Medizinforschung ohne Big Oil: Warum ein Fachjournal Verzicht auf fossile Sponsoren fordert
Fachleute sehen Gefahr verzerrter Ergebnisse: Forschungsgelder und Autoren stammen teils von Ölfirmen. Deren Einfluss auf die Gesundheit wird problematisiert.
Der Interessenkonflikt ist klar: Luftverschmutzung und Klimaerhitzung durch fossile Energieträger haben nachweislich negativen Einfluss auf die menschliche Gesundheit. Ölfirmen und andere fossile Energiekonzerne sind aber auch an der Finanzierung und Umsetzung medizinischer Forschungsarbeiten beteiligt; und das teils erheblich.
Im Fachmagazin British Medical Journal (BMJ) wird deswegen nun der Verzicht auf diese Sponsoren gefordert.
Ölindustrie und Tabakkonzerne: Zwei Branchen, ein Vorwurf
Ölkonzerne sollten wie die Tabakindustrie behandelt werden, erklärt Anna Gilmore, Direktorin der Forschungsgruppe für Tabakkontrolle an der Universität Bath im Südwesten Großbritanniens.
"Beide Industrien schaden der menschlichen Gesundheit in vergleichbarem Maß und verfolgen die Taktik, wissenschaftliches Arbeiten zu verzerren", begründet sie die Forderung.
Ölfirmen stellten Mitautoren bei über 1.000 Studien
Das BMJ veröffentlichte dazu eine Untersuchung, die aufzeigt, dass innerhalb der letzten sechs Jahre mehr als 180 publizierte Studien im medizinischen Bereich mit Geldern fossiler Energiekonzerne finanziert wurden. An mehr als 1.000 weiteren Forschungsarbeiten seien Autoren beteiligt gewesen, die bei solchen Unternehmen beschäftigt sind.
Rund 600 Beiträge entstanden demnach in Kooperation zwischen dem staatlichen saudischen Ölkonzern Saudi Aramco und der Johns Hopkins Medicine, das an die Johns-Hopkins-Universität in Baltimore angebunden ist. Am zweithäufigsten taucht der US-Ölmulti ExxonMobil als Förderer auf.
Unter den weltweit führenden Fachmagazinen im medizinischen schließe nur das BMJ Studien aus, die durch fossile Energieunternehmen finanziert oder unterstützt worden seien, betont die Redaktion in einer Mitteilung.
Medizinforschung und Klimaschutz: Das sagt der Chefredakteur
Seit 2020 verfolge das Journal diese Politik und werde sie nun auf seine Ableger ausdehnen. "Medizinische Fachzeitschriften spielen eine wichtige Rolle für den Klimaschutz, nicht nur, indem sie sich für Maßnahmen einsetzen, sondern auch selbst Maßnahmen ergreifen", begründete Chefredakteur Kamran Abbasi die Blattlinie.
Das Wissenschaftsmagazin The Lancet hatte vor wenigen Wochen einen Bericht darüber veröffentlicht, wie der Klimawandel zunehmend die menschliche Gesundheit gefährde. Demnach sind "Menschen weltweit durch das sich rasch verändernde Klima mit rekordverdächtigen Bedrohungen für ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit und ihr Überleben konfrontiert".
Hitzewellen gefährden vor allem Menschen, die im Freien arbeiten, sowie ältere Menschen und kleine Kinder. Hinzu kommt die Ausbreitung potenziell tödlicher Infektionskrankheiten wie Denguefieber, Malaria, West-Nil-Fieber und Vibrionen-Infektionen. Durch den Temperaturanstieg auch in bisher gemäßigten Breiten seien immer mehr Menschen in zuvor nicht betroffenen Gebieten dem Risiko einer Übertragung ausgesetzt.
Durch den Verlust landwirtschaftlich nutzbarer Flächen könnten zudem Nahrungsmittelknappheit und Mangelernährung zunehmen.