Medizinrechtlerin, die gegen die Corona-Notstandsgesetze protestierte, in die Psychiatrie gesteckt
Beate Bahner versuchte mit einem Eilantrag an das Verfassungsgericht und mit einem Aufruf zu einer Anti-Lockdown-Demo die Demokratie zu retten. Update: Sie wurde inzwischen entlassen
Am Ostersonntag wurde die Medizinrechtlerin Beate Bahner aus Heidelberg von der Polizei in die Psychiatrie gebracht (nicht zwangseingeweisen, wie zunächst geschrieben, da dies einen richterlichen Beschluss voraussetzt, der nicht vorlag). Sie habe einen "sehr verwirrten Eindruck" gemacht, gab die Polizei Auskunft. Gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung erklärte das Polizeipräsidium Mannheim:
Am Sonntagabend, kurz vor 20 Uhr, informierte ein Zeuge das Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Mannheim per Notruf darüber, dass in der (...) Straße eine Frau stehe, die angegeben habe, sie werde verfolgt. Eine Streife traf die Frau an und stellte die Personalien fest. Im Rahmen des weiteren Gesprächsverlaufs und aufgrund ihrer Verhaltensweise hielten es die Beamten für erforderlich, medizinische Hilfe einzuholen. Hierzu wurde die Frau festgehalten und sollte in eine Klinik gebracht werden. Daraufhin setzte sie sich zur Wehr und trat mehrfach gegen einen Beamten. Diesbezüglich wurden die Ermittlungen gegen die Verdächtige wegen des Verdachts des tätlichen Angriffs und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aufgenommen. Anschließend wurde die Frau zur Universitätsklinik Heidelberg gebracht und dort stationär aufgenommen.
Polizeipräsidium Mannheim
Das könnte natürlich stimmen, erweckt aber auch den Eindruck, dass die Polizisten mit der Anwältin, die vermutlich empört reagierte, etwas harsch umgegangen sind. Dass sie sich einer Festnahme und Verbringung in die Psychiatrie nicht lammfromm fügte, könnte verständlich sein.
Wie der Konflikt ablief, wird kaum eruierbar sein, wenn sich kein neutraler Zeuge meldet. Sofort mit der Anschuldigung eines tätlichen Angriffs und des Widerstands aufzufahren, um das polizeiliche Vorgehen zu rechtfertigen, ist zwar gängige Praxis, aber lässt doch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit aufkommen. Oder sollte es der Zweck des Einsatzes gewesen sein, die unbequeme Anwältin wegzuschließen?
Update, 12:12: "Beate Bahner wurde am Dienstagabend, 14. April 2020 aus dem Hochsicherheitsgefängnis Heidelberg, Geschäftsstelle Psychiatrie Heidelberg, Voßstraße 4, geleitet von der ärztlichen Direktorin Prof. Dr. Sabine Herpetz, entlassen."
Die Erzählung
Nach einer Telegram-Audiomitteilung vom Ostermontag an ihre Schwester, die auf YouTube veröffentlicht wurde und von Beate Bahner stammen soll, hat sie sich zuvor bedroht gefühlt. In ihrer Erzählung wirkte sie nicht verwirrt, wenn auch mitunter in manchen Einschätzungen ein wenig verschroben, aber eigentlich sehr gelassen. Ein Auto sei lange vor ihrer Garage gestanden, sie habe sich versteckt und sei dann vor den "Killern" (scherzhaft) weggelaufen. Ihre Sekretärin sei nicht mit dem Auto gekommen, auf der Straße sei niemand gewesen, sie habe ein Auto aufgehalten, um die Polizei um Schutz zu bitten.
Das sei aber ein Fehler gewesen, sie sei ja im Moment der "größte Staatsfeind". Als die Polizei kam, habe sie gesagt, sie fühle sich verfolgt. Die Polizisten hätten sie gleich festgenommen, Handschellen angelegt, gegen den Boden gedrückt, Gewalt angewendet und gegen ihren Willen in die Psychiatrie gebracht. Niemand sei ihr beigestanden. Nach ihren Worten muss dies die Klinik für Allgemeine Psychiatrie sein, ihre Kanzlei ist gleich um die Ecke. In der Klinik hätte ein Polizist ihren Kopf an die Wand geschlagen. Die Ärztin habe lange gebraucht, bis sie kam, Bahner vermutet, sie habe Anweisungen von oben bekommen, vielleicht von Amerika. Überhaupt: Alle in der Klinik würden sie kennen: "Die ganze Welt weiß, wer ich bin." Solche Bemerkungen lassen die Audioaufzeichnung authentisch erscheinen und Bahner etwas entrückt. Die Hinzuziehung eines Anwalts sei ihr verweigert worden, sie sei dann in den "Guantanamo-Hochsicherheitstrakt der Psychiatrie" gebracht worden. Sie habe Angst gehabt, dass sie umgebracht werde.
Dann habe sie ein Upgrade mit einem "wunderbaren Zimmer" mit Dusche und ihr Handy in der Isolationsabteilung bekommen, wo sie einen Mundschutz tragen müsse. Freunde hätten Bücher gebracht, dürften sie aber nicht besuchen. "Die Mädels seien alle supernett", sagte sie über die Krankenschwestern. Jetzt fühle sie sich aber sicher. Ihrer Schwester sagte sie, es sei alles noch "viel, viel schlimmer", als sie das im Eilantrag geschrieben hatte. Wenn die Menschen es noch immer nicht begreifen, dass in Windeseile mit Lügen und Betrug und "der größten Fake-Geschichte mit Angst- und Panikmache", mit dem Coronavirus, an dem in Deutschland noch keiner gestorben sei, eine Tyrannei errichtet wurde: "I don't know." Sie sei jetzt ein Beispiel dafür, was allen Menschen geschehen könne, wenn sie nicht aufwachen und sehen, was das für ein "Terrorregime" ist.
Eilantrag wurde vom Verfassungsgericht abgewiesen, Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet
Das alles geschah, nachdem am Karfreitag Bahner mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht, die Corona-Verordnungen außer Kraft zu setzen und eine Demonstration gegen diese zuzulassen, gescheitert war. Er sei "unzulässig", weil das Prinzip der Subsidarität in der Begründung nicht berücksichtigt wurde oder Bahner nicht ausgeführt hatte, durch die baden-württembergische Corona-Verordnung von "sämtlichen der in dieser Verordnung geregelten, zahlreiche verschiedene Lebensbereiche betreffenden Maßnahmen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten betroffen zu sein".
Schon am Mittwoch, dem 8. April, hatten die Staatsanwaltschaft Heidelberg und die Kriminalpolizeidirektion Heidelberg Ermittlungen gegen sie "wegen des Verdachts, öffentlich zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen zu haben", aufgenommen. Eine Anhörung war auf den 15. April angesetzt, ihre Website war "vorübergehend" gesperrt worden, ist aber jetzt wieder online. Wegen der eingeleiteten Ermittlungen hatte sie am 9. April noch einen weiteren Brief - "Eilt sehr" - an das Bundesverfassungsgericht geschrieben. Der war nicht wirr, aber sehr persönlich:
Seit wann ist Demonstrieren eine Straftat? Sind wirklich innerhalb von nur zwei Wochen die fundamentalen Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 GG und der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu Straftaten mutiert? Ist das Grundgesetz wirklich schon abgeschafft? Meine Homepage wurde auf Anordnung der Polizei abgeschaltet.
Beate Bahner
Haben wir schon die Diktatur und die Tyrannei hier in unserem Land? Ich fürchte das Allerschlimmste, wenn Sie als Hüter der Verfassung diesem bösen Spuk nicht sofort abhelfen! Ich bin zutiefst erschüttert in meinem Glauben an den Rechtsstaat.
Bahner hatte für den Ostersamstag zu einer Demonstration "Coronoia 2020. Nie wieder mit uns. Wir stehen auf" gegen die Covid-19-Notstandsgesetze aufgerufen und sich dafür auch auf das Recht auf Widerstand nach Art. 20 des Grundgesetzes berufen. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizeidirektion Heidelberg wollten nicht nur den Aufruf, sondern auch jede Beteiligung an einer Demonstration bzw. allgemein einer öffentlichen Versammlung in Corona-Zeiten unterbinden und ordneten am 8. April an:
In diesem Zusammenhang wird seitens der Strafverfolgungsbehörden eindrücklich darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen zu Zeiten der COVID-19-Pandemie einen Straftatbestand erfüllen kann, zumindest indes eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen hat daher zu unterbleiben.
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizeidirektion Heidelberg
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei wollen nichts mit der Einweisung zu tun haben
Offenbar gab es Unruhe und Verdächtigungen, dass die Sicherheitsbehörden mit Bahner eine unbequeme Fundamentalkritikerin in die Psychiatrie wegsperren und mundtot machen könnten. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizeidirektion Heidelberg sahen sich jedenfalls veranlasst, einen Zusammenhang auszuschließen:
In der Öffentlichkeit, namentlich im Internet, kursieren derzeit Berichte über eine zwangsweise Unterbringung der Beschuldigten in einer psychiatrischen Klinik. Hierzu stellen die Staatsanwaltschaft Heidelberg und das Polizeipräsidium Mannheim fest, dass im Rahmen des gegen die Beschuldigte geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens weder die Unterbringung der Beschuldigten in einer psychiatrischen Klinik noch eine sonstige strafprozessuale Zwangsmaßnahme veranlasst wurden.
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizeidirektion Heidelberg
Das kann man glauben oder nicht. Gut möglich, dass die Einzelkämpferin gegen die Corona-Verordnungen Angst hatte, möglicherweise wurde sie bedroht, weil sie zu der Demonstration aufgerufen hatte oder rechtlich gegen die Corona-Erlasse vorgehen wollte, was manche als gesundheitsgefährdend betrachten könnten. Gut möglich jedenfalls, dass sie von der Polizei, dem Staatsschutz oder dem Verfassungsschutz beobachtet wurde, vielleicht sollte sie auch eingeschüchtert werden, um nicht gegen sie vorgehen zu müssen, da sie bereits im Ausland bekannt geworden war. Fragen könnte man dann auch, ob die Verbringung in die Psychiatrie gegen ihren Willen durch die Polizisten geplant oder ein Zufall war. Solche Spekulationen können aufkommen, weil die Sicherheitsbehörden nicht offen berichten.
Corona-Auferstehungs-Verordnung und andere Merkwürdigkeiten
Dem Anschein nach war Bahner überzeugt, dass sie mit ihren Aktionen einen Durchbruch erreicht hatte und dass sie als Einzelkämpferin angetreten war, die Welt zu retten. In einem "Offenen Brief an Julie Zeh", den sie als Email auch an die Bundeskanzlerin, die großen Medien und Nachrichtenagenturen am 10. April schickte, schrieb sie, dass sie "tausende Anrufe und tausende Mails von Menschen" erhalten habe, "die mir seit Tagen erleichtert schreiben und mir alle ihre Unterstützung anbieten". Sie brauche jetzt Erholung, müsse sich um ihren kleinen Hund kümmern und würde gerne an Julie Zeh übergeben:
Wollen Sie jetzt nicht bitte übernehmen und den Menschen in Deutschland sagen, dass sie alle sofort zusammen rausgehen, das tolle Wetter genießen, dass sie Ostern mit ihren Familien und in ihren Kirchen feiern und dass alle sofort wieder ihre Geschäfte, Restaurants, Cafes wieder öffnen sollen?! Und dass die Bürgermeister sofort die Schwimmbäder, Parks, Museen und Theater und alle Einrichtungen wieder öffnen sollen!
Wir sind schließlich keine Schwerverbrecher, die man über Wochen hinweg einfach so wegsperren kann! Oder haben die Menschen wirklich Angst davor, dass sie von einer Weinflasche mit Killervirus angenießt oder von einem Turnschuh mit Killervirus angehustet werden? Und glauben die Menschen denn wirklich weiterhin, sie seien wandelnde Killerviren, vor denen man sich schützen und verstecken muss? Wir sind doch keine Kriminellen, die man polizeilich überwachen muss, wenn wir unsere Grundfreiheiten und Menschenrechte in Anspruch nehmen, ich fasse es einfach nicht. Bitte unterstützen Sie mich dringend und übernehmen Sie. Ich kann schließlich nicht alleine die Welt retten.
Beate Bahner
Möglicherweise ist sie in eine paranoide Krise mit Selbstüberschätzung gerutscht. Am 11. April, also an dem Tag, an dem sie zu Demonstrationen aufgerufen hatte, verkündete sie um 19 Uhr eine "Corona-Auferstehungs-Verordnung", die auf Verwirrung schließen lässt, auch wenn sie in dieser selbst nur die Corona-Verbote in Gebote umkehrt und teils ironisch verkehrt ("Ein alleiniger Aufenthalt im öffentlichen Raum ohne weitere Begleitpersonen ist nur gestattet, wenn hierfür triftige Gründe vorliegen, etwa Ruhe- und Erholungsbedürftigkeit der Einzelperson. Weitere Gründe sind gegebenenfalls schriftlich nachzuweisen."). Aber genauso gut könnte es sein, dass ihre "Verordnung" auch insgesamt ironisch gemeint war:
Die Corona-Auferstehungs-Verordnung vom 11. April 2020 gilt bundesweit und tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Beschlossen und verkündet durch Beate Bahner, die seit der Erarbeitung dieser Verordnung beschlossen hat, ihre Anwaltszulassung bis auf weiteres zu behalten. Heidelberg, den 11. April 2020, 19 Uhr.
Beate Bahner
Wie alles begann
Anfang April hatte Bahner die Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die die Corona-Verordnung von Baden-Württemberg, aber auch gegen die Maßnahmen der Bundesregierung angekündigt. Die gesundheitlichen Notstandsverordnungen seien verfassungswidrig, schrieb sie: "Die von der Regierung getroffenen radikalen Maßnahmen der Ausgangs- und Kontaktverbote für 83 Millionen Menschen und die Lahmlegung nahezu der gesamten Wirtschaft über viele Wochen sind weder durch die Entwicklung der Zahlen, noch durch Studien, noch durch bisherige Erfahrungswerte gerechtfertigt."
Bahner forderte hingegen den Schutz der Risikogruppen, mehr Tests, die Obduktion der Verstorbenen, eine "redliche" Darstellung der Todeszahlen und "die sofortige Sicherstellung der Versorgung mit notwendigen Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln sowie die Versorgung mit Gegenständen der persönlichen Schutzausrichtung und Produkten zur Desinfektion!" Man sollte meinen, es wäre höchste Zeit, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Notstandsverordnung und den massiven Einschränkungen von Grundrechten beschäftigt und deren Verhältnismäßigkeit prüft. Bahner forderte allerdings etwas ungeschickt, dass der Shutdown "sofort" beendet werden müsse.
Bahner begründete in einem Text ausführlich, warum für sie der Shutdown verfassungswidrig ist. Aber sie verband diese Begründung eben auch mit einem Aufruf an alle Deutschen, sich zu einer bundesweiten Demonstration am Ostersamstag unter dem Motto "Coronoia 2020 - Nie wieder mit uns. Wir stehen heute auf!" zu versammeln. Das ist schon ein wenig vermessen, wenn eine einzelne Person zu bundesweiten Demonstrationen aufruft und sich nicht auf eine rechtliche Klärung beschränkt.
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