Mazedonische Regierung will Staatsnamensänderung trotz Quorumsverfehlung
An der Volksabstimmung beteiligten sich lediglich 33,4 Prozent der Wahlberechtigten, nachdem unter anderem Staatspräsident Gjorge Ivanov zum Boykott aufgerufen hatte
An der gestern abgehaltenen mazedonischen Volksabstimmung über eine "Mitgliedschaft in der EU und der NATO unter Annahme der Vereinbarung zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland" beteiligten sich 33,4 Prozent der Wahlberechtigten. Das für eine Gültigkeit gesetzte Quorum von 50 Prozent wurde damit klar verfehlt. Auf diesen Ausgang hatte unter anderem der parteilose (aber der Oppositionspartei VMRO-DPMNE nahe stehende) Staatspräsident Gjorge Ivanov gesetzt, der zum Boykott des Referendums aufrief.
Ministerpräsident Zoran Zaev, der für eine Beteiligung und ein "Ja" geworben hatte, will seinen Plan nun trotz des verfehlten Quorums an das Parlament weiterleiten, weil das Referendum seinen Worten nach nur beratenden Charakter hatte. Außerdem habe sich unter der teilnehmenden Minderheit eine "riesige Mehrheit" von 91 Prozent für sein Vorhaben ausgesprochen, weshalb er deren "Wunsch" nun in eine "politische Aktivität des Parlaments umsetzen" werde. Verweigere die Opposition dort die Genehmigung, werde er Neuwahlen ausrufen.
Auch Hahn und Neuert ignorieren Quorum
Ähnlicher Ansicht zeigten sich der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn und die US-Außenministeriumssprecherin Heather Nauert: Hahn sprach trotz der nicht erreichten Mindestbeteiligung von einem "signifikanten 'Ja-Votum'" und einer "breiten Unterstützung für das Prespa-Abkommen und den euro-atlantischen Weg des Landes". Nauert meinte, das Ergebnis ermögliche es Mazedonien "seinen Platz in der NATO und der EU einzunehmen und zu Stabilität, Sicherheit und Prosperität in der Region beizutragen".
Das im Juni zwischen der mazedonischen und der griechischen Regierung geschlossene Prespa-Abkommen sieht vor, dass Griechenland seinen Widerstand gegen eine Aufnahme seines nördlichen Nachbarn in die EU und die NATO aufgibt, wenn Mazedonien seinen Namen in "Nordmazedonien" ändert. Hintergrund ist, dass Mazedonien historisch gesehen eine weitaus größere und überwiegend zu Griechenland gehörige Region bezeichnet als die ehemalige jugoslawische Teilrepublik.
Albanische UÇK
Das heutige Land Mazedonien gehörte früher zum Vielvölkerstaat Jugoslawien, wo man den vorher zum Bulgarischen gerechneten Dialekt der Bewohnermehrheit im Osten und Süden des Gebiets 1944 aus politischen Gründen zu einer eigenen Sprache erklären ließ und versuchte, im Schulunterricht eine eigene mazedonische Identität zu etablieren. Das, was dabei herauskam, trieb teilweise bizarre Blüten, weshalb es heute Mazedonier gibt, die glauben, ihre Sprache sei bereits von Alexander dem Großen gesprochen worden.
Beim Zerfall Jugoslawiens erklärte sich die Teilrepublik im September 1991 für unabhängig. Acht Jahre darauf versuchte eine albanische UÇK in Mazedonien den Norden und Westen des Landes, wo mehrheitlich Albanischsprecher leben, mit Terror und Gewalt an den Kosovo anzuschließen. Diese Versuche endeten 2001 mit dem Abkommen von Ohrid, durch das albanische Parteien im Parlament ein Vetorecht zugesprochen bekamen.
Euro-atlantisch orientierte Sozialdemokraten
Nach 14 Jahren relativer Ruhe brachen 2015 wieder Kämpfe aus (vgl. Mindestens 22 Tote bei Polizeieinsatz in Mazedonien), was zu einer Regierungskrise und 2016 zu vorgezogene Neuwahlen führte. Nach diesen erklärten sich sowohl die seit 2006 regierende und im Europaparlament mit der christdemokratischen EVP assoziierte VMRO-DPNE mit 51 als auch die sozialdemokratische SDSM mit 49 von insgesamt 120 Sitzen im Parlament zum Sieger.
Nachdem die Sozialdemokraten den Albaner Talat Xhaferi, einen durch das Ohrid-Abkommen amnestierten ehemaligen UÇK-Terroristen, zum neuen Parlamentspräsidenten wählten, gingen die BDI und mehrere andere Albanerparteien ein Regierungsbündnis mit der SDSM ein und machten am im Mai 2017 den euro-atlantisch orientierten Zoran Zaev zum Regierungschef. Vorher war es zu großen Demonstrationen gegen dieses Bündnis und zu Schlägereien im Parlament gekommen (vgl. Mazedonien: Regime Change oder Regierungswechselblockade?).
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