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Energie- und Klimawochenschau: Klimaziele, Extremwetter, Enteignungen, gegen die Liberale nichts haben, und Chevrons Rache an einem Anwalt, der einen Prozess gegen den Konzern gewann
Corona ist das alles beherrschende Thema, oder? Nicht ganz. Es gibt immer noch eine ganze Reihe Menschen, die nicht vergessen haben, dass wir mitten in einer großen Klimakrise stecken, und dass diese uns noch beschäftigen wird, wenn die Corona-Pandemie längst Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat.
In Frankreich zum Beispiel, das derzeit von der Pandemie besonders gebeutelt wird, gingen am vergangenen Sonntag Zehntausende auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Die Süddeutsche Zeitung zitiert die Polizeizahlen mit 44.000 und die der Veranstalter mit 110.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
So richtig erhört wurden diese aber nicht. Das Pariser Parlament beriet am Montag ein Klimagesetz, das ein paar Beruhigungspillen enthält. Kurzstreckenflüge sollen verboten werden, wenn sich die gleiche Strecke sich in nicht mehr als zweieinhalb Stunden mit dem Zug zurücklegen lässt. Auch das Beheizen von Außenterrassen wird künftig unzulässig sein.
Die Demonstranten hatten am Tag zuvor von einem "Pseudo-Klimagesetz" gesprochen. Am 6. Mai soll es verabschiedet werden. Weitere Proteste sind geplant.
Taschenspielertricks
Schon Mitte April soll eine neue Klimaschutzdirektive der EU fertig sein, die derzeit zwischen dem EU-Parlament, der Kommission und dem Ministerrat, also den Regierungen der Mitgliedsländer, verhandelt wird. Die auf Nachrichten aus der EU spezialisierte Plattform Euractive berichtet von einer festgefahrenen Situation, die sich vor allem um das Reduktionsziel für 2030 dreht.
Eigentlich ist man sich einig, dass die Treibhausgasemissionen in der Gemeinschaft bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduziert sein sollen. Gemessen an der in der Pariser Klimaübereinkunft eingegangenen Verpflichtung, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau (oder 0,3 bis 0,4 Grad vom aktuellen Niveau) zu beschränken, ist das allerdings zu wenig.
Doch die EU-Kommission sucht dennoch nach einem Weg, dieses Ziel weiter zu verwässern. Im Auftrag des Ministerrats beharrt sie darauf, die CO2-Emissionen mit der Aufnahme von CO2 durch veränderte Landnutzung zu verrechnen. (Allerdings sollte den Regierungen vielleicht mal jemand erzählen, dass in Dürrejahren wie zuletzt die Wälder gar kein CO2 aufnehmen, sondern in größerem Umfang abgeben.)
Das Parlament hingegen hält nicht viel von derlei Taschenspielertricks. Die sozialdemokratische Abgeordnete Jytte Guteland, die die Verhandlungsdelegation des Parlaments in dieser Frage leitet, verweist darauf, dass die Formel der Kommission nicht einmal den Effekt von Waldbränden und Stürmen berücksichtigt, die den Wald wie auch Dürren aus einem CO2-Speicher zur CO2-Quelle machen können.
Landunter "down under"
Derweil hat im australischen Sydney das große Aufräumen begonnen. Letzte Woche hatten dort und in der umliegenden Provinz New South Wales schwere Niederschläge für extreme Überschwemmungen gesorgt, über die unter anderem die britische Zeitung Guardian berichtete.
Hier finden sich einige Bilder, die Ausmaße der Überflutungen verdeutlichen. Einige sprechen von "historischen" Ausmaßen, das US-Magazin Forbes von den schlimmsten Fluten seit Jahrzehnten.
Zum Teil sind die gleichen Gemeinden betroffen, die ein gutes Jahr zuvor unter den schwersten Busch- und Waldbränden in der Geschichte des fünften Kontinents zu leiden gehabt hatten.
Hierzulande könnte indes ein wenig mehr Regen nicht schaden, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) in seiner Übersicht für den März feststellt. Demnach fielen mit 45 Liter pro Quadratmeter im Landesmittel im März 25 Prozent weniger Regen und Schnee, als zu erwarten war. Die Temperatur lag mit 4,6 Grad Celsius um 1,2 Grad über dem Wert der Referenzperiode 1961 bis 1990.
Während die Küstenländer ihr Regensoll erreichten oder gar leicht überboten, war das ohnehin im März eher niederschlagsarme Sachsen-Anhalt einmal mehr die trockenste Region. Landesweit zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung im Augenblick noch meist ausreichend für die Pflanzen verfügbares Wasser, aber vor allem im tieferen Boden oft extreme Trockenheit. Die Dürre der letzten Jahre ist also bisher mitnichten überwunden.
Enteignungen am laufenden Band
In Berlin wird ja zurzeit mal wieder über die Enteignung gestritten oder auch über die "Vergesellschaftung", wie es ein Teil der Befürworter dort lieber nennt. Die Kampagne "Deutsche Wohnen & Co. Enteignen" ist in die zweite Phase eingetreten. Über 1.000 Aktive sammeln derzeit fleißig Unterstützungsunterschriften. Bis zum 25. Juni müssen 175.000 beisammen sein, damit es zu einem Volksbegehren kommt.
Wenn alles gut läuft, würden die Berlinerinnen und Berliner dann am sogenannten Superwahltag, am 26. September, nicht nur den Bundestag, ihr Abgeordnetenhaus und die Kommunalparlamente in den Bezirken wählen. Sie würden auch über die Frage abstimmen, ob der neue Senat die Vergesellschaftung aller profitorientierten Wohnungsunternehmen vorbereiten muss, die mehr als 3.000 Wohnungen ihr Eigen nennen.
FDP und CDU rufen natürlich Zeter und Mordio. Die Liberalen schimpfen, dass es sich um Klassenkampf handele, gegen den sie ansonsten aber eigentlich nichts zu haben scheinen. Jedenfalls dann nicht, wenn für die Braunkohle oder für Autobahnen enteignet wird.
Vollkommen unbeeindruckt von den zum Teil sehr heftigen Protesten gegen neue Autobahnen wie etwa die A49 in Hessen, die A445 in Nordrhein-Westfalen, die A100 in Berlin, die A21 in Schleswig-Holstein und die A14 in Sachsen-Anhalt laufen derzeit 142 Enteignungsverfahren für den Autobahnbau, wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich unter Berufung auf das Bundesverkehrsministerium berichtete.
43 weitere Verfahren seien in der Vorbereitung. Seit 2010 wurden demnach 420 Verfahren bereits abgeschlossen. Spitzenreiter unter den Enteignern sind übrigens die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt, beides Länder, in denen die Liberalen es zuletzt nicht in den Landtag geschafft haben, also unbeteiligt sind.
Doch weder wurde von ihnen aus dem Off Kritik an diesen Maßnahmen gehört, noch haben ihre Parlamentarier und Minister in Nordrhein-Westfalen Probleme damit, ganze Dörfer für die Ausweitung von Braunkohlegruben zu opfern, die angesichts der Klimakrise eigentlich umgehend statt erweitert geschlossen werden müssten.