Medien-Muesli

"Skandalfotos" von der Ehefrau des Schweizer Botschafters führen in der Schweiz zur hausgemachten Staatskrise

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Die sogenannten Skandalfotos von der Ehefrau des Schweizer Botschafters in Berlin füllen in den Schweizer Medien Spalten und Sendeminuten wie zuvor nur Themen von höchster polititscher Brisanz. Wo genau der Skandal liegt, weiß niemand so wirklich.

Und es kam wie es kommen musste. Shawne Fielding, Gattin des Schweizer Botschafters in Berlin posiert für die Illustrierte Max. Zwar sind die Bilder in keiner Weise aufreizend oder anrüchig, so haben sie trotzdem tüchtig für Wirbel gesorgt. Spätestens seit Fielding auf dem Schoß von Scorpions-Sänger Klaus Meine abgelichtet wurde und ihr Gatte Thomas G. Borer in einer Satiresendung des Schweizer Fernsehens die Geschichte mit dem Hinweis auf Meines vermeintliche Homosexualität zu entschärfen versuchte, steht der offizielle Repräsentant Helvetiens und seine Texanische ex-Miss unter Dauerbeobachtung. Mit einer Mischung aus Stolz und Neid auf das wird hierzulande versucht, dem Phänomen Borer-Fielding beizukommen. Das Resultat: Eine jener hausgemachten ur-helvetischen «Staatskrisen».

Im Bundeshaus zu Bern rauchen die Köpfe und je nach politischer Couleur wird versucht, Kapital aus der Affäre zu schlagen. Was "Max" als "konservative Schweizer" bezeichnet, die nun Borers Versetzung zurück in die schweizer Provinz fordern, sind mehrheitlich Repräsentanten der Christlichdemokratischen Volkspartei CVP, der auch Borers Chef, Außenminister Joseph Deiss angehört. Die sich Moralaposteln gleich gebärdenden CVP-Politiker erhalten Sukkurs vom Boulevardblatt "Blick", das in seiner Freitagsausgabe den Rücktrittsforderungen eine willkommene Plattform lieferte. Obwohl das sogenannte Sprachrohr der Massen einheizt, hält sich die Empörung ob des durchaus gewagten Foto-Shootings in der Schweizer Residenz an der Fürst-Bismarck-Strasse 1 in Grenzen.

Wenn im Ausland von der konservativen, sich einigelnden Schweiz gesprochen wird, taucht gemeinhin die national-konservative Volkspartei SVP und ihre charismatische Leaderfigur Christoph Blocher auf. Ausgerechnet aus dieser Ecke erhält nun Fielding in ihrem Tun Unterstützung. Der Abgeordnete Toni Brunner - wenn Weltoffenheit im Sinne von EU oder UNO gemeint ist ganz der heimattümelnde Isolationist - zollt den "Max"-Bildern Lob in den höchsten Tönen. Selbst den SVP-Parteivorsitzenden Ueli Maurer lässt die sogenannte Affäre kalt. «Mir ist das Ganze eigentlich völlig egal», so Maurer in der Berner Zeitung. Gleichlautende Reaktionen sind von Exponenten der beiden anderen Regierungsparteien FDP und SP zu vernehmen.

Wo also liegt das Problem? Unter Handlungsdruck steht zweifelsohne das Außenministerium von Bundesrat Joseph Deiss. Schließlich wurde Borer vor sechs Monaten wegen der ehrrürigen Äusserung zu Klaus Meine gerügt und hat daraufhin versprochen seine "Medienauftritte künftig gezielter auszuwählen". Was Shawne Fielding nun geboten hat, kann in diesem Sinne denn auch als gezielter Medienauftritt verstanden werden. Inklusive der absehbaren Folgen. Der geheuchelte Aufschrei auf der einen Seite und das Lechzen nach mehr in den Medien sind nichts anderes als Ausdruck einer - ob nun bis in die letzte Konsequenz durchdachten, ist eine ander Frage - Kommunikationsstrategie. Borer ist schliesslich kein Unbekannter, wenn es darum geht, die Schweiz in heiklen außenpolitischen Situationen zu repräsentieren. Als ehemaliger Chef der Task-Force Schweiz-Zweiter Weltkrieg hat er wesentlich dazu beigetragen, dass eine wenig rühmliche Zeit der Schweizer Politik allen Akteuren erfolgreich vermittelt wird.