Medien in der Filterblase: "Das ist nicht nur eine Gefahr, sondern eine Tatsache"

Seite 4: "Manchmal müssen sich Journalisten 'mit einer guten Sache' gemein machen"

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Lassen Sie uns nun näher auf Ihr aktuelles Buch eingehen. Es heißt Medienkrise und Medienkrieg. Warum dieser Titel?

Siegfried Weischenberg: Ich dachte, dass er selbst erklärend ist. So etwas wie "Lügenpresse" kam nicht in Frage, denn dieses Etikett beschreibt ja nur in polemischer Weise die Oberfläche (und zum Glück scheint der Begriff allmählich schon wieder zu verschwinden). "Medienkrise" ist das, was - ökonomisch, aber auch in Hinblick auf den öffentlichen Diskurs - die Existenz des Journalismus seit langem gefährdet.

Ihr Ziel war es also ...

Siegfried Weischenberg: ... die Ursachen für diese Medienkrise zu rekonstruieren und dabei deutlich zu machen, welche Funktion Journalismus hat und vor allem: Was man von ihm erwarten kann und was nicht. Dies kann auch als Diskursangebot für Leute verstanden werden, die inzwischen voller Empörung auf die Berichterstattung reagieren, und zwar auch deshalb, weil sie vielleicht überzogene Erwartungen haben.

"Wutbürger", die inzwischen Krieg gegen die Medien führen und Journalisten mit Beschimpfungen einschüchtern, wird man auf diese Weise zwar nicht erreichen können. Der "Fall Trump" und im Zusammenhang damit der aktuelle Quoten- und Auflagenerfolg anspruchsvoller Medien in den USA zeigt freilich, dass es wieder mehr Leute gibt, welche die Leistungen des professionellen Journalismus zu schätzen wissen.

Wie meinen Sie das?

Siegfried Weischenberg: Seit uns Trump vorführt, dass er ernst macht mit dem, was er im Wahlkampf angekündigt hatte, beziehen Moderatoren und Reporter wie Wolf Blitzer, Christiane Amanpour, Don Lemon oder Chris Cuomo von CNN sowie Redakteure von New York Times und Washington Post deutlich Stellung. Trump hasst deshalb diese Medien am Meisten. Ihre besten Leute glänzen im Moment als Vorbilder - auch für Journalisten in anderen Ländern. Manchmal müssen sich Journalisten wohl doch "mit einer guten Sache gemein machen". Der Kampf gegen einen Politiker, der alle Grenzen überschreitet, gehört für meine Begriffe dazu.

In Ihrem Buch gibt es ein Kapitel mit der Überschrift: "Wie Medienkriege Journalismus vorführen". Wie führen Medienkriege den Journalismus denn vor?

Siegfried Weischenberg: "Medienkrieg" im Titel meines Buchs zielt primär auf den "Krieg gegen die Medien", der von bestimmter Seite geführt wird. In dem angesprochenen Kapitel geht es um die Darstellung von "Krieg in den Medien", also Kriegsberichterstattung, und zwar konkret am Beispiel der beiden Irak-Kriege, die Vater und Sohn Bush geführt haben. Da wurde der Journalismus insofern vorgeführt, als es nicht einmal in Ansätzen die Chance für unabhängige Beobachtungen gab. Wir erfuhren nicht, was der Fall war, sondern wurden zum Opfer äußerst eigenwilliger Wirklichkeitskonstruktionen.

Ich habe diese Beispiele gewählt, um am Extrem zu zeigen, wie die "Wirklichkeit der Medien" oft zustande kommt. "Alternative Fakten" sind, so zeigen (auch) diese Fälle, kein neues Phänomen; George W. Bush präsentierte sie bekanntlich, als er mit Hilfe von erfundenen "Massenvernichtungswaffen" das Regime des Saddam Hussein vernichten wollte. Sein Nach-Nachfolger Trump ist auf diesem Gebiet freilich ein Meister aller Klassen - und das schon seit Jahrzehnten.

Wagen Sie doch bitte mal einen Ausblick: Wie wird es mit dem Journalismus weitergehen?

Siegfried Weischenberg: Zu den Paradoxien gehört ja in diesen Wochen, dass Trumps "War against the media" dem Journalismus - jedenfalls in den USA - zu neuem Schwung verhilft. Und die besten Nachrichtenmedien und ihre Journalisten machen ja auch wirklich einen guten Job.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen solchen qualifizierten Journalismus auch in Zukunft brauchen, und dass ein großer Teil der Bevölkerung dessen Qualität auch zu schätzen weiß. Wir brauchen weiter eine Instanz, die Orientierung bietet - insbesondere gegen solche Personen und Institutionen, die glauben, uns jeden Bullshit andrehen zu können. Doch um diese Zukunftssicherung müssen wir uns wohl alle kümmern und dafür auch zu Investitionen bereit sein. Dabei geht es insbesondere um eine sichere ökonomische Basis für die Medien, aber auch um eine qualifizierte Ausbildung der journalistischen Akteure.

Auf die Politiker können wir dabei wohl nicht so sehr zählen, denn sie scheinen sich zunehmend in den Gedanken zu verlieben, dass Kommunikationsverhältnisse, bei denen der Filter durch ungeliebte Medien wegfällt, ihnen und ihrer Karriere zu Gute kommt. Aber dies ist ein Irrtum.