Mehr Rechtsextreme als vor zwei Jahren – und doch weniger als gedacht?

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Laut Studie mehr Deutsche mit ultrarechtem Weltbild als 2021. Allerdings nicht halb so viele, wie es potenzielle AfD Wähler gibt. Manches wirft Fragen auf.

Rechtsextreme Einstellungen haben in der deutschen Bevölkerung laut der aktuellen "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung seit 2021 stark zugenommen. Allerdings haben demnach weniger Menschen ein rechtsextremes Weltbild, als momentan laut Umfragen für die AfD stimmen würden. Letzteres sind bundesweit mehr als 20 Prozent. Ein rechtsextremes Weltbild hat laut der Studie aber mit 8,3 Prozent "nur" etwa jeder zwölfte Erwachsene. In den Vorjahren waren dies zwei bis drei Prozent.

Aktuell stimmen laut der Studie weitere 20,1 Prozent zumindest teilweise rechtsextremen Aussagen zu, 2021 waren dies 16,3 Prozent.

Als eindeutig "fremdenfeindlich" werden in der aktuellen Erhebung 16,2 Prozent eingeordnet, weitere 30,3 bewegen sich demnach in einer Grauzone. Auf die Kritik am Begriff "Fremdenfeindlichkeit" (Rassismus trifft nicht nur "Fremde", sondern auch Menschen, deren Lebensschwerpunkt schon lange in Deutschland ist) gehen die Forschenden ein, verwenden den alten Begriff aber weiter, um die Vergleichbarkeit der Daten mit früheren Studien zu erleichtern.

Gefragt wurde zum Beispiel nach Zustimmung oder Ablehnung von Aussagen wie "Im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechte gewähren".

Eindeutig antisemitisch eingestellt sind laut der Studie 5,7 Prozent der Bevölkerung, eine Tendenz zum Antisemitismus wurde bei weiteren 15,3 Prozent festgestellt.

Die Fragen wurden Anfang des Jahres gestellt

Die telefonische Befragung durch das UADS Institut liegt allerdings schon mehr als ein halbes Jahr zurück: Im Zeitraum vom 2. Januar bis 28. Februar dieses Jahres sollten sich 2027 Teilnehmende zu bestimmten Aussagen zu positionieren – etwa dazu, ob sie eine Diktatur befürworten würden.

Eindeutig zustimmend äußerten sich dazu 6,6 Prozent – 4,4 Prozentpunkte mehr als zuletzt. Im Graubereich bewegten sich 23,3 Prozent; auf klare Ablehnung stößt diese Möglichkeit bei 70,1 Prozent.

Die Antworten auf andere Fragen ließen allerdings mehr Interpretationsspielraum zu – vor allem in der Rubrik "Populismus": Der Aussage "Die regierenden Parteien betrügen das Volk" stimmten rund 30 Prozent der Befragten "voll und ganz" oder "eher" zu – fast doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. In welche Richtung dieser Betrug nach Meinung der meisten Befragten geht, welche Probleme ihrer Meinung nach verharmlost oder aufgebauscht werden, bleibt allerdings unklar.

Auch, dass 23,3 Prozent auf diese Frage mit "teils / teils" antworteten, wirft Fragen auf: Wer meint hier hauptsächlich welche der Ampel-Parteien? - Schließlich repräsentieren Grüne und FDP zumindest aus kulturkämpferischer Sicht noch unterschiedliche Lager, auch wenn beide Parteien häufig von Besserverdienenden gewählt werden.

Abgesehen davon, dass einige Linke lieber "Bevölkerung" als "Volk" sagen, spricht fehlendes Vertrauen in die Regierung noch nicht für eine rechte Gesinnung. Insofern ist beachtenswert, wie die Forschenden ein linkes Weltbild von einem rechten abgrenzen:

Zentrales Element einer linken Ideologie ist neben einer verallgemeinerten Ein- stellung der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Gruppen insbesondere die Ablehnung des Kapitalismus und die Forderung von Umverteilung.

Die Forderung von Umverteilung wird bisweilen auch von Rechten erhoben, dann aber mit dem Zusatz, soziale Leistungen allein auf jene zu beschränken, die als zum eigenen "Volk" gehörig betrachtet werden.


Aus der Studie "Die distanzierte Mitte – Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23

27 Prozent stimmten nämlich auch der Aussage "Echte Demokratie ist nur ohne Kapitalismus möglich" zu – 9,9 Prozent "voll und ganz" und 17,1 Prozent "eher". Eine Umverteilung des Vermögens der Reichen zugunsten der Armen befürworten sogar 46,2 Prozent – davon knapp die Hälfte sogar "voll und ganz".

Das politische Selbstverständnis derjenigen, die laut der Studie ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild teilen, stimmt nach Aussage der Forschenden um Andreas Zick nicht immer mit dem Befund überein: "Unter jenen, die sich klar als "links" positionieren, gibt es dabei mehr Menschen, die ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild teilen (12 Prozent) als es in der politischen Mitte der Fall ist (sieben Prozent)", halten sie fest.

Im Vergleich zu den Vorjahren werde der Vorwurf der beschnittenen Meinungsfreiheit von deutlich mehr Befragten geteilt, heißt es in der Studie. Auch hier wird nicht ganz klar, um welche Meinungsäußerungen es geht und zu welchem Anteil der Vorwurf von rechts kommt.

Allerdings stimmten auch deutlich mehr Befragte der völkischen Forderung zu, "unterschiedliche Völker sollten sich nicht miteinander vermischen".

Mehr als verdoppelt hat sich laut der Erhebung der Anteil der Menschen, die politische Gewalt billigen: Laut der aktuellen Studie liegt er bei 13,2 Prozent. Vor zwei Jahren vertraten 5,3 Prozent der Befragten diese Auffassung.

Zugenommen habe auch der Anteil der Befragten, der sich selbst rechts von der Mitte verorten, heißt es in der Studie mit dem Titel "Die distanzierte Mitte". Während sich aktuell 15,5 Prozent der Bevölkerung selbst rechts der Mitte sehen, waren es bei der letzten Befragung nur knapp zehn Prozent.

Zentrales Merkmal: "Ideologie der Ungleichwertigkeit"

Für die Studie der SPD-nahen Stiftung werden alle zwei Jahre mit einer repräsentativen Befragung vor allem rechtsextreme Einstellungen untersucht. Als zentrales Merkmal des Rechtsextremismus gilt dabei "eine Ideologie der Ungleichwertigkeit und Gewalt beziehungsweise die Billigung von Gewalt zur Durchsetzung der Ideologie". Von der Gesamtstichprobe ausgehend liegt die Fehlerquote nach Angaben der Forschenden bei +/- 2,2 Prozent.

Die Forschenden fragten dieses Mal auch ab, welche Sorgen die Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine am meisten umtreiben. Die Befragung ergab, dass die Sorge um eine Ausweitung des Krieges mit 62 Prozent zwar relativ groß ist, die Sorge wegen steigender Energiepreise aber mit 66 Prozent an erster Stelle steht. Frauen bereiten die Auswirkungen des Krieges dabei insgesamt mehr Sorgen als Männern.

Deutliche Unterschiede gab es auch zwischen Befragten in Ost- und Westdeutschland: So befürchten rund 45 Prozent der Menschen im Westen, als Konsequenz aus diesem Krieg ihren eigenen Lebensstandard dauerhaft nicht halten zu können. Im Osten sind dies 61 Prozent. Eine Ausweitung des Krieges befürchten laut der Studie etwa 70 Prozent der Bevölkerung im Osten und rund 60 Prozent im Westen.

Darüber hinaus wurde abgefragt, ob sich die Menschen einsam fühlen. Das Gefühl der Einsamkeit ist demnach in Städten und ländlichen Gebieten ähnlich verbreitet. "In Ostdeutschland fühlten sich Menschen lange Zeit einsamer als im Westen, das hat sich mittlerweile nahezu angeglichen", heißt es in der Studie.

Insgesamt gaben demnach 28 Prozent der Befragten an, es fehle ihnen öfter oder häufig an Gesellschaft. 15 Prozent der Bevölkerung fühlen sich demnach von anderen isoliert. Die gefühlte Einsamkeit liegt damit laut Studienergebnissen wieder auf ähnlichem Niveau wie vor den Kontaktbeschränkungen der Corona-Krise.