Medikamente: "Deutschland hat zu lange zu billig eingekauft"
Seite 3: BPI: "Es wird unumgänglich sein, hier die 'Komfortzone' zu verlassen"
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Beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie nahm BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen wie folgt Stellung:
Es ist regulatorisch und pharmazeutisch nicht trivial, Standorte zu verlegen. Bei nahezu allen Prozessen müssen pharmazeutische Hersteller erneut alle behördlichen Auflagen erfüllen (Audits, Prozesse, Stabilitätsdaten etc.). Wir sprechen hier von Jahren, nicht Monaten.
Die Fertigproduktherstellung, d.h. die Herstellung des Arzneimittels, ist nach Durchführung der technischen und regulatorischen Aufgaben in Europa mit ausreichender Vorlaufzeit, um die technischen Voraussetzungen für die Produktion zu erfüllen, realisierbar. Die grundlegenden Strukturen sind größtenteils noch vorhanden, politisch könnten dabei verstärkte Förderungen unterstützen.
Bei der Wirkstoff-Herstellung hat Deutschland/Europa durch deren Abwanderung in andere Teile der Welt sehr viel verloren. Dieser Prozess ist nur schwer reversibel. Das "Zurückholen" der Wirkstoffproduktion ist nur bedingt realisierbar. Selbst bei idealen Vorzeichen ist eine schnelle Verlagerung eine längerfristige Aufgabe.
Es ist ein umfassendes Konzept erforderlich, das strukturell an den Ursachen für die Abwanderung und Auslagerung der Wirkstoffproduktion ansetzt. Dies bedeutet, dass hier nicht nur industriepolitisch angesetzt werden kann – so würden Subventionen alleine die strukturellen Probleme nicht beheben.
Es muss gleichzeitig auch der Nachfragemarkt in den Blick genommen werden – denn ohne einen attraktiven Markt wird man keine Produktion anlocken können. Dies bedeutet konkret, dass insbesondere auch der Preis- und Kostendruck in nationalen Gesundheitssystemen in den Blick genommen werden müsste – dies scheut man jedoch grundsätzlich und in Zeiten knapper Kassen besonders.
"Vor weiterer Abwanderung sichern"
Es ist jedoch so, dass eine stabile Versorgung auch über "regionale" Produktion und die Vergütungssituation im Krankenversicherungssystem eng miteinander verknüpft sind. Daher wird es unumgänglich sein, hier die "Komfortzone" zu verlassen – schon allein, um die noch in Deutschland/Europa bestehende Wirkstoffherstellung vor weiterer Abwanderung zu sichern.
Daher müssen nunmehr dringend Korrekturen vorgenommen werden, um im Arzneimittelbereich einen nachhaltigen Wettbewerb mit dem Ziel des Erhalts der Anbietervielfalt zu sichern und dadurch eine kontinuierliche Arzneimittelversorgung zumindest in versorgungsrelevanten Bereichen zu gewährleisten.
Um mit einer Produktion in Deutschland bzw. Europa die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu erhöhen, bedarf es u.a. auch der Modifikation der bestehenden Ausschreibungsregelungen für Rabattverträge.
Bei der Zuschlagserteilung müssen die Krankenkassen verpflichtet werden, in einem echten Mehrbietermodell mindestens einen Bieter mit deutscher bzw. EU-Produktion bei insgesamt drei Zuschlägen zu berücksichtigen, wobei Ein-Partner-Zuschläge bei entsprechender Angebotslage grundsätzlich untersagt sind.
Darüber hinaus sollten Wirkstoffe/Arzneimittel, die in den letzten zwei Jahren mehrfach einen Versorgungsengpass aufgewiesen haben, für die Dauer von zwei bis drei Jahren nicht mehr ausgeschrieben werden. Damit stünden diese vollständig zur Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung und es würden Anreize geschaffen, die Versorgung in Deutschland zu verbessern.
Ein simpler Vergleich europäischer bzw. deutscher Lohnkosten und der entsprechenden Sozialabgaben zeigt, dass wir niemals zu chinesischen Preisen produzieren können werden. Sonst hätte es diesen Strukturwandel nicht gegeben. Die Unternehmen arbeiten hocheffizient, Steigerungen sind nur bis zu bestimmten Grenzen möglich.
Selbst wenn durch Automatisierungsprozesse die Produktionskosten noch weiter gesenkt werden können, so wird man aufgrund der regulatorischen Kosten und allem, 'was um die Fabrik herum' noch an Aufwand erforderlich nicht, kein asiatisches Kostenniveau erreichen können.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen müssten bereit sein, für die Lieferfähigkeit und Patientenversorgung entsprechende Mehrkosten in Kauf zu nehmen.
Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
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