg, ein fanatischer Brexit-Gegner, verlor allerdings seinen Wahlkreis. Die walisische Plaid Cymru gewann einen Sitz auf vier hinzu, die UKIP verlor ohne ihren ehemaligen charismatischen Chef Nigel Farage ihr einziges Mandat und vermutet, dass der neue Labour-Führer Corbyn für ihre ehemaligen Wähler als Anti-Establishment-Figur attraktiver war, als sie dachten. Ihr neuer Vorsitzender Paul Nuttall trat heute Vormittag zurück, als potenzieller Nachfolger bot sich auf Twitter der rhetorisch begabtere Raheem Kassam an.

Eine Labour-Minderheitsregierung, die der Parteivize John McDonnell heute Morgen ins Spiel brachte, ist damit sehr unwahrscheinlich: Sie wäre nicht nur auf die Stimmen all dieser Parteien angewiesen, sondern auch auf die der DUP.

Wie lange May regieren kann, hängt nicht nur von der DUP, sondern auch von ihren Tories ab, unter denen die Führungsfrage heute Morgen durchaus offen gestellt wurde - unter anderem vom ehemaligen Finanzminister George Osborne. Die meisten Medien handeln aber nicht ihn als möglichen Nachfolger Mays, sondern Außenminister Boris Johnson, der eigentlich schon nach der Brexit-Entscheidung im letzten Jahr als Favorit für den Parteivorsitz und den Premierministerposten galt. Ob es nach einem immer noch möglichen Sturz Mays durch ihre Partei auch zu einer Parlamentsneuwahl im Herbst kommen würde, an die unter anderem Tony Parsons und der ITV-Kommentator Robert Peston glauben, ist noch offen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.