Mecklenburg-Vorpommern: Kauf der Luca-App war illegal
Oberlandesgericht Rostock ordnet Aufhebung des Kaufvertrags an und weist Antrag auf Genehmigung von Fortführung zurück. Konkurrenzangebot war übergangen worden
In der Kontroverse um die Luca-App zur Nachverfolgung von Kontakten in der Corona-Pandemie hat ein niedersächsisches Software-Unternehmen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Rostock einen rechtskräftigen Sieg errungen.
Das Gericht bestätigte die Rechtsansicht der Firma Vidavelopment, nach der die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern mit dem Kauf der umstrittenen App am 8. März dieses Jahres gegen geltendes Vergaberecht verstoßen hat. Der Kauf wurde für unwirksam erklärt.
Vidavelopment hatte mit der sogenannten Vida-App ein konkurrierendes Angebot vorgelegt, aber keinen Zuschlag erhalten.
In einer Erklärung des OLG Rostock heißt es zu dem Urteil (Az.: 17 Verg 4/21):
Aufgrund der infolge der Corona-Pandemie bestehenden nicht vorhersehbaren Dringlichkeit der Beschaffung der Kontaktnachverfolgungs-App im März 2021 sei zwar eine Vergabe ohne vorherige europaweite Ausschreibung zulässig gewesen (gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VGV), dennoch dürfe der Wettbewerb nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch im Falle bestehender unvorhersehbarer Dringlichkeit und daraus folgender Nichteinhaltung der Mindestfristen müsse immer so viel Wettbewerb wie möglich geboten werden. Vorliegend sei es zumutbar gewesen, zumindest mehrere Angebote einzuholen. Jedenfalls hätten die eigeninitiativ durch die Antragstellerin im Oktober 2020 an den zentralen Eingang der Staatskanzlei und erneut am 04.03.2021 per E-Mail an die Adresse der Ministerpräsidentin des Landes MV eingereichten Angebote über die VIDA-App in die Auswahlentscheidung mit einbezogen werden müssen. Dem Land habe es oblegen, diese selbst eingerichteten elektronischen Eingangspostfächer so zu verwalten, dass die E-Mails dem entsprechenden Verwaltungsvorgang zugeordnet werden und bei der Auswahlentscheidung Berücksichtigung finden können.
Aus der Erklärung zum Urteil des OLG Rostock
Das Gericht erklärte weiterhin, dass die Vida-App grundsätzlich konkurrenzfähig sei, "die Mindestanforderungen der Antragsgegnerin" erfülle und - wie die Luca-App - über eine Schnittstelle zur Fachanwendung Sormas verfüge. Sormas dient der Datenerfassung durch die Gesundheitsämter, um die aufwändigeren analogen Übermittlungen zu vereinfachen.
Weiterhin stellte das OLG Rostock fest, dass die in Wallenhorst im Landkreis Osnabrück ansässige Software-Firma Vidavelopment bereits im Oktober 2020 ein Angebot für die Vida-App an die Staatskanzlei gesandt hat. Vier Tage vor dem Kauf der Luca-App habe das Unternehmen sich erneut und dieses Mal direkt an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) gewandt.
Die Luca-App steht von Beginn an in der Kritik. So kritisierte der Chaos-Computer-Club (CCC) bereits im April dieses Jahres ein "zweifelhaftes Geschäftsmodell", "mangelhafte Software" und "Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe", um sich für "das sofortige Ende der staatlichen Alimentierung von Smudos Steuer-Millionengrab 'Luca-App'" auszusprechen. Der Musiker Michael Bernd Schmidt alias "Smudo" hatte wiederholt für die App geworben.
In den vergangenen Wochen wurden eklatante Mängel in Spezifikation, Implementierung und korrekter Lizenzierung der Luca-App aufgedeckt. Die nicht abreißende Serie von Sicherheitsproblemen und die unbeholfenen Reaktionen des Herstellers zeugen von einem grundlegenden Mangel an Kompetenz und Sorgfalt.
Dennoch verschwendeten immer mehr Länder ohne korrektes Ausschreibungsverfahren Steuergelder auf das digitale Heilsversprechen, kritisierten die IT-Experten damals.